Die Weitsicht in frühen Jahren zahlt sich jetzt aus
Mit sieben Gleichgesinnten gründete Werner Neumann 1975 die Bunte Vogelwelt Twisteden. Wie dramatisch sich die Welt der flatternden Fluggesellen einmal verändern sollte, ahnte da noch niemand. „Dass dieses Thema mal so hochaktuell sein würde, hätten wir damals niemals für möglich gehalten“, versichert der Mitbegründer des Vereins.
Doch auch schon in den 1970er Jahren nahm man es mit dem Schutz der artenreichen Vogelwelt sehr ernst. Mit sensiblem Fingerspitzengefühl hatten die Gründungsmitglieder einen gewissen Weitblick in Sachen Naturerhaltung. „Allerdings haben wir bis vor 15 Jahren auch nicht daran gedacht, dass Klimawandel, Umweltschutz und Artensterben uns mal dermaßen beschäftigen würde“, resümieren Vater und Sohn Neumann.
Andreas Neumann leitet als Vorsitzender seit 15 Jahren die Geschicke des Vereins. Was aber der Vogelverein damals schon einleitete, erweist sich heute als dankbare Weitsicht. Anfang der 1980er Jahre wandelte der Verein eine ehemalige Kiesgrube, die in den 1960er Jahren als Müllkippe genutzt wurde, in ein Vogelschutzgebiet um.
Das zehn Hektar große Gebiet stellt bis heute die Stadt Kevelaer zur Verfügung. „Eigentlich sollte dieses Gebiet für einen anderen Zweck genutzt werden“, weiß Werner Neumann zu berichten. Er kann sich nur zu gut daran erinnern, dass einige Maßnahmen ohne Genehmigung durchgeführt wurden. „Hätten wir darauf gewartet, wäre lange nix passiert“, gibt das Gründungsmitglied zu. Er handelte nach der Devise: „Machen ist besser als reden.“
Gemeinsam mit dem 1982 gegründeten Natur-und Heimatverein Twisteden-Kleinkevelaer zog man dort zusätzlich Betonwände hoch, damit sich die Uferschwalben einnisten konnte. 1987 erhielten sie für die Umwandlung des Gebietes den Umweltpreis des Landes NRW. Heute bietet das am Ortsrand gelegene Schutzgebiet zahlreichen Vogelarten, darunter Stieglitzen, Meisen, Dompfaffen, oder Fasanen sowie Insekten und Pflanzen, unberührten Lebensraum. Umliegende Baumschulen stifteten zu der Zeit 20.000 Bäume und Sträucher.
Erst vor kurzem errichtete die Bunte Vogelwelt dort ein Storchennest. Bewohnt wird es noch nicht. „Wir warten das aber mit aller Ruhe ab“, sagt Andreas Neumann, der gerade an diesem Areal der Natur Zeit und Raum geben möchte. Die jüngsten Aktivitäten des Vogelvereins aber stoßen auf reges Interesse ihrer zukünftigen Bewohner. Auch über die Grenzen Twistedens hinaus. „Wir haben im Verein, unter Mithilfe des Twistedener Jugendraumes, in diesem Jahr 200 Nistkästen angefertigt“, erklärt der Vorsitzende.
100 Nistkästen seien direkt an den Bauhof der Stadt Kevelaer gegangen, die diese zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners aufgehängt haben. „Die restlichen haben wir im Ort verteilt aufgehängt“, führt Neumann weiter aus. Erstaunt zeigen sich die 30 Mitglieder des Vogelvereins, dass ihre bezugsfertigen Baumhäuschen sehr gut von Vogelpärchen zur Gründung einer eigenen Familie genutzt werden. „Mittlerweile sind wohl Zweidrittel der Nistkästen besetzt“, berichten die engagierten Vogelschützer. Ein nicht zu verachtender Erfolg. Besonders wenn man auf diese Weise dem Eichenprozessspinner auf natürlichem Wege zu Leibe rücken kann.
Seit Jahrzehnten schon gehen vom Verein ehrenamtliche Schutz-Aktionen aus. Sei es in der Baumpflege oder bei Müllsammelaktion. Auch die Pflege eines etwa drei Morgen großen Naturbiotops gehört dazu. Gepachtet wurde dieses vom Natur-und Heimatverein Twisteden-Kleinkevelaer. „Wir vom Vogelverein haben uns bereit erklärt, dieses zu pflegen und zu bewässern“, erklärt der Vorsitzende.
1.500 Pflanzen, darunter Eberesche, Hagebutte, Sanddorn und Holunder, wurden hier erst jüngst angepflanzt. Alles Beerensträucher die später zur Nahrung der Vögel dienen. „Wir hoffen darauf, dadurch noch mehr Vögel anzulocken“, sagt der Vogelliebhaber. Er hofft ebenso darauf, sich bald wieder ganz normal mit seinen Vereinsmitgliedern im vor zehn Jahren errichteten Domizil am Minigolfpaltz zu treffen. Bis zur Coronakrise trafen sich die Vogelliebhaber im Vereinshaus zu Fachgesprächen, zum Planen von Vogelschutzaktionen oder dem Anfertigen von besagten Nistkästen und Futterhäuschen.
Denn gefüttert werden solle das ganze Jahr. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es sinnvoll ist, Vögel das ganze Jahr über zu füttern“, erklärt Andreas Neumann. Denn Nahrung werde auch für die Vögel immer knapper. Insektensterben, gedüngte und bis zu drei Mal im Jahr abgemähte Felder oder fehlende Wildblumen nehmen den Luftakrobaten jede Nahrungsgrundlage. Um eine gute Versorgung zu garantieren, spendet der Verein Bunte Vogelwelt jährlich bis zu 4.000 Meisenknödel, die er den Twistedener Bürgern zur Verfügung stellt.
Glaube an die Bunte Vogelwelt
Eine Geste die gerne angenommen wird. Wie in jedem Verein, plagt auch der Bunten Vogelwelt Twisteden, die Sorge um den Nachwuchs. Dennoch glaubt der erste Vorsitzende nicht daran, dass dieser Verein aussterben wird. „Vielleicht geht ja aktuell ein Ruck durch die Menschen“, betont Andreas Neumann, „ich glaube die Bunte Vogelwelt wird weiterhin Bestand haben und noch lange leben.“