Die Debatte um einen Begriff
Schon vor der Sommerpause hatte die Kevelaerer Politik heftig um die Frage gerungen, ob in Kevelaer sowas wie ein „Klimanotstand“ ausgerufen werden soll. Beim Umwelt- und Gebäudemanagementausschuss kam dieser Vorstoß der Grünen erneut auf den Tisch – und auch die Frage, ob man dem kreisweiten „Klima-Bündnis“ beitreten solle.
Der Vorstoß sorgte im Gremium für heiße Grundsatzdiskussionen und ungewohnt heftige Wortgefechte. Daneben verblassten dann solche Themen wie der KBV-Antrag zum Unterstellplatz am Rathaus oder die einstimmig beschlossene Ortsüblichkeit der Bienenhaltung in Kevelaer.
Ina D´Aleo stellte für die Verwaltung zuvor das interne Audit des Qualitätsmanagementsystems „European Energy Award“ vor, bei dem verschiedene Aspekte wie die kommunalen Liegenschaften, Ver- und Entsorgung, Mobilität und Interne Organisation betrachtet werden. Da komme man auf eine sogenannte Erfolgsquote von über 60 Prozent, machte sie klar.
Was das energiepolitische Arbeitsprogramm anbetrifft, verwies sie auf zahlreiche Maßnahmen wie die Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts, die Umbenennung in Energie- und Klimabeirat, die lokale Netzwerkarbeit mit Schulen, die zahlreichen Workshops für Vereine und die Sanierung städtischer Gebäude. Man überlege, am Betriebshof mit Pellets zu heizen, die Turnhallen seitens der Vereine effizienter zu nutzen und noch mehr Photovoltaik auf städtische Gebäude zu bringen.
Die ReparierBar ist ein beliebtes Projekt
Klimaschutzmanagerin der Stadt Kevelaer, Nina Jordan, ging auf die 38 Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts und deren Umsetzung ein. Da sei der Aufbau lokaler Netzwerke gut gelungen, das Thema Klimaschutz in den Schulen vorangetrieben worden. Im Winter soll es dazu eine Filmreihe geben. Eines der beliebtesten Projekte sei die „ReparierBar“ mit 40 Mitgliedern. Auch der „Tag der Energie“, Beratungen zum nachhaltigen Neubau, das Stadtradeln oder eine Kampagne für Photovoltaik nannte sie als wichtige Bestandteile. „Wir sind auf einem guten Weg.“
Die FDP wollte aufgrund einzelner Fragen die Verabschiedung des energiepolitischen Arbeitsprogramms verschieben, setzte sich damit aber nicht durch. Am Ende stimmten alle Fraktionen zu, die FDP enthielt sich.
Beim Thema „Klimanotstand“ ging es dann heftig zur Sache. Warum überhaupt ein Zweifel an einem „Klimanotstand“ bestehe, sorgte die Wortmeldung des Achterhoeker Landwirtes Johannes Krebber gleich für das erste Ausrufezeichen in der Debatte. Auf seinem Waldstück habe insbesondere in diesem Jahr ein großes Baumsterben von Buchen, Eichen und Kiefern eingesetzt. „Für mich persönlich ist es ein absoluter Notstand, was in meinem Wald passiert.“
Der Hauptgrund sei der Wassermangel, das Grundwasser sei zurückgegangen. Das liege auch daran, dass aus nicht angemeldeten Brunnen massiv Wasser zum Beregnen der Felder entnommen worden sei. Krebber sprach dabei von „Hunderttausenden Kubikmetern Wasser“, die selbst bei 40 Grad verwendet würden. Das sei ein „verantwortungsloser Umgang mit Grundwasser“, warf der Landwirt der Stadt „Untätigkeit“ vor. „Da muss politisch was passieren.“
Dominik Pichler machte deutlich, dass dies in die Zuständigkeit des Kreises Kleve und der unteren Wasserbehörde falle. „Wir dürfen da nicht in fremde Kompetenzen eingreifen. Sie können die Nachbarn da anzeigen.“ Wenn die untere Wasserbehörde ihm signalisiert habe, dass sie für Kontrollen zu wenig Personal habe, müsse der Kreis die Behörde anders ausstatten. Es gehe dabei aber nicht darum, dass die Bürger die Arbeit der Exekutive machen sollen, entgegnete er auf eine entsprechende Vorhaltung des Umweltaktivisten Hans Blauert.
Im Zuge der eigentlichen Debatte sprach Pichler dann von „viel Wortklauberei und Worten vor der Sommerpause.“ Es gebe in dem Gremium niemanden, der den menschengemachten Klimawandel leugne. „Wir messen uns an den Dingen, die wir tun und nicht daran, wie wir das Kind nennen.“
Zugleich machte er klar: „In Kleve wird dem Rat vorgeworfen, dass seit der Resolution zum Klimanotstand nix passiert ist. Das wäre dann schlimmer, den Klimanotstand zu erklären und dann nichts tun.“ Er äußerte die Hoffnung, „dass wir zu einer vernünftigen pragmatischen Lösung kommen, ohne zwei Stunden zu palavern.“ Zwei Stunden wurden es nicht, die Hoffnung auf geringes Palaver erfüllte sich jedoch nicht.
Der Bürgermeister habe im Rat versucht, bei der Frage eine Brücke nach dem Motto „Schreibt was anderes drüber“ zu bauen, wenn es inhaltlich stimmt, sagte der Grüne Ulrich Hünerbein-Ahlers. Man sei schon an einem Kompromisspunkt gewesen. Die anderen Parteien hätten den Ball aber nicht aufgenommen, die CDU die Verschiebung in den Ausschuss gewollt, kritisierte Hünerbein-Ahlers. „Deshalb wollen wir den Antrag so weiter aufrechterhalten.“
Harsche Kritik übte der Politiker an der Meinungsäußerung der CDU-Ortsverbandsvorsitzenden Jutta Bückendorf, die in einem KB-Leserbrief von einer „schlampigen Antragsformulierung“, dem „Missbrauch des Klimaschutzes für den Wahlkampf“ durch die Grünen und „Aktionismus“ geschrieben hatte. „Das war eine Nummer zu krass“, wurde er deutlich.
Sie sei keine Pressesprecherin der CDU, könne aber ihre Meinung sagen, entgegnete darauf das CDU-Fraktionsmitglied Hubert van Meegen. Kevelaer brauche nicht den Klimanotstand auszurufen. „Wir wollen keine Symbolpolitik, sondern mit Augenmaß ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Klimaschutz, der sozialen Sicherung der Bürger und der Fortentwicklung unseres Wirtschaftsstandortes.“
Kevelaer sei der Zeit schon weit voraus, nehme an dem „European Energy Award“ teil, habe seit 2016 ein Klimaschutzkonzept von 153 Seiten. „Auch wenn Deutschland nur für 2,4 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes auf der Welt und Kevelaer folglich nur mit 0,0000084 Prozent beteiligt ist, ist die CDU bereit, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.“
Eine Vorbildfunktion als industrialisiertes Land
Diese Wortwahl provozierte Kritik. „Das habe ich zu oft gehört. Egal, ob du zu 1,8 oder 2,4 Prozent für den Klimawandel verantwortlich bist, das ist es doch nicht. Der Deutsche verbraucht 10,2 Tonnen CO2 pro Jahr, der Inder 1,12 Tonnen. Von uns geht als industrialisiertes Land eine Vorbildfunktion aus“, stellte Dominik Pichler klar. „Wir sitzen nur in der Provinz im kleinen Kevelaer und müssen versuchen, das vor Ort zu regeln, was hier geht.“
Eine hitzige Diskussion im Ratssaal
Und nochmal schaltete sich Hünerbein-Ahlers ein. „Ich dachte, von der CDU kommt der große Wurf, aber das wird ja immer schlimmer“, sprach er von einem „grottigen Niveau“ der Diskussion. „Wir reden über Druckerschwärze und Kurort. Und es sind immer die anderen, die die Kreuzfahrtschiffe besteigen und SUV fahren.“
Es gehe um alles oder nichts. „In Afrika sitzen Leute auf den Koffern, die interessiert nicht unser sozialer Status.“ Sein Parteikollege Wolfgang Röhr assistierte: „Wenn ich das Gefühl hätte, dass alle von dieser Brisanz überzeugt wären, könnte ich mich auf eine andere Formulierung einlassen“.
Heinz Ermers (SPD) hegte Zweifel, ob „Erklärungen oder Resolutionen, die irgendwo in einer Schatulle landen“, dem Klima konkret helfen. Alle seien sich hinsichtlich des Klimaproblems doch einig. „Also was wollen die Grünen?“, sprach er sich für eine Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes aus.
Von einer „komischen Atmosphäre“ sprach Paul Schaffers (CDU) in der Debatte: „Wir wehren uns gegen den Begriff Klimanotstand“, das habe seinen Grund. „Wir sollten uns hüten, die Sprache immer weiter zu missbrauchen“ und so über die Dinge in einer Form zu reden, „die nicht mehr einzufangen“ sind. Es gehe darum, den CO2-Ausstoß in den Griff zu kriegen und dabei den sozialen Wohlstand zu erhalten. „Sonst haben wir noch ganz andere Probleme“, sprach er sogar von möglichen „Unruhen“.
Nur die Grünen votierten für ihren Antrag
Am Ende votierten nur die Grünen für ihren Antrag. Die Mehrheit sprach sich für die Erklärung der Verwaltung aus: „Der Rat der Wallfahrtsstadt Kevelaer erkennt an, dass eine konkrete Gefährdung für Mensch und Umwelt durch den Klimawandel und seine Folgen besteht und dass weitere Maßnahmen zum Klimaschutz dringend ergriffen werden müssen.“
Deshalb sollen die Belange des Klimaschutzes „in gleichem Maße beachtet werden wie die des Umwelt- und Naturschutzes, der sozialen Sicherung der Bürgerinnen und Bürger sowie das Funktionieren des Wirtschaftsstandortes.“
Auch beim Thema „Klima-Bündnis“ kamen die Grünen mit ihrem Vorstoß nicht durch – auch weil dieses Bündnis den „Klima-Notstand“ mit beschließen will und sozusagen die Einführung des Begriffs „durch die Hintertür“ befürchtet wurde. Man müsse Menschen motivieren und überzeugen und weniger Angst machen, enthielten sich Heinz Ermers und die SPD dann allerdings. FDP, KBV und CDU lehnten den Antrag ab.