Die Quirinusgilde Twisteden blickt auf 375 Jahre Vereinsgeschichte zurück

Zum 375. Mal jährt sich in diesem Jahr die Gründung der St. Quirinusgilde Twisteden und so blicken  mit Achtung und Stolz die Mitglieder der Bruderschaft auf das soziale Engagement ihrer Gründungsväter zurück. In zwei Veranstaltungen in diesem Herbst will sich der wohl älteste Twistedener Verein seiner Geschichte erinnern und zusammen mit der Einwohnerschaft des Dorfes feiern, um die Erinnerung an den dörflichen Zusammenhalt in schweren Zeiten wachzuhalten.
Genau 300 Jahre nach der ersten urkundlichen Erwähnung von Twisteden herrschten am Niederrhein zum einen ungelöste jahrzehntelange Feindseligkeiten der regionalen Fürstenhäuser. Aber noch bedeutend schwerer hatte die weitgehend ländliche Bevölkerung unter dem im Jahr 1618 begonnen „Dreißigjährigen Krieg“ zu leiden, von dem immer neue Schlachten entlang des Rheins und auf den Ebenen des Niederrheins bezeugt sind. Wiederholte Plünderungen, Morden und Brandschatzen raubte der Bevölkerung über viele Jahre die Lebensgrundlage. Die Einwohnerschaft von Twisteden zu Beginn des 17. Jahrhunderts konzentrierte sich dabei auf wenige kleine Höfe und Katstellen, von weniger als 200 Menschen berichten Twistedener kirchlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Dramatisch bezeugt ist zudem die weitgehende Auslöschung der Kevelaerer Bevölkerung durch kroatische Söldner im Jahr 1635, also wenige Jahre vor Gründung der Quirinusgilde und auch wenige Jahre vor Gründung der Kevelaerer Wallfahrt. Das Twisteden umgebende Land ist damals nur zu einem geringen Teil urbar gemacht. Aufzeichnungen beschreiben das plastisch mit „rundum nur Sumpf und Wasser“, und das sowohl in östlicher Richtung nach Kevelaer hin, nach Westen hin zur Maas als auch in südlicher Richtung in den Bereich des heutigen Nierskanals.  Die drastischen Kriegsauswirkungen waren das eine schwere Los, mehrere große Pestepidemien waren das zweite schlimme Schicksal dieser Jahrzehnte.
Zum eigenen Schutz gründeten sich zu dieser Zeit in vielen Landstrichen Bürgerwehren und Schützenbruderschaften, die heutigen Schützenvereine. Die Twistedener St. Quirinusgilde wählte für sich von Beginn an einen anderen Weg, nämlich den Weg der Hilfe von in Not geratenen Mitmenschen und den Weg des Engagements im christlichen Glauben: Es war ein früher Zusammenschluss von Männern zur sozialen Hilfe im Dorf. Sie unterstützten Frauen, deren Männer ermordet oder durch frühe Krankheit den Tod gefunden hatten, genauso aber auch von Schicksal und Krankheit getroffene und verarmte Familien und dies überwiegend durch tätige Hilfe bei der Landbestellung, bei Stallarbeiten oder bei Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten an Haus und Hof. Die besondere Nähe zur Kirche und zur Twistedener Pfarrgemeinde fügte sich gut mit den sozialen Leitgedanken zusammen – und dies jetzt schon über mehrere Jahrhunderte. Als Dank für ihr Engagement wurden der Qurinusgilde im Laufe der Zeit mehrere Stiftungen zugewendet, und zwar mit der Maßgabe, die Einnahmen aus diesen Stiftungen regelmäßig sozialen Zwecken zuzuführen.
In dieser Tradition konnte sich die Quirinusgilde nahezu 300 Jahre fortentwickeln und zum Nutzen des Dorfes wirken. Im Jahr 1937 endete diese Vereinsgeschichte vorerst jäh mit der seinerzeitigen Weigerung der Gilde, sich den für alle Schützenvereine geltenden Militär-Statuten des dritten Reiches unterzuordnen. Diese Weigerung führte unmittelbar zum Verbot des Vereins, zum Einzug und zur Vernichtung aller Unterlagen und Schriftstücke sowie zur Beschlagnahmung des gesamten Vereinsvermögens – es gab nichts mehr! So blieb es über 13 Jahre, auch über das Ende der Nazizeit hinaus bis ins Jahr 1950.
In diesem Jahr ergriffen die vier ehemaligen Gildenmitglieder Matthias Jeuken, Albert Lenz, Peter Tebartz und Peter Wustmans, die seinerzeit auch Ämter im Twistedener Kirchenvorstand begleiteten, die Initiative zur Wiedergründung. Entsprechend den mündlich überlieferten alten Statuten galt es, eine neue Satzung entsprechend den alten Traditionen zu formulieren und Männer im Dorf für die Mitwirkung im Verein zu gewinnen. In diese Zeit der Wiedergründung fiel auch der Bau der Quirinuskapelle am Hoensbergweg – als sichtbares Zeichen der Fortführung der überlieferten Ideale.
Damals wie heute spielt für den Verein soziales Wirken eine zentrale Rolle, heute primär durch die Gewährung unterschiedlicher regelmäßigen Spenden, sei es als Zuwendung z.B. zum Ferienlager der DJK oder in der Unterstützung der Twistedener Gemeinde-Caritas oder in anderer Form. Das religiöse und kirchliche Leben im Dorf unterstützt die Quirinusgilde durch die Übernahme unterschiedlicher Ämter bei sonntäglichen oder werktäglichen Messfeiern, bei Begräbnissen und bei besonderen Festtagen mit Prozessionen. Bei all diesem Engagement dürfen im Verein die Geselligkeit und das kulturelle Angebot nicht zu kurz kommen. Winter- und ein Sommerfest, oft unter Mitwirkung des Twistedener Musikvereins, sind die jährlichen geselligen Höhepunkte. Eine jährliche mehrtägige Flugreise im Frühjahr bringen verwandte oder fremde Kulturen näher und die traditionelle Tagesfahrt im Sommer lassen den Blick in die nahe oder weitere Umgebung richten.
Der derzeit aus mehr als 40 teils langjährigen Mitgliedern bestehende Verein wird laut Satzung von einem fünfköpfigen Vorstand geleitet. Neben dem Vorsitzenden Franz Wustmans sind dies sein Stellvertreter Johannes Tebartz van Elst, Schriftführer Bardo Jensch, Kassenwart Karl Ambrosius und als Beisitzer Josef Gerritzma.
Mit zwei Veranstaltungen will die Quirinusgilde ihrem Vereinsjubiläum den Rahmen geben: Zunächst wird am 21. Oktober in die Vergangenheit des Gründungsjahres zurückgeblickt: „VIVAT PAX – Das Historienspiel zum Westfälischen Frieden von 1648“ so heißt an diesem Tag in Münster die Veranstaltung, die den Vereinsmitgliedern unter freiem Himmel einen lebendigen Eindruck über die Zeit der Gründung der Gilde geben wird.
Im November möchte der Verein sein 375-jähriges Jubiläum zusammen mit der Twistedener Bevölkerung und den Vereinen des Dorfes feiern. Dazu wird es am 17. November in der Twistedener Pfarrkirche ein Jubiläumskonzert mit der Gruppe „Motus“ geben, verbunden mit einem anschließenden Umtrunk im Pfarrheim.
27.09.2017 – Bardo Jensch