Der Männergesangverein probt wieder

Das Bild, das sich bietet, ist ungewohnt: die Mitglieder des Kevelaerer Männergesangvereins sitzen in der Clemenskapelle weit verteilt und mit Abstand voneinander auf den Plätzen. Sie folgen dabei dem Dirigat von Wolfgang Dahms, der mit einem elektrischen Klavier auf der Erhöhung steht und versucht, die Musiker von dort aus zu führen.

Fast sechs Monate lang hatten die Männer vom KMGV auf das erste gemeinsame Singen verzichten müssen. „Wir haben vorher intensiv geprobt, jetzt eine ganze Zeit gar nicht. Und man hat so ein bisschen auch seine Stimme verloren. Wenn man zu Hause ist, da übt man nicht so kräftig“, erklärt Heinrich Schreiber, fast 29 Jahre schon Chormitglied.

Seit ein paar Wochen geht es aber wieder. „Jetzt haben wir die Möglichkeit hier. Wir haben mit der Caritas gesprochen und die haben uns den Raum zur Verfügung gestellt“, erläutert Heinz Lamers, der Vorsitzende des KMGV.

„Drei bis vier Leute“ seien aus Angst vor Corona wohl nicht da. „Mit 35 bis 37 Sängern sind wir zufrieden, es könnten mehr sein. Aber es ist wichtig, dass wir überhaupt was machen. Die Sänger hatten wirklich Bedarf und haben danach förmlich gedürstet.“

Besondere Umstände

Die Umstände seien schon besonders, ergänzt Neu-Dirigent Wolfgang Dahms: „Das ist manchmal gewöhnungsbedürftig, weil die Entfernung zwischen den Sängern so groß ist. Die meisten sind gewohnt, dass sie direkt jemanden neben sich haben. Aber man merkt so langsam, dass sie ein Gefühl bekommen für den Raum und für die Abstände.“

Viele Sänger bräuchten halt den „engen Kontakt mit dem Nachbarn. Das gilt vor allem für die, die nicht so stimmsicher sind. Die haben zwei Meter neben sich nichts. Und der Einfluss des Chorleiters auf den Chor ist auch ein ganz anderer. Normalerweise stehe ich einen Meter vor denen, aber ich bin jetzt vier Meter weg.“ Und es dauere halt auch länger, bis der letzte Ton beim Sänger angekommen ist.

Zurzeit arbeitet der Chor an Volksliedern, auch Material von den „Bläck Fööss“ sei dabei. „Wir wollen 2021 ein Weihnachtskonzert geben, dafür arbeiten wir vor und ziehen das Material im Oktober vor.“ Eigentlich wollte Dahms mit den Männern schon im Frühjahr loslegen, dann bremste Corona alles aus. „Das war nicht nur hier so, das war auch bei der Verabschiedung des anderen Chores, des MGV Materborn, so.

Das konnte ich coronabedingt auch nicht, das war auch sehr bescheiden“, erklärt der Dirigent. Zumal er mit dem Materborner Chor zehn Jahre lang gut zusammen gearbeitet hatte. „Alles ist in Frieden auseinandergegangen. Es ist nur unschön, sich nicht anständig verabschieden zu können.“

„Ich bin Anfang 60 und wolle mich nochmal verändern, und zwar nicht, wenn ich im Rentenalter bin“, erklärt Wolfgang Dahms, was ihn veranlasst hatte, den KMGV zu übernehmen. „Die Sänger vom MGV Kevelaer meinten zu mir, ich könnte das mit ihnen wohl schaffen.“ Überzeugt hatte ihn letztendlich das Probedirigat. „Es war eine gute Resonanz und eine gute Probeatmosphäre. Daraufhin habe ich mich entschieden, nach Kevelaer zu kommen.“

Dahms dirigiert auch den Uedemer Männerchor. „Also ist mir der Südkreis nicht so fremd.“ Und der KMGV weise „eine gute Mischung“ auf. „Wir können froh sein, dass wir die lange Durst-strecke überwunden haben“, sagt der Dirigent. „Denn die große Gefahr ist, dass Chöre auseinanderbrechen, wenn sie nach einer gewissen Zeit merken, dass es auch ohne Chor geht.“

Chorproben unter Unterführungen

Er denkt dabei an aktuelle Studien, „nach denen gut ein Drittel der Chöre diese Coronakrise nicht überleben wird.“ E habe viele Chöre gegeben, die sogar unter Unterführungen proben mussten. „Ich habe zu Hause Übungsdateien für alle meine Chöre gemacht und per MP3 geschickt.“

Man habe es auch im Juli über das Telefon und das Internet versucht, ergänzt Heinz Lamers. „Das hat aber nicht geklappt. Der Klang war versetzt und die Leute quatschen dann. Da ließ die Disziplin zu wünschen übrig.“

Sicher sei schon jetzt, dass es „kein Adventskonzert und keine Weihnachtsfeier“ des Vereins geben werde. „Wir wissen auch noch nicht, ob wir beim Volkstrauertag singen sollen“, so der KMGV-Vorsitzende. „Sonst haben wir auch immer Anfang des Jahres ein Singen im Krankenhaus durchgeführt. Das werden wir wohl nicht machen können.“

Auch das traditionelle November-Konzert im Frankfurter Dom sei abgesagt. „Es geht erst mal um den Erhalt des Chores“, sagt Lamers. Man müsse sehen, dass es weitergeht und dann weitersehen, was möglich ist. „Wenn wir zwölf Monate uns überhaupt nicht sehen, das wäre gefährlich geworden.“

Für Schwester Hildegard ist die Situation mit dem Chor aktuell „ungewohnt, aber gut.“ Als sie gefragt wurde, war die erste Reaktion: „Halten sie genügend Abstand. Reicht das hier? Das war ja noch zu dem Zeitpunkt, wo nach vorne hin noch drei Meter notwendig waren. Das hat sich ja etwas gelockert.“

Jeder habe die Möglichkeit, die Kapelle in Gebrauch zu nehmen. Man müsse da natürlich seine Verantwortung tragen. „Ich muss gucken, das dann alles zu desinfizieren. Es ist ganz anders, weil Sachen regelmäßig abends stattfinden. Aber wir sind im Grunde froh, dass der Raum genutzt wird und Gemeinsames passieren kann, auch für den Chor jetzt.“