Der Solegehalt ist das „Salz in der Suppe“

Leise rieselt das Salz. Genauer gesagt: das salzhaltige Wasser, die Sole. Die Bänke auf der Sonnenseite sind gut gefüllt, so gut es eben geht in der Corona-Krise mit ihren Vorschriften. Wer den Aufschrei und die lautstarken Anfangsproteste noch in den Ohren hat, könnte jetzt die Stille genießen. Und den Duft nach Meer. Das Gradierwerk auf der Hüls ist zwar noch nicht offiziell eröffnet, aber schon zu einem echten Anziehungspunkt für die Kevelaerer geworden. Und selbst Fahrradausflügler von weiter her wurden schon gesichtet und interessierten sich für das neue Wahrzeichen der Wallfahrtsstadt.

Auf Übernachtungsgäste wird man im benachbarten Rilano-Hotel wohl noch eine Weile warten müssen, und auch eine feierliche Eröffnung scheint hier und heute noch so weit entfernt wie die salzhaltige Luft an der See. Doch die Kevelaerer haben das Gradierwerk längst für sich entdeckt: Ein paar Kinder nutzen einen aufgeschütteten Erdhügel als Mountainbike-Parcours. Erwachsene haben sich eine Kanne Kaffee mitgebracht und ein Buch oder legen sich lang auf eine Bank in die Sonne. Corona hat auch Vorteile, und wenn es nur der freie Platz auf einer der Bänke ist.

…und im Inneren.

Die lauten kritischen Stimmen seien quasi verstummt, seit die Sole den Schwarzdorn herunterriesele, sagt Georg van Lipzig von den Stadtwerken, der sich beinahe täglich um die Anlage kümmert. Gemeinsam mit Hans Günter Naß, der eigentlich schon im Ruhestand ist, das Projekt Gradierwerk aber für die Stadtwerke noch weiter begleitet, schaut van Lipzig nach dem Fortschritt der Arbeiten rund um den Solegarten und das Empfangsgebäude. Aber in erster Linie ist für die beiden Männer von der Wasserversorgung natürlich der Solegehalt in der Saline das „Salz in der Suppe“.

Zwischen dem rund 500 Meter tiefen Brunnen, dessen dicke Betonrohre an der Oberfläche neben dem Empfangsgebäude noch mit einem Holzturm verkleidet werden sollen, und den kleinen Holzhähnen, die an der Galerie angebracht sind und mit denen der Zulauf auf den Dorn geregelt wird, ist jede Menge Technik verbaut. Pumpen, Leitungen, alles muss dem Salzwasser standhalten. Rund zweimal am Tag werde die Sole umgewälzt, sagen Naß und van Lipzig.

Das Dach sorgt für ein langes Leben

An heißen Tagen können bis zu 20 Kubikmeter verdunsten, sodass durch Zufuhr von Sole oder Frischwasser das richtige Mischverhältnis mit einem Anteil von 14 bis 15 Prozent Salzgehalt wiederhergestellt werden muss. „Im Winter sind‘s mehr, damit das Wasser nicht gefriert“, sagt Naß. Er verweist auch auf das Dach des Kevelaerer Gradierwerks, das nicht nur zur einmaligen Optik in Anlehnung an eine Jakobsmuschel beiträgt. Es schützt die Anlage auch vor Witterungseinflüssen, etwa vor Regen, der schnell dazu führen könne, dass der Schwarzdorn zu faulen beginne. „Durch diese Maßnahme rechnen wir damit, dass die Anlage bis zu 25 Jahre hält“, bevor etwas erneuert werden müsse, sagt Naß. Auf solche Laufzeiten kämen andere Anlagen ohne Dach nicht.

Immer wieder blinzeln neugierige Augenpaare durch die verschlossenen Eingangstore auf der Rückseite der Anlage. Im Inneren werden noch letzte Arbeiten ausgeführt, sind derzeit noch Sitzmöglichkeiten gelagert. Das innere Rund in den Stützpfeilern ist schon mit Holz verkleidet. Hier sei es an heißen Tagen rund zehn Grad kühler als auf der Sonnenseite und die Salzkonzentration in der Luft ist deutlich höher. Bislang ist der Innenbereich für die Besucher aber noch nicht geöffnet. Und auch draußen, im Solegarten St. Jakob, ist noch einiges zu tun. Der verregnete Februar habe zu Verzögerungen geführt. „Da wäre uns hier alles weggeschwommen“, sagen Naß und van Lipzig. „Aber wenn es jetzt ein paar Tage regnet, wird das alles schnell grün.“

Grün ist die Hoffnung, sagt der Volksmund. Dann hoffen wir mal, dass das Kevelaerer Gradierwerk bald offiziell eröffnet werden kann. Die „inoffizielle“ Variante haben die Kevelaerer längst für sich entdeckt.