Die Rückkehr des Gesangs in den Chören
Chordirektor Romano Giefer verantwortet als Chorleiter der Basilikamusik mit dem Familienchor (60 Leute), dem Basilikachor (35), dem Mädchenchor (bis zu 70) und dem Knabenchor (an die 100) das Zusammenspiel vieler Sänger in der Pilgerstadt. Auch seine Arbeit und die der Sänger ist von der Corona-Krise unmittelbar betroffen. „Es ist sehr eingeschränkt mit den Möglichkeiten der Schutzverordnung.“ Proben mit einer großen Gruppe, das ist für ihn und seine Sänger und Sängerinnen nicht drin. „Wir proben maximal in Sechsergruppen im Musiksaal mit Auflagen und Abstand, in einem ausreichend großen Raum, belüften ihn großzügig, haben sogar Schutzwände. Die Abstände betragen da drei Meter zur Seite. Und nach vorne ist es frei.“ Bei den Kindern und Jugendlichen versuche er, mit gezielter Einzelstimmbildung zu arbeiten. „So kann ich denen eine individuelle Anleitung geben.“ So sei das doch irgendwo eine produktive Zeit, obwohl es „keine choralischen Sachen sind.“
„Wir müssen halt das Beste draus machen“, meint Giefer in Anbetracht der akuellen Situation. Das Bistum habe auf Basis der NRW-Schutzverordnung Sechsergruppen erlaubt, die die Gottesdienste gestalten. „Das machen wir dann im Rotationsverfahren.“ Aber auch da rufe nicht jeder Chorist „Hier“. „Es gibt da auch ‚Risikogruppen‘ oder Kinder mit erweitertem Haushalt, die vorsichtig sind.“ Aber für diejenigen, die da mit vorbereiten, sei das eine „gute Sache, auch mal in kleinen Formationen zu arbeiten.“ Natürlich verändere sich auch irgendwo das Empfinden einer Gruppe. „Die Formationen können nicht so wie vorher zusammenkommen. Das verändert was im Selbstverständnis der Chöre“, sagt Giefer.
Damit der Kontakt nicht ganz schwindet, findet am Freitag, 19. Juni, auf Einladung von Wallfahrtsrektor Gregor Kauling so etwas wie eine interne Andacht für alle Basilikachöre statt, bei der man natürlich unter Wahrung der Verordnungen „aus dem Stehgreif ein Chorgefühl erzeugen kann.“ Mal wieder zusammenkommen, das sei der Sinn des Ganzen. „Es soll ein Impuls sein.“
Christian Franken probierte es digital
Als Chorleiter und Organist an der St.-Antonius-Gemeinde kann auch Christian Franken momentan nicht viel in Sachen Chorarbeit ausrichten. „Die Chorarbeit ruht – wir haben wohl mit den Jugendlichen der Antonius via Videokonferenz geprobt.“ Das funktioniere aber nicht besonders gut. „Ich sitze zu Hause am Flügel, singe und spiele und höre die, die drin sind, zeitversetzt. Das ist problematisch. Und Proben ist das nicht“, sagt Franken. „Ich kann da schlecht den Gesang kontrollieren.“ Die Situation zwinge die Beteiligten dazu, viel um die Ecke zu denken und andere Sachen zu probieren. „Wir sind mit drei Leuten in der Kirche für die Erstkommunionkinder gewesen. Wir haben eine Datei erstellt für die Erstkommunionkinder, damit sie damit akustisch proben können. Das findet sich auf der Homepage.“
Beim Kinderchor laufe zur Zeit „gar nichts. Die Betreuer treffen sich mal.“ In Twisteden im Projektchor, wo er auch aktiv ist, „haben wir für die Erstkommunion geprobt und mit sechs Leuten gesungen. (…) Wir halten uns an die Bestimmungen, die Gesundheit geht vor“, lautet die klare Maxime.
In der vergangenen Woche habe man noch zum Thema Proben mit dem Vorstand des Kirchenchores von St. Antonius getagt. „Da ist eine Ärztin mit drin im Vorstand. Die hat deutlich gemacht, wie gefährlich das ist und hat Fälle genannt. Wir sind da lieber absolut vorsichtig. Und wenn sich was ändern sollte, treffen wir uns natürlich wieder.“
Biggi Lehnen musste nicht ganz verzichten
Auch Biggi Lehnen gestaltet seit 1988 in Kevelaer mit diversen Chören Musik, Aufführungen und studiert Lieder ein – aktuell seit 2011 beim Chor „Klangfarben“ und bei dem Kirchenchor „Cäcilia“ Wetten. „Für die Chöre war es traurig, eine Osterzeit ohne Musik. Das war alles sehr beeinträchtigt“, erzählt die 53-Jährige. Und auch der Wegfall des Heimatabends in Wetten, für den man etwas Schönes vorbereitet hatte, war ein Einschnitt. Für viele Chormitglieder sei der Chor auch „so eine soziale Sache. Da war es schon schwer – zum Beispiel wenn die Älteren dann zu Hause alleine sitzen.“ Persönlich habe sie viel mit ihrem Mann, dem Organisten Elmar Lehnen, über die Musikübertragungen der Basilikamusik kompensieren können. „Darüber konnten wir gestalten und die Eltern im Schwarzwald konnten das im Netz sehen.“
Was den Kirchenchor „Cäcilia“ betrifft, da befänden sich auch einige darunter, die zur „Risikogruppe“ der Älteren zählten. „Die sind schön zu Hause geblieben. „Selbst die Chorausflüge wurden abgesagt. Jetzt durfte man aber schon wieder mit beiden Chören ins Wettener Pfarrheim – mit offenem Fenster und ausreichend Abstand. Mit dem „Klangfarben“-Familienchor habe man vor zwei Wochen mit Sechsergruppen wieder angefangen. „Da ist die Kunst, die sechs so einzuteilen, dass es vernünftige Stimmproben gibt. Die Leute waren da sehr glücklich und dankbar“, sagt Biggi Lehnen. Aus ihrer Sicht sei es jetzt ein guter Zeitpunkt, mit den Lockerungen anzufangen. „Dass es mit kleinen Schritten weitergeht“, das sei psychologisch schon irgendwo wichtig. Was aber die aktuellen Bestimmungen des Bistums Münster – orientiert an den Verordnungen des Landes NRW – genau bedeuten und wie man sie umsetzen kann, das müsse man halt sehen.
Derix und Lammerts probten im Freien
Christina Derix und Marloes Lammerts, die Begründerinnen des „Theaterchors Niederrhein“, sind über die aktuellen Schritte Richtung „Normalität“ schon froh. Man müsse schon aufmerksam schauen, „welche Auflagen derzeit gelten. Und so sind wir vor zwei Wochen gestartet mit Kleingruppen, ausreichendem Abstand in einem privaten Garten“, erzählt Derix. So richtig gut, das ist ihre Erfahrung, funktioniert das Ganze aber nicht. „Weil es halt eine ganz andere Geschichte hat, wenn man sonst mit 100 Leuten gesungen hat und dann fünf, sechs Meter keinen um sich rumstehen hat, quasi alleine singt und die anderen nicht wirklich gut hört, dafür sich selbst so laut.“ Das sei „ungewohnt für viele, schüchtert auch ein“, ergänzt Marloes Lammerts. Im ersten Anlauf habe man versucht, in kleinen Gruppen mit den diversen Stimmen zu singen. „Da war die Stimme nach 20 Minuten vielleicht dann mal da, aber die Probe schon wieder vorbei“, ergänzt Derix.
Jetzt hat man sich mit Chorleiter Tom Löwenthal darauf verständigt, es in den einzelnen Stimmen mit jeweils einer Stunde zu probieren – Tenor und Bass und jeweils einmal Sopran und dann Alt. „Das hat mit Chorarbeit aber nichts zu tun“, sind sich beide einig. „Du hast nicht den Eindruck eines Gesamtklangs, siehst immer nur wenige Leute“, meint Lammerts.
Seit Mitte März gebe es keinen gemeinschaftlichen Chorklang mehr. Kontakt untereinander, den halte man aber trotzdem. „Tom Löwenthal hat ein paar Stimmen eingespielt, ab und zu gab es eine aufmunternde Mail. Es gab Vorschläge, Sachen über Zoom zu machen. Aber das funktioniert nicht in einer großen Gruppe und einzeln macht es auch keinen Spaß.“ Die Männer hätten versucht, was gemeinsam zu erarbeiten – und ein Chormitglied überrasche jeden Dienstag mit einer Chor-Zuggeschichte über WhatsApp.
Jetzt werde man sehen, wie sich die nächste Zeit entwickelt. „Die Zeiten sind, wie sie sind. Wir probieren halt aus.“ Wichtig sei nur, für alle die Freude am Singen zu erhalten. Und vielleicht sei die Pause auch ganz gut, um sich zu vergegenwärtigen, dass es auch Wichtigeres gebe, als jedes Jahr ein großes Konzert zu präsentieren, meint Derix. Sie würde sich freuen, „diese ehrliche Freude wieder als Gemeinschaft zu spüren.“ Und dann wird auch das für Februar 2021 geplante Konzert wieder ein Gelungenes werden – wenn es dann auch stattfinden kann.