Die Welt ist nur ein Staubkorn
Spätestens seit seinen Fernseherfolgen gilt Christian Ehring als eines der Gesichter der modernen Kabarettszene. Er steht für radikal, bissig, zuspitzend bis ins Mark und gesellschaftliche Zustände dadurch pointiert auf den Punkt bringend.
„Im Fernsehen ist immer alles verkürzt“, sagte der Mittvierziger aus Düsseldorf und gab nach dem Auftritt noch Autogramme und machte mit den Gästen auf Wunsch auch Selfies. „Hier ist man halt näher dran“, war er in den vergangenen 20 Jahren ja auch schon auf den Bühnen der Repubik unterwegs gewesen.
Das merkte man seinem Programm auch an – sehr alltagszugeschnitten, dabei gewohnt bissig, auf die Gegebenheiten des Gastgeberortes eingehend und eine klare Geschichte erzählend, nahm der Kabarettist die Gäste in den zwei Stunden für sich ein.
Dabei nutzte er die Gelegenheit, sein Programm an einer durchgehenden Geschichte zu orientieren. Sie handelte vom Zusammenleben mit seiner Frau auf dem Land und von einer „Einsiedlerwohnung“ für den mittlerweile 18-jährigen Sohn.
Dem bringt er „immer noch Lego-Steine mit“, weil er ihn ja so selten sieht – ein starker selbstironischer Zug. Und zum freiwilligen sozialen Jahr in Afrika muss er ihn förmlich zwingen. „Beeil dich, sonst sind die besten Slums bald weg“, habe er ihn aufgefordert. An den Aufenthalt erinnerten sich später ohnehin nur die im Slum lebenden Kinder, die ein „Wohlstandskind bei der Lebensorientierung“ unterstützt hätten.
Lakonischer Zynismus
Diesem lakonisch formulierten, fast schon bösartig wirkenden Zynismus stellte er im Verlaufe des Abends das positive Beispiel eines Flüchtlings gegenüber, den seine Frau zweieinhalb Jahre nach der großen Zuwanderung jetzt anstelle des Sohnes in dessen Räumlichkeiten aufnehmen will. „Ist das der richtige Zeitpunkt?“, fragt er sich, wo die Hochzeit der Flüchtlingskrise schon vorbei ist. „Flüchtlinge laufen doch nicht weg.“
Beim Zeitungsdurchblättern wettert er offen gegen Seehofer und dessen Politik zu Flüchtlingen und Maaßen. „Warum lässt die Merkel dem das durchgehen?“, fragt er und hofft darauf, dass die „einfach mal rumschreien“. Und wenn die Koalition zerbräche? „Dann kommen halt die Grünen oder Neuwahlen oder ein Millitärputsch, was weiß ich – Hauptsache Bewegung.“
Natürlich sei er Grünen-Wähler, blätterte er dann am Stehtisch nochmal nach und korrigiert sich: „Ich bin ja in Kevelaer, also ich wähle natürlich CDU.“ Und er nahm die Diesel-Debatte und die Regierungsentscheidung dazu auf: „Das einzige Fahrzeug, das ohne Benzin und Diesel 600 Kilometer fährt, ist das Bobbycar.“
Der zuvor erwähnte Flüchtling erweist sich derweil im Dialog mit seiner Frau während eines Kirchenempfangs als so schlagfertig, dass auch er davon überzeugt wird, ihn aufzunehmen – bis der Flüchtling selbst absagt, weil ihm „das zu früh und zu eng“ sein.
Daraufhin „flippt“ der „beleidigte“ Helferfreund Ehring förmlich aus, warum der „hilflose“ Flüchtling seine großzügige Hilfe bloß verweigert. Und sein eigener Sohn ihn im Rollenspiel-Gespräch mit den Worten „Chill mal deine Base“ runterbringen und ihm verklickern muss: „Das ist ein eigenständiger Mensch.“
Zum Ende des Programms wurde Ehring, der sich an diesem Abend auch als guter Klavierspieler und Sänger präsentierte, sogar richtiggehend philosophisch, beschrieb die Menschheit als ein „Staubkorn“ im weiten Rund des Universums, das auf einem „Staubkorn lebt, das grade mal am hintersten Winkel der Milchstraße“ liegt – in einer von über 11000 Galaxien.
Nachdenklicher Akzent
„Wenn dann ein Staubkorn auf diesem Staubkorn beschließt, aus Krieg, Hunger oder welchem Grund auch immer auf die andere Seite des Staubkorns zu gehen, dann dürfen wir ihm das nicht verwehren“, machte er unter großem Beifall des Publikums deutlich.
Ehring endete mit einem starken, nachdenklichen Akzent in einem besonderen Kinderlied. „Schlaf ein, mein Kind – die Nachtigall singt nicht von Terror und Krieg. Schlaf ein, nichts ist gut in der Welt, wird es nie sein. Aber du schläfst ein, als wär die Welt von Frieden getragen und der Mensch noch gut, das macht mir wieder Mut.“