Der Zuversichtliche

Dass er von seiner Heimatstadt Aachen aus den Weg ausgerechnet an den Niederrhein und nach Kevelaer finden würde, sei irgendwie schon vorgezeichnet gewesen, meint Martin Brandts. „In Aachen wird Maria auch sehr verehrt. Es war vorhersehbar, dass ich dann in einer weiteren Marienstadt heimisch werde. Ich wandle sozusagen ein Stück auf Marias Wegen“, sagt der 50-Jährige.

Dass das so ist, „das ist mir erst im Laufe der Jahre so richtig aufgegangen. Das tut vor allem in Zeiten gut, wo es auch mal schwierig ist“, sagt Brandts. „Der Kapellenplatz ist für mich so ein Kraftpool wie der Aachener Dom“, äußert er mit Überzeugung. Er identifiziere sich vollkommen mit Kervenheim und Kevelaer, auch wenn es zu Beginn auch mal geheißen habe: „Du bist ja nicht von hier.“ Aber das habe sich geändert. „Wenn man mit den Alten in Kervenheim ins Gespräch kommt, stellt man fest: Viele sind nicht ursprünglich von hier, aber in Kervenheim auch heimisch geworden.“

Schon der Vater sei praktizierender Familienrichter gewesen. „Daher kommt meine Leidenschaft für das Familienrecht.“ Über seine Mutter, die verstarb, als er fünfzehn Jahre alt war, möchte Martin Brandts nicht so viele Worte verlieren. „Sie war schwer erkrankt.“

Passionierter Sportler

Er war passionierter Fußballer und Tennisspieler. Bei den Alten Herren Kervenheim kickt er heute noch mit: „Der Mittwochabend ist da gesetzt.“ Neben Beruf und Fußball gibt es noch die Pferde, die bei der Schwiegermutter stehen, die zum Ausgleich beitragen. „Und wenn ich mit meiner Motorsense unterwegs bin, fallen mir die besten Ideen ein.“

Über den „großen“ Heinz Koppers sei er an die Fußballtruppe gekommen. „Er hat uns bis zuletzt angefeuert und motiviert. Er war eh so ein bisschen ein Mentor für mich“, gesteht Brandts. „Dementsprechend ist es für mich eine Ehre, in der Truppe die Rolle des Obmanns tragen zu dürfen. In der Tradition von Heinz habe ich das gerne übernommen.“

Nachdem er in Aachen das Abitur geschafft hatte, ging er dann kurz zum Bund. Nach einem Lehramtssemester in Aachen sattelte er 1991 in Bonn auf Jura um. „Da habe ich gelernt, wie man auch mal Ellenbogen einsetzen muss und zugleich auch das Milieu kennengelernt, mit dem ich heute im Strafrecht zu tun habe. Eine gute Lebensschule.“ Nach dem zehnten Semester war das 1. Staatsexamen geschafft.

Die Referendarzeit verbrachte er Mitte der 90er-Jahre in Aachen, gemeinsam mit seiner zukünftigen Frau Elke, die er während seines ersten Staatsexamens über einen Studienfreund kennenlernte, der genauso dem Pferdesport zugetan war wie seine Frau.

Erst wurde in Aachen standesamtlich geheiratet – ein halbes Jahr später dann kirchlich am Kloster Mörmter in Xanten. Aus der Verbindung ging die heute 16-jährige Tochter Alessandra hervor. „Ohne die Kervendonkerin Elke“, sagt Brands heute, „wäre es nie möglich gewesen, hier so anzukommen. Den Anker braucht man schon, sonst fragen sich alle: wie kommt der nach Kervenheim und auf die Idee, hier zu leben?“

Das Paar lebt seit 2002 in Kervenheim. Am 1. April 2003 eröffnete der damals 33-Jährige seine Kanzlei in der Ortschaft. Nachdem Brandts in Kervenheim als Mensch und Anwalt angekommen war, „hatte ich den Wunsch, das Größere mit in den Blick zu nehmen.“ Und das ging für ihn nur „über die Kommunalpolitik.“ Auch da schlug der Einfluss des Vaters, der alter CDU-ler ist, voll durch. „Da bin ich insofern konservativ und treu.“ Ich muss nicht mit allem in der großen Politik einverstanden sein, sich ständig neu auszurichten sei „nicht mein Ding.“ Konstanz findet er da „total wichtig und gibt mir auch Halt“, wählt Brandts einen blumigen Vergleich dazu: „Im Leben und in der Ehe ist auch nicht alles Erdbeermarmelade.“ So gesehen war die CDU „der logische Schritt“, die Schnittmenge inhaltlich da für ihn am größten.

Dinge verändern

Und so wurde er nicht nur Ratsmitglied, sondern ab 2014 auch Ortsvorsteher. „Ich wollte einfach Dinge verändern“, sagt Brandts. Wobei ihm in dieser neuen Rolle egal ist, wer welches Parteibuch hat. „Als Ortsvorsteher bin ich Ortsvorsteher für alle – da ist mir das völlig schnuppe. Im Rat darf da ruhig auch mal ein wenig anders sein, aber das sind zwei paar Schuhe.“

Auch er hatte das Scheitern des Dorfladens 20120/23 miterlebt, den er bis heute „eine Chance“ nennt. „Der Kunde vor Ort hat das entschieden“ – und bei vielen damals Engagierten sicher auch „tiefe Wunden“ hinterlassen, sagt Brandts. „Am Ende waren es Zahlen, die es nicht hergaben. So ehrlich muss man sein.“

Seitdem habe sich in Kervenheim aber schon einiges verändert. „Insgesamt gehen wir offener miteinander um. Es ist mehr Raum für eigene Ideen. Die Beteiligten haben begriffen, dass dieses Gegeneinander eine Sackgasse ist. Für mich war es wichtig, die Gemeinsamkeiten zu entdecken.“

Dafür fanden sich auch Mitstreiter wie einst Horst Neisius beim Heimat- und Verschönerungsverein als „das beste Beispiel, alte Krusten aufzubrechen.“ Heute sei man „an einem anderen Punkt.“ Natürlich gelte Kervenheim oft als das „vergessene Dorf“ oder als „Schlafstadt“.    Das „müssen wir ernst nehmen und versuchen, da gegenzusteuern.“
Kervenheim sei aber mehr als ein Ort ohne Apotheke, ohne Arzt, ohne Bank und bald vielleicht auch ohne Bäcker und Kneipe. „Die strukturellen Probleme existieren nicht erst seit heute“, sagt der CDU-Politiker. „Aber ich wehre mich dagegen, uns immer nur damit zu definieren, was wir nicht haben, sondern was wir an Kreativität und Reichtum haben.“ Es seien viele Projekte in Gang gekommen wie die Sanierung der Turnhalle, der Weg entlang des Sportplatzes oder die Tatsache, dass Kervenheim als allererstes Dorf Glasfaser bekam.

Die Stadt habe Geld in den Kindergarten gesteckt. „Der Kindergarten und die Schule sind die Seele unseres Dorfes.“ Klar gefalle vielen die Grundschul-Kooperation mit Winnekendonk nicht. „Aber sie war damals notwendig, den Standort Kervenheim dauerhaft zu sichern.“ Und das ist eine der Rahmenbedingungen, die für ihn wichtig sind, „dass Kervenheim für junge Familien attraktiv bleibt.“

In Sachen Einkaufen gebe es das Instrument der Mitfahrbank, das voraussichtlich bald auch nach außen sichtbar werde. „Die Radfahrverbindung in die Nachbarorte muss besser werden“, sieht Brandts da noch eine große Baustelle. Und die „schwierige Kreuzung Schloss-Wissener-Straße /Winnekendonker Straße“ müsse unbedingt entschärft werden. „Da bleibe ich auf jeden Fall dran, bis das dicke Brett durchgebohrt ist.“

Dass er aktiv den Austausch mit allen Vereinen vor Ort suche, sei für ihn sehr wichtig. „Mich interessiert total, was sie machen. Die Veranstaltung ist für mich in der Regel nicht vorbei, wenn sie vorbei ist.“ Das bedeute aber schon, „dass man mich dann schon mit vielen teilen muss. Das mag speziell für meine Familie nicht immer schön sein.“ Die hätte nichts dagegen gehabt, wenn er nicht noch einmal Ortsvorsteher geworden wäre, trägt es aber trotzdem gerne mit.

Was Blühendes

Für 2021 erhofft er sich für Kervenheim, dass weiter „viele kleine Dinge in Umsetzung gehen“ wie ein neues Großspielgerät in Form einer Burg, das voraussichtlich im April 2021 kommen soll. Und schließlich ist da noch das 750-Jahre-Jubiläum der Burg und der 112. Geburtstag der Feuerwehr, was nachgefeiert werden muss. „Es tut sich was“, bleibt Brandts zuversichtlich, dass aus dem vielbesungenen „Heimatstädtchen“ Kervenheim noch etwas Blühendes entsteht.