Ein Blick in die Jakobsmuschel
Es ist zwar noch nicht die angepeilte Meeresbrise, die derzeit über die Hüls huscht, aber frischen Wind kann durchaus verspüren, wer sich dieser Tage in die Nähe des Gradierwerks begibt. Der Rohbau der Becken und Fundamente und der Überbau der Anlage, überwiegend aus dicken Lärchenholzbohlen, stehen. Das Beton-Becken, in dem die herabrieselnde Sole aufgefangen wird, wurde mit einer speziellen Beschichtung abgedichtet, damit das solehaltige Wasser später nicht ins Erdreich versickern kann.
80 Gradierwerke gebaut
Nach und nach treffen LKW mit Sanddorn ein (das KB berichtete). Sieben waren es bislang an der Zahl, jeder mit 120 Kubikmetern der Schlehenzweige gefüllt, sagt Krystof Lazarz, der mit seinen Mitarbeitern die Arbeiten ausführt. Vier bis fünf weitere Laster werden wohl noch folgen, schätzt der Fachmann, der nach eigenen Angaben schon 80 Gradierwerke gebaut hat und für den es keine wirkliche Berufsbezeichnung gibt. „Bedorner“ nennt man ihn schon mal, „Künstler“ wäre ihm aber eigentlich lieber, gerade wohl auch angesichts der eigenwilligen Muschelform des Kevelaerer Gradierwerks.
Die hat Architekt Peter Grund ersonnen, der Jakobsmuschel nachempfunden, die den Pilgerweg kennzeichnet. Passt ja auch irgendwie besser zu Kevelaer als die sonst vielfach in Bädern üblichen Riesen-Bauwerke, die den in ihrer Blütezeit üblichen architektonischen Linien folgten.
Beeindruckend mutet die Holzkonstruktion, die mehr und mehr mit den Zweigen gefüllt wird, trotzdem an. Und höher wird das Bauwerk auch noch, denn sobald die Arbeiten an der Bedornung abgeschlossen sind – diese liegen im Zeitplan und im April/Mai sollen die baulichen Arbeiten insgesamt abgeschlossen sein, schätzt Peter Grund – kann das Dach drauf. Beziehungsweise die Dächer, denn durch die aufwändige Konstruktion sind es acht einzelne Dächer. Die sollen verhindern, dass das Regenwasser die herabrieselnde Sole zu sehr verdünnt.
Deren Salzgehalt muss ohnehin reguliert werden: Bei den Technischen Betrieben der Stadt habe man schon einen Mitarbeiter ausgeguckt, der sich gerade in die Thematik einarbeite und der dann die Treppe im rechten Turm des Bauwerks hochsteigen wird, um in der oberen Galerie die Hähne aufzudrehen. Richtig gelesen: Eine automatische Steuerungsanlage wird es nicht geben. Viel hängt also vom Fingerspitzengefühl des „Gradierwerkers“ ab, der immer mal wieder Sole aus der wenige Meter entfernte Quelle zusteuert.
Umfangreiche Erfahrung
Auf umfangreiche Erfahrung kann ein anderer Mitarbeiter der Stadtwerke zurückgreifen, der derzeit an dem Groß-Projekt beteiligt ist: Hans-Günter Naß hat jahrelang die Technische Abteilung der Kevelaerer Stadtwerke geleitet und kann auch im Ruhestand noch nicht ganz die Finger von seinem Beruf, den immer als Berufung verstanden hat, lassen. Einen besseren Mann für den „Mini-Job“ mit dem großen Anspruch habe man wohl kaum finden können, ist Stadtwerke-Chef Hans-Josef Thönnissen voll des Lobes.
Im linken Turm des Gradierwerkes wird dann die Technik untergebracht. Bis zur Fertigstellung – und bis dann wirklich einmal eine frische Meeresbrise über die Hüls weht, wird zwar noch einiges an Zeit vergehen. Doch die soll den interessierten Kevelaerern durchaus verkürzt werden, verspricht Sandra Kimm-Hamacher von der Wirtschaftsförderung der Stadt, die die Entwicklung auf der Hüls und das städtebauliche Handlungskonzept begleitet. Dazu soll es neben dem Richtfest im Februar ab dem Frühjahr auch „Baustellenführungen“ geben, bei denen man sich nach vorheriger Anmeldung vor Ort über Fortgang und Hintergründe des Projektes informieren kann (Infos dazu auf www.kevelaer-tourismus.de). Bis dato muss man, als Tourist wie auch als Kevelaerer – mit dem gelben Schild am Bauzaun leben: „Baustelle – betreten für Unbefugte verboten!“
Schwarzdorn, Tore und Web-Cam
Rund 20 Jahre halte der Schwarzdorn, schätzt Architekt Peter Grund. Dass der innere Bereich des Gradierwerks durch Tore nachts verschlossen werden kann, ist bekannt und soll umgesetzt werden. Neu hingegen war die Info, dass möglicherweise eine Webcam installiert werden soll. Diese soll aber keine „Überwachungskamera“ sein, sondern als Werbeträger im Internet genutzt werden. Momentan werden die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb einer solche Kamera sondiert.