Die Auferstehung des Autokinos

Am Ende steht eine Zahl. 266. So viele Autos haben sie gezählt, die ungezählten Helferinnen und Helfer des ersten Ökumenischen Autogottesdienstes im Achterhoek. Einem Gottesdienst, für den sie noch vor etwas mehr als einer Woche für verrückt erklärt worden wären. Aber – wieder einmal – haben sie es allen gezeigt, was Gemeinschaft bedeutet, und das gleich in merfachem Sinne.

Katholische und evangelische Christen feierten gemeinsam einen Gottesdienst. Es sollen sogar Menschen anwesend gewesen sein, die sich keiner der beiden Religionsgemeinschaften angehörig fühlen.

Verschiedenste Vereine, wie die St. Maria-Bruderschaft, die Achterhoeker Karnevalisten der AKG und Mitglieder des ideengebenden Vereins Natur und Kultur im Achterhoek arbeiteten Hand in Hand, von der professionellen Vorbereitung bis zur nicht weniger perfekten Durchführung vor Ort.

Und schließlich ließ der Ostermontag im Achterhoek auch mal wieder alle Schlagbäume im Kopf außer Acht, von den Kirchenvertretern angefangen: Der evangelische Pastor Frank Bublitz aus Sonsbeck dankte herrlich unkonventionell für „Mikrofone, die Kameras, die über uns fliegende Videokamera, die PCs und das Internet.“ Denn neben der Bühne und der Bühnentechnik von Radio Niederrhein und „Scheunentechniker Till“ hatte sich die „TV-Fabrik“ aus Sonsbeck eingeschaltet und sorgte mit Manpower, Sachverstand, technischem Equipment und viel Engagement dafür, dass der LTE-Mast im Achterhoek glühte. Im Internet konnten Daheimgebliebene das Geschehen vor Ort live mitverfolgen.

Feierlich und heiter

Der evangelische Pastor Frank Bublitz (vorne) und der katholische Pastor Manfred Babel (im Hintergrund) feierten mit über 500 Menschen im Achterhoek den Gottesdienst. Foto: nick

Auf der Wiese ging derweil alles seinen durch die Pandemie geregelten Gang: Die Besucher blieben in ihren Autos an den angewiesenen Plätzen und feierten jeder auf seine Art den Gottesdienst, der, Corona zum trotz, neben den feierlichen auch viele heitere Momente bot. Pastor Manfred Babel aus Winnekendonk sprach auch das Lachen an, als Ausdruck gemeinsamer Freude. Frank Bublitz dankte ihm und schloss einen „Witz“ an: „Stell Dir vor, es ist Ostern und der dämliche Pfarrer schafft es nicht, die Osterkerze anzuzünden.“ Gemeinsam gelang den beiden Kirchenvertretern schließlich die symbolische Tat – ein weiteres Zeichen dafür, wie Gemeinschaft stärkt. Und Manfred Babel ging in seiner Predigt noch einen Schritt weiter: Er regte an, die Corona-Krise müsse bei uns allen zu einem Umdenken führen: „Wie sieht die Welt nach dem Virus aus? Vielleicht etwas bescheidener, freundlicher, ökumenischer?“

Ja, auch diese nachdenklichen Töne gab es natürlich, und sie reihten sich ein in das frohe Feiern dieses außergewöhnlichen Gottesdienstes – den es so wohl ohne dieses über allem schwebende Virus niemals gegeben hätte. Und mit dem ein kleiner Kevelaerer Ortsteil wieder einmal unter Beweis stellen konnte, dass schwierige Zeiten dazu da sind, sich mit vereinten Kräften gegen Unbillen zu stemmen und gemeinsam Dinge zu verwirklichen, die man zu nächst mal für utopisch halten mag.

Für einen, der als Ideengeber dieses Gemeinschftssinnes im Sinne der Veranstaltung am Ostermontag gelten darf – Mattes David aus dem NuK-Vorstand – steht am Nachmittag übrigens eine andere Zahl: Nicht die 266 gezählten Autos, die damit wohl weit über 500 Besucher des Gottesdienstes – die auch, und viele, die geholfen haben, die spontan ihre eigenen Ideen und ihre Muskelkraft beisteuerten – sondern eine 1. „Ich hab‘ meine erste Bibel geschenkt bekommen“, sagt er. „Muss ich wohl mal lesen“, ergänzt er augenzwinkernd. Schaden kann‘s nicht.

Und alle machen mit..

Ein wenig wurden sie ja schon „überrannt“, die NuK-Vorstände, die ihre Spontan-Idee, das gute alte Autokino auf der großen Wiese hinter er Geschäftsstelle wiederaufleben zu lassen, gewohnt fröhlich in die Welt posaunten. Überrannt von einer Welle der Hilfsbereitschaft, von Menschen, die der augenzwinkernd vorgetragenen Idee eine Menge abgewinnen konnten.

Umso größer die Überwältigung, dass hier spontan eigene Ideen und Angebote entwickelt wurden, dass die Achterhoeker Vereine sich den Ökumenischen Gottesdienst auf die eigenen Fahnen schrieben, dass die Kirchenvertreter alles daran setzten, hier mitzumachen, dass Radio Niederrhein den großen Bühnentruck anschleppte und das Equipment aufbaute, dass Malteser und ein Arzt für medizinische Unterstützung sorgten, dass plötzlich ein Toilettewagen bereitstand, dass Atemschutzmasken für die Helfer genäht wurden.

„Drei Tage am Telefon“ hat Mattes David verbracht, um die Idee umzusetzen und das alles irgendwie in den Griff zu bekommen – „und dank vieler helfender Hände stand die Sache danach“, freut sich der Mann vom NuK-Vorstand, dass man sich im Achterhoek auf die Nachbarschaft verlassen kann.

Foto: Screenshot

Über den großen Teich geflogen

Der Adler ist gelandet: Unsere Kollegen vom „Brooklyn Daily Eagle“ nahmen ein Luftbild des Achterhoeker Gottesdiestes in ihrer Rubrik „Nachbarschaft“ in der Serie „Our world in photos“ auf. Schöne Grüße zurück an die amerikanischen Nachbarn!

Fotografische Eindrücke vom Ökumenischen Autogottesdienst im Achterhoek gibt’s hier und einen Video-Kurzbericht hier