Der Patient Baum
Wenn er die aktuelle Situation der Bäume beschreiben müsste, fallen Hanno Verhülsdonk zwei Worte ein: „Schon dramatisch“, sagt der 37-jährige gelernte Forstwirt aus Kervenheim, der später Baumkletterer beobachtete, sich weiterbildete und seit zwölf Jahren als Baumpfleger unterwegs ist. Um zu zeigen, wie die Bäume aktuell leiden, fahren wir auf der B 9 Richtung Schloss Wissen und schauen uns eine am Straßenrand stehende Ahornbaumreihe an. Dort begutachten wir ein Exemplar, bei dem Verhülsdonk schon die Rinde ablösen kann. „Die haben ganz schön gelitten hier.“ Bäume im urbanen Raum – in Städten, an Straßen – sind sein Spezialgebiet. „Da gibt es kleine Wurzelbereiche und Baumscheiben“, sagt er. „Die müssen mit Verdichtung und Salzstress rechnen. Dazu kommt der Straßenverkehr. Die haben eine Menge auszuhalten.“ Und Neuanpflanzungen benötigten „einen Riesenaufwand, weil die viel Wasser brauchen.“
Deswegen ist man lange schon dabei, alle möglichen Bäume aus dem Süden wie Baumhasel, Götterbaum oder Platanen anzupflanzen, die ganz gut mit der Trockenheit zurechtkommen. Am Bahnhof zum Beispiel stünden viele Platanen. „Auch Linden stehen viele in Kevelaer. Eichen haben es teilweise schwer, aber stehen weniger in der Stadt. Da kommt noch der Eichenprozessionsspinner dazu.“ In Zukunft müssten die Planer den Pflanzen in der Stadt und an den Straßen „mehr Wurzelraum“ geben. „Da gibt es aber schon Konzepte“, sagt Verhülsdonk. Wichtig sei da, dass es Gestelle mit Baumsubstraten gebe, genug Luftaustausch, Drainagen und ausreichend Wasser.
Auf dem Kapellenplatz
Bei den alten Bäumen auf dem Kapellenplatz müsse man schauen, wie man die zukünftigen Baumaßnahmen durchführe. „Die Bäume sind alt, da kann man davon ausgehen, dass es unter dem Pflaster nicht so verdichtet ist.“ Daher lautet eine seiner Empfehlungen: „Keine Maschinen auf die Baumscheiben absetzen.“
In der Schravelner Heide finden wir eine Birke, die wenig Chancen aufs Überleben hat. Das Hauptproblem ist schnell ausgemacht. „Die Trockenperioden sind viel länger, und wenn es regnet, dann alles in kurzer Zeit, was der Boden nicht alles aufnehmen kann.“ Das Phänomen lasse sich die letzten Jahre gut beobachten. „2016 hatten wir ja Hochwasser, da sind 200 Millimeter in einem Monat runtergekommen. Dann war es ein Jahr unproblematisch und dann gab es drei Jahre völlige Trockenheit.“ Mitte März habe man 120 Millimeter gehabt, „wo wir einen Jahresdurchschnitt von 800 Millimeter haben. Hier in Kevelaer war das sehr schlimm.“
Bepflanzungen seien besonders schwierig, „weil man sie stark wässern muss. Da wir Stürme hatten, haben es die stark ausgedünnten Wälder schwierig, weil viel mehr Verdunstung drin ist. Da hat man viel mehr vertrocknete Bäume, weil die Kronendächer nicht ganz geschlossen sind.“ Besonders betroffen von dem Wandel des Klimas in Wald und Stadt sind die Fichten, sagt der Experte. Wir kommen an einer Lichtung vorbei, wo man das gut sehen kann. „Da sieht man, dass die abgestorben und alle ausgeräumt wurden. Da sind Kahlschläge entstanden.“ Seine Prognose lautet, dass es „auf lange Sicht keine Fichten in der Region mehr geben wird.“
Aus historischer Sicht sei das weniger schlimm. „Die sind hier auch nicht beheimatet.“ Für die Holzindustrie und die Forstwirtschaft sei das aber schon problematisch. „Alles Holz, was verbaut wird, das sind Fichten und Tannen. Das sind die Bäume auch, die bei Stürmen als erste umfallen.“ Auch Birken und Ahorne, die noch mit der Rußrindenkrankheit zu kämpfen haben, haben es schwer. „Da fliegen Sporen durch die Luft, und wenn der Baum durch Trockenheit geschwächt ist, dann bringen sie den Baum in kürzester Zeit zum Absterben.“
Die Kiefern und Eichen, die wir in dem Waldstück ausmachen, „die sehen noch in Ordnung aus“, sagt der Experte. Davon gibt es dort viele. „Hier ist sandiger Boden, auf diese Arten hat man früher gesetzt.“ Welche Strategie denn nun für den Wald die richtige ist? „Da müssen Sie einen Förster fragen“, sagt er und beschreibt dann die diskutierten Optionen.
Die einen sagen so, die anderen sagen so
„Die einen sagen, man muss auf südländische Bäume oder auch amerikanische Douglasien gehen. Andere sagen, man müsste den Wald insgesamt dichter lassen und weniger bewirtschaften, damit er weniger austrocknet.“ „Den Bestand ausdünnen, dann bekommen die Bäume mehr Licht und wachsen schneller“, das sei die erkennbare Strategie. Das schaffe dann mehr Holzzuwachs, „dass man darunter ein kühleres Klima hat und die Gefahr, dass die Bäume vertrocknen, nicht so groß“ ist. Die Verdichtung sei auch wichtig, um die Waldfunktion als C02-Speicher zu fördern. „Je mehr Biomasse im Wald bleibt, desto mehr Co2 wird eingelagert.“ Also könnte man bei den alten einheimischen Baumarten bleiben.
Klar sei aber, dass sich in den Baumbeständen einiges ändern wird, auch neue Baumarten auftreten werden wie die Douglasie. Sie könnte als Bauholz die Fichte ablösen. Aber auch da könnte eine Monokultur Probleme schaffen, meint Verhülsdonk. Er favorisiert den Mischwald, um so auch das Risiko von Schädlingen kleiner zu machen.
Was passiert, wenn es weiter so trocken bleibt, da wagt er keine Prognose. „Wenn der Winter keinen Regen bringt, dann gibt es noch größere Probleme. Aber man wundert sich, was die Bäume so alles aushalten.“ Und ein Wald könne nicht sterben, weil immer wieder etwas Neues entstehe.