Die Hoffnung auf eine Zukunft

Mit zwei Schutzhandschuhen ausgestattet, schiebt Bäckermeister Rainer Kürvers die Tortenböden in den Ofen. „Die Form backen wir vor, die Erdbeeren kommen später frisch dabei“, erläutert der 57-jährige, erfahrene Bäckermeister den Arbeitsvorgang. Seit gut 30 Jahren – mit sechs Jahren Unterbrechung – geht der gebürtige Kervenheimer nun seinem Beruf nach. „Man sieht jeden Tag, was man gebacken und gefertigt hat, und dass Menschen dadurch auch glücklicher aussehen“, meint Kürvers.

Dafür steht er gerne immer wieder ab zwei Uhr in der Backstube an der Pastoratsstraße, um Kervenheim und das Umland mit frischen Brötchen, Brot und anderen Köstlichkeiten zu versorgen. „Wir haben auch Kunden außerhalb, die wir beliefern, und wir haben den Laden als Standbein“, beschreibt er die Situation. „Aber man ist letztendlich auch ein Wirtschaftsunternehmen und muss eine positive Bilanz haben“, kommt er ohne Umschweife auf den Kern der Sache zu sprechen. „Betriebswirtschaftlich mache ich mir Sorgen.“ Denn das stark veränderte Einkaufsverhalten seit Corona macht ihm zu schaffen. „Die Leute gehen seltener einkaufen, machen oft nur noch einen Großeinkauf pro Woche.“ Den machten sie dann lieber im Supermarkt.

Wenige Anziehungspunkte

Es gebe Stammkunden über 65 Jahre, die teilweise das Risiko, viel nach draußen zu gehen, scheuten. „Und die Maskenpflicht schreckt vielleicht auch einige ab.“ Dazu habe der Ort immer weniger Anlaufstellen, die die Menschen anzögen – ob nun der Arzt, der fehle, die Apotheke, die nicht mehr besteht, der Dorfladen, der nicht existenzfähig war, die Pizzeria, die geschlossen hat. „Dazu kommt noch, dass durch den Lockdown der Kindergarten zu war und auch da weniger Bewegung war. Das merken wir alles.“ „Vor allem an den Wochentagen Montag bis Freitag kommen die Leute nicht zu mir. Das ist deutlich spürbar.“

Dazu komme noch, dass es unheimlich schwer sei, qualifiziertes Verkaufspersonal zu finden. Das liege zum einen an den Möglichkeiten des Verdienstes, den er aufgrund der Verkaufsfrequenz aktuell anbieten kann. Zum anderen sind es die Arbeitszeiten, zu denen anscheinend nur noch wenige Menschen zu gewinnen sind. „Und ich hatte schon Abiturienten und Studenten hier, die die Komplexität der Arbeit nicht verstanden haben – den Gärschrank im Blick zu behalten, die Brötchen im Ofen, die Bestellungen, die Kasse ordentlich verbuchen und führen – da ist oft Multitasking gefragt. Und daran scheitern einige.“ Den Job könne man also nicht mal so nebenbei erledigen.

„Ich hab vor Jahren mal die Arbeitsagentur eingeschaltet“, schildert er seine Erfahrungen. Als er dann erwähnte, dass man „teilweise ab fünf Uhr und am Wochenende“ arbeiten müsse, habe der zuständige Mitarbeiter davon gesprochen, dass das „unzumutbar“ wäre. „Ich sagte: Danke für das Gespräch.“

Personalprobleme

Auch in Kervenheim habe er herumgefragt, aber da passten die Zeiten nie so richtig. „Es wäre ideal für eine Mutter, aber wenn die Kinder hat, die zur Schule müssen, ist das fast ein No-Go.“ Für die Zeit zwischen 8 oder 9 Uhr bis zum Mittag gehe es, „aber das deckt zu wenig ab. Die Morgenfrequenz ist entscheidend.“ Aus all diesen Gründen hat sich Kürvers dazu entschlossen, in den Sommerferien montags, dienstags und freitags seinen Laden dicht zu machen. Dann werde man sehen, wie sich das Geschäft entwickelt.

„Mittwochs und donnerstags gibt es noch Synergieeffekte“, macht er klar, dass die Situation für den Betrieb durchaus ernst ist – bei der geringen Frequenz an Abverkauf, der natürlich auch mit frischen Produkten stattfinden soll. „Ich habe nichts dagegen, wenn die Kervenheimer und andere kommen“, lautet seine klare Ansage an alle, die wegen der Corona-Krise sich in Zurückhaltung üben oder woanders hingehen.

Wie lange noch?

Zur Zeit könne er die Situation noch durch die Tatsache, dass er selbst arbeite, und durch andere Betriebszweige auffangen. „Es ist schwer absehbar, wie lange das noch geht“, lässt er diplomatisch durchblicken, dass das ohne einen verstärkten Verkauf nicht mehr ewig lange sein wird. Natürlich mache er erst einmal weiter. „Ich würde gerne bis 2026 weitermachen, weil der erste verbriefte Nachweis auf den Bäckerladen vom damaligen Vorfahr aus dem Jahr 1826 stammt.“ Das passe dann zum Lebensalter von 63 Jahren. Nebenbei könne er die Schwarzbrotproduktion noch weiterführen. „Vorher aufzuhören, das ist zu früh für mich.“

Aufgeben, das komme vor dem Hintergrund dieser Zielmarke eigentlich nicht in Frage. „Ich muss das für mich entscheiden, nicht für den Ort“, obwohl er auch „Kervenheimer mit Herz und Seele“ sei, sagt Kürvers. Er weiß natürlich darum, dass die Defizite der Versorgung vor Ort mit ihm geringer sind als ohne ihn, und dass das auch ein Signal in die Ortsgesellschaft hinein ist. „Da ist aber jeder mit seinem Kaufverhalten gefragt“, sagt er. Einen Vorwurf, den wolle er niemandem machen. „Aber das muss man nüchtern bewerten.“ Die Hoffnung auf eine Fortsetzung seines Betriebes, die hat er (noch) nicht aufgegeben.