Die Pflege steht nicht still

Während zahlreiche Geschäfte geschlossen sind und das öffentliche Leben heruntergefahren wurde, können die Pflegekräfte derzeit wohl kaum über mangelnde Arbeit klagen. Die Abläufe in Pflegeeinrichtungen haben sich verändert, wurden der Situation angepasst. Vor welche Herausforderungen Pflegekräfte in Zeiten des Coronavirus gestellt werden und wie die Arbeit mit Menschen der Risikogruppe sich verändert hat, darüber berichten dem KB die Leiter Kevelaerer Pflegeeinrichtungen.

„Es sind sehr viele Dinge im täglichen Arbeitsablauf, die angepasst wurden, um mögliche Übertragungswege zu minimieren. Neben dem Tragen von Mundschutz durch die Mitarbeiter haben wir natürlich auch die Desinfektionshäufigkeit insbesondere von kritischen Punkten – zum Beispiel Türklinken, Klingeln, Aufzugknöpfe – erhöht“, berichtet Silvia Albat, Leiterin des St. Elisabeth-Stifts in Kevelaer. Des Weiteren seien die Mitarbeiter nicht mehr an einem Tag in mehreren Wohnbereichen tätig, sondern festen Etagen zugeordnet. Damit solle die Wahrscheinlichkeit minimiert werden, dass das Virus im Falle eines Ausbruchs in der Einrichtung auf weitere Bereiche übergreift.

Das Besuchsverbot des Landes stoße bei den meisten Bewohnern und Angehörigen auf Verständnis. „Ausnahmen sind nur unter strengen Schutzauflagen in besonderen Einzelfällen, zum Beispiel wenn ein Bewohner im Sterben liegt, nach Rücksprache möglich“, erklärt Albat. „Dennoch ist die Situation natürlich für alle Beteiligten sehr belastend. Aus diesem Grund haben wir das Angebot des Sozialen Dienstes angepasst und machen vermehrt Einzelbesuche. Wohnbereichsübergreifende Angebote mit Bewohnern aus dem gesamten Haus fallen derzeit leider aus. Die Aktivitäten finden stattdessen in kleinem Kreis nur im eigenen Wohnbereich mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen statt“, fügt die Einrichtungsleiterin hinzu.

Auch Ursula Steegmann, Leiterin des Josef-Hauses in Wetten, berichtet von einem großen Verständnis der Bewohner. „Gemeinsame Aktivitäten im allerkleinsten Rahmen mit vorgegebenen Abständen und Einzelbetreuungen füllen den Alltag sehr gut aus. Wir ermöglichen zur Freude unserer Bewohner Videochats mit ihren Angehörigen über WhatsApp auf dem hauseigenen Tablet. Kurze Spaziergänge an der Luft, gegebenenfalls in Begleitung einer Betreuungskraft, werden ebenfalls angeboten“, sagt Steegmann.

Angehörige übernehmen Pflege und Betreuung

Birgit Stienen, Leiterin des Caritas-Pflegeteams in Kevelaer, sieht in der Arbeit ihres Teams keine großen Veränderungen seit der Ausbreitung des Coronavirus: „Der Ablauf der Arbeit ist nicht anders wie zu Zeiten von Norovirus-Infektionen oder MRSA-Infektionen, aber der Gesprächsbedarf über die aktuelle Situation bei den Klienten ist deutlich höher.“ Einige Patienten sagten jedoch aktuell ambulante Einsätze ab, um den Kontakt gering zu halten. „Bei einigen sind auch die sonst außer Haus berufstätigen Angehörigen da, um Pflege und Betreuung zu übernehmen“, sagt Stienen.

In vielen Supermärkten, Discountern und Drogeriemärkten ist bereits seit einiger Zeit kein Desinfektionsmittel mehr verfügbar und auch der Kauf eines Mundschutzes von Privatpersonen gestaltet sich oft als schwierig. Doch wie ist die Situation bei den Pflegekräften, die häufig auf genau diese Mittel angewiesen sind, um ihren eigenen und den Schutz der Patienten zu gewährleisten? „Glücklicherweise hatten wir ein großes Depot. Unser einziger Engpass waren Schutzmasken und da unser Umfeld, sensibilisiert durch die Medien, auf uns zukam und Masken, waschbar bis 60 Grad, für uns genäht hat, sind wir da auch gut aufgestellt. Auch da waren wir sehr gerührt von der Anteilnahme und niemand wollte dafür entlohnt werden“, berichtet Silvia Schöneis vom Pflege- und Betreuungsdienst „Lebensgarten“.

Ähnlich zeigt sich die Situation im Clemens-Haus in Kevelaer. Engpässe bestehen dort aktuell nicht. „Aber trotzdem wissen wir auch um die Situation, dass Mundschutz auf dem Markt schwierig zu bekommen ist, daher gehen wir mit diesen besonders sorgsam um. Bei Desinfektionsmitteln ist der Bedarf nicht wesentlich höher als vor der Corona-Krise, auch vor Corona wurde besonders auf Hygiene geachtet“, erklärt Einrichtungsleiter Dirk Winthuis. Auch in den übrigen Einrichtungen erwarten die Leitungen derzeit noch keine gravierenden Engpässe.

Mitarbeiter sind hier verwurzelt

Außerdem wurde deutlich, dass die Verantwortlichen derzeit keinen Personalmangel erwarten. Dass viele Pflegekräfte aus dem Ausland aktuell in ihre Heimatländer zurückkehren, diese Entwicklung ist in den Kevelaerer Einrichtungen nicht zu spüren. „Wir haben zwar einige Mitarbeiter mit ausländischem Hintergrund, allerdings ist von diesen niemand kurzerhand in die Heimat zurück. Alle sind hier stark verwurzelt“, berichtet Silvia Schöneis vom „Lebensgarten“. Im St. Elisabeth-Stift verzeichnet Silvia Albat sogar eine größere Personalverfügbarkeit als erwartet: „Es ist tatsächlich eher so, dass Mitarbeiter aufgrund der Reisebeschränkungen ihren geplanten Heimaturlaub nicht antreten und damit für den Einsatz in der Einrichtung bereitstehen. Viele Mitarbeiter haben auch von sich aus angeboten, den Urlaub oder freie Tage bei Bedarf zu verschieben. (…) Das höhere Risiko liegt eher darin, dass Mitarbeiter aufgrund von Corona-Infektionen oder Quarantäne ausfallen. Bislang haben wir einen solchen Fall aber glücklicherweise noch nicht.“

Auch Birgit Stienen erwartet im Kevelaerer Caritas-Pflegeteam keinen Personalmangel. Ihre Sorge liegt woanders: „Problematisch ist es aus unserer Sicht mit den Betreuungskräften, die aus dem Ausland kommen und nicht mehr wie gewohnt die 24-Stunden-Betreuung im ambulanten Bereich sicherstellen. Das stellt uns bzw. die Familien vor große Herausforderungen. Da müssen kurzfristig andere Lösungen gefunden werden wie zum Beispiel Kurzzeitpflegen, die bisher ebenfalls nur über knappe Ressourcen verfügen.“

Die Auszubildenden engagieren sich

Silvia Schöneis erfährt in ihrem Team des mobilen Pflegedienstes derzeit einen starken Zusammenhalt. „Alle rücken zusammen, niemand hat sich aufgrund von Corona krankschreiben lassen. Alleinerziehende Mütter geben ihre Kinder per Sondergenehmigung in die Kita. Wirklich alle sind bemüht, das Beste für ‚ihre Patienten‘ zu geben und diese zu schützen und übernehmen noch mehr als sonst Verantwortung. Zusätzlich positiv ist auch das Verhalten unserer vier Auszubildenden – dieses ist durchweg hoch engagiert. Ab dem 16. März konnten diese nicht mehr in die Altenpflegeschule Geldern gehen und wurden für die Betriebe freigestellt. Sie sind so motiviert und teamfähig, dass es tief berührt.“

Auch Silvia Albat blickt trotz aller Herausforderungen positiv in die Zukunft und möchte mit ihrem Team die Wohnatmosphäre im St. Elisabeth-Stift erhalten: „Wir sind dabei, nun kreative Lösungen zu schaffen, um diese Zeit gemeinsam gut zu überbrücken und Bewohnern und auch Mitarbeitern die Zeit so angenehm wie möglich zu machen. Wir freuen uns besonders darüber, dass aus der Bevölkerung – sogar von ‚Fremden‘ – Post und einfach Nettigkeiten, wie gemalte Bilder von Kindern oder ein ‚Tagebuch von draußen‘ für unsere Bewohner geschickt werden. Wir fassen diese Dinge nun zusammen und gestalten für unsere Bewohner eine zusätzliche Hauszeitung, in der sie die Post durchschmökern und sich daran erfreuen können. (…) Die uns entgegengebrachte Solidarität, Wertschätzung und Unterstützung freut uns wirklich sehr und macht uns zuversichtlich, dass wir die Situation gemeinsam gut meistern werden.“