Die Kolpingsfamilie lud zur Debatte mit dem Bürgermeister

Vor zwei Jahren versprach Dominik Pichler bei der Wahlkampfdebatte der Kolpingsfamilie Kevelaer, sich im Falle eines Wahlsieges nach einer angemessenen Zeit den Fragen von Kolping erneut zu stellen. Jetzt löste der Bürgermeister dieses Versprechen im Petrus-Canisius-Haus ein. Wie damals wurde die Diskussion von Josef Pauls moderiert, ergänzt durch den stellvertretenden Vorsitzenden der Kevelaerer Kolpingsfamilie, Lothar Teeuwsen, – basierend auf den von der Kolpingsfamilie gesammelten Fragen.
Viel Privates
Im ersten Teil der Diskussion, der sehr breiten Raum einnahm, ging es um den „persönlichen“ Dominik Pichler. „Ich war einigermaßen fassungslos und schwankte zwischen Glück und Entsetzen“, äußerte er sich nochmal über seine Gefühle nach der überraschenden Wahl vor zwei Jahren. „Und es war Wehmut, weil ich gerne Strafverteidiger war. Aber ich hatte Bock, an dieser Stelle etwas zu verändern“, führte der SPD-Politiker aus.
Er ging von sich aus auf die Bedenken ein, wie die Leute auf ihn als „langhaarigen „Bombenleger“ zugehen würden und berichtete von der ersten Konfrontation mit der Achterhoeker Karnevalsgesellschaft als Nicht-Jecke. Er machte auch deutlich, dass seine Frau „ein ordentliches Säckchen“ zu tragen habe: „Sie muss sich manchmal fühlen wie eine Alleinerziehende von fünf Kindern“, zeigte er sich für ihren Einsatz sehr dankbar. Darüber habe man sich aber im Vorfeld der Amtsübernahme ausführlich unterhalten, „sonst würde sie mich mit dem Koffer vor die Tür setzen. Das wäre ein zu hoher ,Blutzoll‘ für so ein Amt“.
Mehrzweckbecken und Schulen
Pichler bezeichnete die Entscheidung für ein neues Mehrzweckbecken als positiv und bedauerte die Ablehnung des Rats, niedrigere Kitagebühren einzuführen. Weh getan habe ihm, dass an „seiner“ früheren Hubertus-Grundschule der Hausmeisterposten auf eine halbe Stelle reduziert wurde und anschließend „die, die ich da kannte, im Rat für ihren ,Hausi‘ demonstriert haben.“ Aber auch da müsse man zu unbequemen Entscheidungen stehen.
Ebenso ging er auf die Kritik an der Verlagerung von Schülern von Winnekendonk nach Kervenheim im Rahmen der Standortkooperation ein. „Das war nicht so elegant“, fand Moderator Pauls an der Stelle und erntete Applaus. „Der Zeitpunkt war saublöd“, bestätigte Pichler und räumte ein, dass die Ankündigung des Wechsels der Winnekendonker Schüler nach Kervenheim in den Ferien „den einen oder anderen überfallen“ hatte. Es hätte aber noch „ungeschmeidiger werden können“, wenn man den Standort Kervenheim hätte ganz schließen müssen, weil eine Klasse gefehlt habe. Jetzt werde die Kooperation gelebt.
Der Bürgermeister bekannte sich zu seinem Führungsstil in der Verwaltung, mit „Respekt und Loyalität“ arbeiten zu wollen. „Ich merke, dass wir zunehmend eine Mannschaft werden.“ Beim Leerstand täten die zuständigen Kollegen Bruns und Wagener alles und „arbeiteten dagegen an“. Und in Sachen Ladenöffnungszeiten sprach er mit Blick auf Heiligabend von einer „aufgeheizten Debatte“.
Pichler erklärte, dass er in gewissen Dingen wie der OW 1 oder den Ladenöffnungszeiten „ein Stück weit ohnmächtig“ oder nur mit geringerem Einfluss ausgestattet sei.
Der SPD-Politiker sprach sich für eine lebendige Demokratie aus. „Es ist gut, wenn sich gestritten wird“, bekannte Pichler. „Dabei ist es gut, dass sich im Rat alle an die Spielregeln halten und sachlich streiten.“
Innenstadtentwicklung
In Sachen Innenstadt konfrontierte ihn Pauls mit Zitaten von Bürgern und Fragen wie „Ist Kevelaer dem Tod geweiht?“ Dem Eindruck trat Pichler entgegen: „Wir sinken nicht, wir sinken nicht.“ Man könne über Stadtplanung streiten, aber müsse sich wie beim Masterplan historische Innenstadt auch schon mal auf Fachleute verlassen.
Oft seien es wie bei der Fußgängerzone in der Hauptstraße Geschmacksfragen. „Man kann auch alles schieben bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag – man muss aber auch mal entscheiden.“ Man werde sehen, wie die Hauptstraße wirke, wenn sie fertig sei. „Es wird nicht so blöd sein, wie viele denken.“
Pauls Kritik, warum es keinen Wettbewerb gegeben habe und nur diverse Entwürfe eines Büros, entgegnete Pichler trocken: „Es ist schwierig, eine ganze Stadt zu überplanen und einen Wettbewerb zu machen. Ich höre aber gerne auf Leute, die mehr Ahnung haben.“ In Sachen Gestaltung des Mechelner Platzes habe er eine dezidiert andere Auffassung vertreten, müssen den Ratsbeschluss dazu aber als Demokrat vertreten und umsetzen.
Verkehrssituation
Ein großes Thema bei der Diskussionsrunde der Kolpingsfamilie mit Bürgermeister Dr. Dominik Pichler war die Verkehrssituation in Kevelaer. Bei der OW 1 müsse man die neuen Akteure bei der Bezirksregierung und der Landesregierung erst näher kennenlernen. Es werde im Hintergrund – auch über die „zuständigen“ Landtagsabgeordneten – verhandelt. Es gebe Signale, „dass sich da was tut.“ An eine Realisierung glaube er aber erst, „wenn es soweit ist“.
Die Anregung von Pauls, eine „autofreie Innenstadt“ zu gestalten, höre sich gut an – man müsse aber den Lieferverkehr und die Anwohner berücksichtigen. „Das kann ich mir schwer vorstellen.“ Ihm läge da eher der Gedanke an eine komplett verkehrsberuhigte City nahe. „Für eine Innenstadt ohne Verkehr fehlen uns die infrastrukturellen Maßnahmen.“ In Sachen Ausbau des Radwegenetzes zeigten sich Moderator und Bürgermeister auf einer Linie.
„Und das Thema Parken kriegen wir sowieso.“ Es werde jetzt im nächsten Stadtentwicklungsausschuss ein Grünen-Vorschlag debattiert, unter dem Peter-Plümpe-Platz eine Tiefgarage zu errichten. Wenn der Antwerpener Platz künftig kein Bezahlparkplatz mehr sei und der Verkehr zusätzlich unter die Erde komme, „ist da eine neue Verweilqualität“, zeigte Pichler sich dem Vorschlag gegenüber aufgeschlossen.
Beim Thema Ärztemangel gestand Pichler mit Blick auf das Heranholen junger Ärzte: „Das habe ich mir leichter vorgestellt. Da hinke ich den eigenen Vorstellungen hinterher“, gab er zu.
Die Frage nach dem Verlust der „Identität“ des Krippenmarktes durch seine Neugestaltung beantwortete er so: „Das ist wie alles, wenn man Dinge verändert: Ich weiß es nicht, wir werden es erleben müssen.“ Dennoch – oder vielleicht deswegen – sprach er sich für einen „modernisierten Krippenmarkt“ aus.
Positive Resonanz
Mit seinen Standpunkten konnte Pichler die meisten Anwesenden überzeugen. „Was er sagt, ist fundiert. Er hat sich gut angestellt“, meinte Michael Brünette beim Verlassen des Petrus-Canisius-Hauses.
„Gewinnen konnte heute nur einer – der Bürgermeister“, fand Karl-Heinz Meinert. Er war nicht der Einzige, der die Rolle der Moderatoren und dabei insbesondere Pauls kritisierte. Auch eine ältere Dame formulierte ihren Eindruck: „War ein bisschen lang und ein bisschen zu persönlich.“