Ein eigenständiger Geist

Dr. Edmund Bercker zieht sich nach der Abgabe des Vorsitz der Bürgerstiftung „Seid einig“ auch von seiner Aufgabe als Ortsvorsteher Kevelaers zurück. Das KB besuchte den Kommunalpolitiker.

Bei der Frage, wie lange er eigentlich das Amt des Ortsvorstehers ausgeübt habe, kommt der vierfache Vater angesichts der vielen Mandate, die er im Laufe seines Lebens schon angenommen hat, selbst ins Grübeln: „Sicher schon vor Stibi unter Paal, wo ich stellvertretender Bürgermeister und auch Ortsvorsteher war .“ Genauer gesagt seit 1999.

2009 schied er aus dem Rat aus, bekleidete das Amt des Ortsvorstehers aber weiter. „Das ist eigentlich ein ganz tolles Amt, weil man insbesondere sehr viel Kontakt zu der älteren Generation hat, die unsere Firma kannte. Man hat sofort ein Gesprächsthema und das artet manchmal soweit aus, dass wir dann einen zweiten Termin machen. Da kann man dann in Ruhe alles bequaken.“

Warum er jetzt den Weg für einen Nachfolger freimache, sei eigentlich ganz einfach, sagt Bercker: „Mit zunehmendem Alter ist es nötig, dass jüngere Leute mit Verve drangehen.“
So hatte er es schon bei der „Bürgerstiftung seid einig“ praktiziert, als er die Amtsgeschäfte als Vorsitzender Stefan Jansen übergab. Und so sei es jetzt auch. „Irgendwann muss man sich sagen, dass man nichts für die kommende Generation blockieren sollte.“

Ein bewegtes Leben

Als kleines Kind war Edmund Bercker nicht in Kevelaer. „Wir wurden 1942 ins Allgäu evakuiert“, erinnert er sich. Die Deutschen nutzten das großelterliche Haus an der Friedenstraße als Kommandozentrale „zur Eroberung unserer Nachbarn“. Später saßen dort die Engländer, „um den Übergang über den Rhein zu leiten.“

Bei der Großmutter in Kempten (Allgäu), die dort Verlegerin war, begann der kleine Edmund sich für Literatur zu interessieren. „Sie nahm mich auf den Schoß, wenn neue Bücher kamen.“ 1942 wurde er dort eingeschult. Als er nicht zum Religionsunterricht wollte, fragte ihn seine Lehrerin nach dem Grund. „Meine Großmutter und meine Mutter haben immer gesagt, vor den Braunen muss man sich fürchten.“ Dabei war der Mann Kapuziner und trug das entsprechende Gewand. „Da haben alle gelacht“, erinnert sich Bercker.

1946 kam er wieder nach Kevelaer zurück, ging auf die Volksschule am Markt und zum sogenannten „Pro-Gymnasium“ in Kevelaer. Später kam er auf ein Internat zu den Jesuiten nach Godesberg. Dort blieb er sechs Jahre bis zum Ende der Oberprima.

Der auch medizinisch interessierte junge Mann studierte dann Theologie in Tübingen, wo er auch seine zehn Jahre jüngere Frau kennenlernte. Beide heirateten 1967. „Ich war immer in der Kirche mit eingebunden“, erinnert er sich. Er hatte einen Bezug zu dem Pfarrer von St. Antonius, Heinrich Maria Jansen, klopfte Steine beim Wiederaufbau von St. Antonius. Bis heute ist Bercker Kirchenvorstand in St. Marien.

Zur Promotion in Theologie fehlten ihm aber „die niederen Weihen“, sagt Bercker, sodass er schließlich promovierter Philologe wurde. Im Bistum Rottenburg hätte er einen Verlag übernehmen können, dem Weg seines Doktorvaters an der Uni folgen können. Stattdessen kam der Vater nach Tübingen, um ihn in den Verlag nach Kevelaer zu holen.

Verlagsübernahme 1966

Das Verlegerkind in der vierten Generation übernahm 1966 bei „Butzon & Bercker“ den Bereich Verlag und Kunstwerkstätten, sein Bruder Klaus Bercker den technischen Bereich. 1970 wurde er Geschäftsleiter. Sieben Jahre später begann die Umsiedlung von der „Luga“ zwischen Johannesstraße und Neustraße zum Hoogeweg ins Gewerbegebiet.

Einer seiner persönlichen Höhepunkte war der Besuch von Johannes Rau. Der damalige NRW-Ministerpräsidenten stellte ihm direkt eine Frage: „Wissen Sie, dass ich Autor bei Ihnen bin?“ Denn ein Jesuit hatte ein Gesangbuch mit einem Text von Rau bei dem Verleger herausgegeben. „Ich habe aber nie mein Honorar bekommen“, sagte Rau. Bercker muss bei der Anekdote auch heute noch immer schmunzeln.

Auch für Politik habe er immer ein Faible gehabt, sag Bercker, schon im Studium, wo er Kontakt zu Persönlichkeiten wie den Kirchenhistoriker Karl August Fink oder den Theologen Fridolin Stier hatte, der mit dem großen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber befreundet war.

Prägend war auch der Vater, der „eindeutig CDU“ war, „aber er hat Fürchterliches insofern erfahren müssen“, weil er in der Nazizeit NSDAP-Mitglied wurde, um sein Unternehmen zu retten. Dafür hätte er später heftige Kritik einstecken müssen. „Er hat sich dafür aber nicht interessiert, hatte damit gar nichts zu tun, wurde schwer im Krieg verwundet“, erzählt der 84-Jährige. Der Vater hätte sich auch später mit der Reichsschriftenkammer in Berlin angelegt, „wenn die uns Schriften verweigerten.“

Das gipfelte nach Berckers Erinnerung in Aussagen wie „„Wenn Sie nicht als Verleger mitkriegen, wo der Unterschied zwischen unserer Auffassung und der des Autors ist, sind Sie nicht geeignet, einen Verlag zu führen. Dann entziehen wir Ihnen den Verlag.“

Politisch engagierte sich Bercker zunächst in der SPD, bedingt durch seinen Kontakt zu dem SPD-Bundestagsabgeordneten und Ehrenbürger Helmut Esters. „Wenn Kevelaer keinen Helmut Esters und die SPD gehabt hätte, wäre Kevelaer heute nicht das, was es ist“, sagt er mit voller Überzeugung. „Das ist den meisten Kevelaerern überhaupt nicht klar.“

Aber Bercker blieb nicht lange bei den Genossen. Bis in die Kundschaft sei er als „Linksradikaler“ verleumdet worden, sodass er schließlich austrat „damit das Gequatsche aufhört“, sagt er heute. Was es nicht tat: Als er Vorsitzender der „Deutschen katholischen Verleger und Buchhändler Deutschlands, Österreichs und der Schweiz“ werden sollte, besuchte ihn eine Delegation der Deutschen Bischofskonferenz, um ihn wegen seiner früheren SPD-Mitgliedschaft von der Kandidatur abzubringen.

Trotzdem wird er gewählt, aber in Bezug auf das Amt hätte er fast „die Bocken hingeschmissen.“ Damals wären die Zeiten halt andere gewesen.

Längere Zeit war er politisch dann nicht aktiv. Erst gegen Ende der 70er-Jahre trat Bercker in die CDU ein. „weil es die einzige Partei war, wo man die Möglichkeit hatte, was zu bewegen.“ Auch wenn ihm in manchen Punkten die FDP inhaltlich näher erschien.

„Ich mache keinen Hehl daraus, wie ich denke“, schlägt er den Bogen zu seiner Großmutter, die ihm sagte: „Wenn Du weiter so kritisch bleibst , habe ich um Dich keine Bange.“ Das sei er immer geblieben. Sich nach ganz vorne drängen sei aber nicht seine Sache gewesen. „Ich habe immer versucht, Leute zu überzeugen.“

Bekenntnis zu Gnadenbild und Kapellenplatz

Stolz mache ihn, dass er „ganz zu Anfang nicht als Politiker, sondern als Kevelaerer Bürger den Verkehrsverein“ habe leiten dürfen. Was ihn immer wieder fasziniere, sei das „unscheinbare Gnadenbild, und wie es behandelt wird.“ Der 84-Jährige erhofft sich, „dass die Kevelaerer nie vergessen, was der Mittelpunkt ist: der Kapellenplatz.“ Und dass, „wenn da an dem Gnadenbild was kommen sollte, was nicht soll, die Bürger kommen und sagen: so nicht.“

Was er nie verstanden habe, sei, dass die Stadt nie bereit war, „am Peter-Plümpe-Platz eine gescheite Toilettenanlage und gescheite Sitzplatzmöglichkeiten für Pilger zu schaffen, die in der Hitze oder im Regen warten müssen auf den Bus.“

Er hoffe, dass sich bei der Neugestaltung des Platzes in der Hinsicht etwas tut. Und man dürfe nicht vergessen, sagt Bercker, „dass es viele Ältere gibt, die mit der Fiets in die Stadt kommen, oder Schwerbehinderte, die die Gelegenheit zum Parken haben müssen.“

Für ausreichend Beschäftigung werden auch nach dem Abschied von seinen Ämtern die acht Enkelkinder sorgen. Zwei hätten jetzt einen Führerschein und „brauchen betreutes Autofahren“, meint er lächelnd.

Genug zu Hause zum Aufräumen ist auch noch zu tun. „Ich hab zuletzt die Abschiedsrede von Heinz Paal gefunden“, fällt ihm spontan ein. Und mit seiner Frau will er weiter aktiv am gesellschaftlichen Leben der Stadt teilhaben.