Die „Albaner“ sind ganz schön clever

„Das fängt ja gut an“, Holger Weikamp ist gleich am Anfang gezwungen einen Passanten nach dem Weg zu fragen. Der Lehrer des Kardinal-von-Galen Gymnasiums (KvGG) ist mit vier Flüchtlingen unterwegs durch Kevelaer. Das Team nimmt an der Stadtrallye teil, einer gemeinsamen Aktion des AWO-Ortsjugendwerks und einer neunten Klasse des Gymnasiums.
15 Jugendliche aus Syrien, Iran und sogar der Mongolei sind mit von der Partie. Verteilt auf vier Gruppen haben sich die 13- bis 17-Jährigen von der Bürgerbegegnungsstätte aus auf den Weg gemacht. Ausgestattet mit einem Stadtplan geht‘s in Begleitung eines Lehrers oder einem Mitglied der Ortsjugend quer durch die Kevelaerer Innenstadt. Ziel sind sechs Stationen, an denen jeweils drei Schüler des Gymnasiums auf die Flüchtlinge warten. Doch diese müssen sich erst einmal zurechtfinden.
Holger Weikamp ist mit den „Albanern“ unterwegs. Festim (13), Arber (15) und Daniel (17) sind seit knapp einem Jahr in Deutschland. Dafür beherrschen sie die Sprache bereits ganz gut. Komplettiert wird das Quartett durch Merhawi. Der 17-Jährige aus Eritrea hat auch gleich die Führung übernommen. Anfangs bereitet ihm der Stadtplan jedoch etwas Mühe. „Die Jungs sollen sich erst einmal selber zurechtfinden. Wenn wir zuweit vom Weg abkommen, greife ich ein“, sagt Holger Weikamp und muss im selben Moment schmunzeln, weil sich die Gruppe ein wenig verlaufen hat. Der Religionslehrer ist halt kein Kevelaerer. Er kommt aus Strae­len.
Endlich ist die erste Station in Sicht. Hier warten schon Laura, Maike und Anastasia. Die drei Mädchen haben sich eine schöne Aufgabe für die Flüchtlinge ausgedacht. Eine Minute lang dürfen die vier sich 20 Gegenstände anschauen. Danach werden diese abgedeckt und jetzt gilt es in einer Minute möglichst viele aufzuzählen. Bis auf ein Blatt Papier bekommen die „Albaner“ alles zusammen. „Eine gute Idee das Sprachverständnis zu fördern“, lobt Weikamp die Aktion seiner Schülerinnen.
Aber auch an den anderen Stationen haben sich die Neuntklässler einiges einfallen lassen. So müssen die vier Jugendlichen beispielsweise abwechselnd mit Legosteinen Begriffe bauen, die von den anderen erkannt werden müssen. Geschicklichkeit ist an einer anderen Station gefragt. Festim muss mit dem Mund drei Äpfel aus einer mit Wasser gefüllten Wanne holen. Der Junge versucht erst gar nicht zu zubeißen, sondern packt die Äpfel gleich am Stiel. Für Lehrer Weikamp eine Bestätigung, dass viele Flüchtlinge ganz schön clever sind. Deshalb versucht der Pädagoge auch, den Jungs zwischen den Stationen die Kultur etwas näher zu bringen. Der 52-Jährige erklärt ihnen an Hand eines Kirchenfensters den Unterschied von Romanik und Barock.
Geschicklichkeit ist noch einmal gefragt, als Arber einen Kugelschreiber, der mit einer Schnur um seinen Bauch gebunden wurde, in einer Wasserflasche versenken muss. In nur zehn Sekunden (rekordverdächtig) hat‘s der junge Albaner geschafft. Ganz in ihrem Element ist die Truppe, als sie an der nächsten Station Wasserflaschen mit einem Ball zu Fall bringen soll. „Leider nicht mit dem Fuß“, ärgert sich Merhawi, für den Rollen des Balles nicht so sein Ding ist. Immerhin kippen trotzdem fünf der zehn Flaschen um. Das Kartenlesen klappt mit der Zeit auch immer besser. Und so gibt das Quartett an der letzten Station noch einmal alles. Hier müssen sie innerhalb von drei Minuten zehn Gegenstände finden, die Alissa, Annika und Zofia in näherer Umgebung versteckt haben. Bis auf einen Schuh bekommen sie auch alles zusammen.
Danach geht‘s für Flüchltinge und Schüler zum gemeinsamen Grillen in den Garten der Bürgerbegegnungsstätte. Auch Lehrer Weikamp ist noch kurz dabei. Doch für ihn steht schon die nächste Völkerverständigung auf dem Plan. Mit drei Geschichtskursen aus der Q1 sind er und einige seiner Kollegen des KvGG für mehrere Tage in Auschwitz.
Mehr über die Flüchtlingsarbeit des AWO-Ortsjugendwerks lesen Sie im Kevelaerer Blatt vom 16. Juni. (cs)