Die Mundart lebt in und auf Keylaer

Rappelvoll – anders kann man das Innere des Hubertus-Saales auf Keylaer nicht beschreiben. 120 Mundart-Interessierte bedeuteten ein ausverkauftes Haus, sehr zur Freude von Hans-Gerd Op de Hipt, der als Vorstandsmitglied der „Heimatfreunde Keylaer“ und  Moderator souverän durch einen überaus kurzweiligen, teils vergnügten, teils nachdenklich-besinnlichen Abend führte.

Zwei Stunden „holländischer Dialekt“

Herzlich begrüßte er den anwesenden Ehrenbürger der Stadt Kevelaer, Pastor Richard Schulte Staade und zitierte, auf das Thema des Abends überleitend, den Bischof von Utrecht, der gesagt haben soll „Deutsch ist ein Dialekt der holländischen Sprache“, und um diesen Dialekt ging es in den folgenden gut zwei Stunden.

Fünf Akteure des Mundart-Abends. Foto: WiScho

Religiöses Gedankengut spielte von Anfang an eine Rolle, wo Heinrich Baumanns gleich mit einer Litanei loslegte. Hierbei bat er das Publikum, stets den Kehrvers „Bewoare ons“ zu wiederholen. Vor was sollte der Herr uns alles bewahren? Es ging um „Koppinn on Buckpinn“, „kalde Füüt on affstehende Ohre“, um „Huste und Pruste“ und nicht zuletzt um „Fraulüj, die knippe on bitte“. Letztere wollten sich wohl ein bisschen rächen: Er meinte zum Schluss, er komme noch einmal wieder. „Bewoare ons!“, war die logische, aber wohl nicht ganz ernst gemeinte Retourkutsche.

Mehrere Lieder (unter anderem Texte von H. Tenhagen, J. Croonenbroeck), alle mit Bezug zu Kevelaer und von großer Heimatliebe zeugend, wechselten sich mit den weiteren Vorträgen ab. Musikalisch begleitet und unterstützt wurde das sangesfreudige Publikum von Hans Grüntjens, der das Akkordeonspielen wahrlich nicht verlernt hatte.

Maria Verhülsdonk erntete viel Beifall für ihre Erzählung, was die Familie früher alles mit „Ons alde Komm“ angestellt hatte: Sie (die Komm!) musste alles tragen und ertragen, vom Backteig bis zum Aerpeleschlaat, von Vaters Fußwäsche bis zum gewaschenen Kinderpopo, der sie auch noch als Nachttopf leicht zweckentfremdete. Es folgte eine optisch-rhythmische Augenweide, als eine Tanzgruppe von acht Landfrauen in hübschen, farbigen Kleidern zu südamerikanischen Rhythmen auftraten. Die kleine Zugabe danach ergab sich automatisch ohne Zurufe des Publikums, das umso kräftiger applaudierte.

Knochenfunde im Schwarzbruch

Knochenfunde im Schwarzbruch! Wilfried Renard rezitierte ausdrucksstark, sozusagen „met Händ on Füüt“, eine schaurig-schöne Ballade von Jupp Tenhaef, in der es zunächst „nur“ um ein Fußballspiel zwischen Hasen und Füchsen, im späteren Verlauf aber mehr um Mord und Totschlag ging (daher die gefundenen Knochen).

Die Tanzgruppe begeisterte die Zuschauer. Foto: WiScho

Nach so viel Hektik kam Maria Verhülsdonk mit dem besinnlichen Text „Was ist Heimat?“ besonders gut an. Sie zählte auf, was an Dingen und Begebenheiten alles dazu gehört, und man konnte aus jedem Satz und Beispiel die tiefe Heimatverbundenheit heraushören.

Heftzwecken und Hexenschüsse

Diese Vorträge ließ man sodann in einer 20-minütigen Pause „sacken“, bis es Heinrich Baumanns gelang, das schwere Leben eines Beamten darzustellen, der sich endlich mal von seiner Arbeit erholen wollte. Dabei machten ihm Heftzwecken, Hexenschüsse und „ennen Bruch“ das Leben aber auch wirklich schwer, einschließlich der uneinsichtigen Ehefrau, die Kohlen holen als guten Zeitvertreib für ihn ansah. Schließlich wollte er wohl doch lieber wieder zur Arbeit gehen…

Die erwähnte Tanzgruppe hatte sich inzwischen grüne und orange Overalls angezogen und legte, völlig untypisch zur Kleidung, eine Polka nach kölscher Musik und kölschem Text hin. Die Zugabe entfiel – die Damen waren „pim-aff“ und wurden mit herzlichem Applaus für die gelungene Darstellung verabschiedet.

Elli Kisters und Cläre Peters unterhielten mit einem pointenreichen Dialog auf der Parkbank. Foto: WiScho

Zu einem echten Highlight nahmen Elli Kisters und Cläre Peters auf einer Parkbank Platz und dann ging ein Feuerwerk von Pointen los, sodass das Publikum aus dem Lachen nicht mehr herauskam. „Grit on Trüj“ kamen „van’t Höckske op et Stöckske“, eine sprach von dreifacher Diät (denn von einer wird man ja nicht satt!).

Es war die Rede von Weihnachten im Kuhstall, idyllisch und schön, egal, ob die „kuhen dor pesse of schitte“, auch die Liebe war ein Thema nach dem Motto „m-m-s“ =montags-mittwochs-samstags in abgeschwächter Form blieb es bei m-m-s = März–Mai–September. Und mit demselben Seufzer schloss man das Thema ab: m-m-s = möchte manchmal schon! Das Publikum hatte einen Heidenspaß an den beiden Damen und ihrem mehr als perfekten, frei vorgetragenen Dialog.

Danach wurde es wieder besinnlicher und Wilfried Renard zitierte mit gewohnter Betonung zwei Gedichte von Theodor Bergmann mit Schwerpunkt auf „Ons Modertaal“. Es waren der Highlights noch nicht genug: Maria Verhülsdonk betete ausdrucksvoll zur Abend­ruh zum lieben Gott. Ihre Zeit könne vielleicht bald vorbei sein, „äwel, wenn’t gett, vannach noch ni“.

Wor hör ek t‘hüß

Zum alles krönenden Abschluss schmetterte der ganze Saal die vier Strophen unseres Heimatliedes „Wor hör ek t’hüß“ und der Chronist meint, er habe dabei hier und da ein Tränchen gesehen. Hans-Gerd Op de Hipt verabschiedete die Gäste und schloss dabei einen herzlichen Dank an Gilde, Landfrauen, Mitarbeiter und die Presse mit ein.