Der jüngste Handwerksmeister

Karl van de Braak hat seinen Meisterbrief als Bäcker seit nunmehr 65 Jahren. Im Konzert- und Bühnenhaus wurde er mit anderen Jubilaren bei der Altmeisterfeier der Kreishandwerkerschaft Kleve mit dem Eisernen Meisterbrief ausgezeichnet.
Dabei kam er zu diesem Handwerk fast durch Zufall. Sein Vater hatte die Twistedener Mühle gebaut und in der angeschlossenen Bäckerei wurde immer nur von Auftragsbäckern gebacken. Karl war von acht Kindern das Jüngste, und da sich vor ihm keiner zu diesem Handwerk entscheiden wollte, sollte er dieses Handwerk erlernen.
Nach seiner Schulausbildung ging er für drei Jahre in die Lehre nach Gelsenkirchen, anschließend an die Meisterschule nach Olpe und schon mit 20 Jahren hielt er am 9. Dezember 1954 den Meisterbrief in Händen. „Ich war damals der jüngste Handwerksmeister von ganz NRW. Das war schon eine kleine Sensation!“, erzählt der heute 85-Jährige.
Er übernahm die der Mühle angeschlossene Bäckerei, die nun auch in Familienbesitz überging, und mit 21 Jahren durfte er auch Lehrlinge annehmen, die er sein ganzes Berufsleben hindurch gerne ausbildete. 1962 baute er in Twisteden eine zweite Bäckerei mit angeschlossenem Lebensmittelgeschäft und heiratete seine Frau Liesel im Jahr 1963.
Sechs Kindern schenkte das Ehepaar das Leben. Ein Lehrer fragte mal eines der Kinder in der Grundschule: „Was arbeitet eigentlich dein Vater?“ – „Der schläft nur!“, war die Antwort aus Kindermund, erinnert sich seine Frau lachend. Aber wenn der Tag in der Backstube um vier Uhr begann, dann kann man nur zu gut verstehen, dass der Bäckermeister sich mittags erst mal noch hinlegte und schlief, wenn die Schulkinder nach Hause kamen.
16 Geschäfte belieferte der Bäckermeister bald täglich und auch die älteren Kinder halfen gerne mit, mit dem Fahrrad Brötchen- und Brotbestellungen in Twisteden auszufahren, immer frühmorgens vor der Schule. „Nur in den Ferien, da machten unsere Brötchenausfahrer schon mal ein paar Tage Ferien und die Kunden mussten sich die Brötchen bei uns im Laden holen“, erzählt Liesel van de Braak. Daneben wurden in der Backstube für die Kirmes, für Hochzeiten oder Taufen fleißig Torten gebacken und kunstvoll verziert, Lebkuchen oder Kekse gebacken. „Selbst baute ich auch in unserem Garten einen Steinbackofen und ich war über die Qualität der Ergebnisse selbst erstaunt“, erzählt der Meister.
1972 wurde der Laden dann auf Selbstbedienung umgestellt und vergrößert. 1992 wurden die Bäckerei und der Laden verpachtet und beherbergt heute ein Nah-und-Gut-Geschäft.
Traurig stimmt den Bäckermeister natürlich auch die Entwicklung der Zeit. „Von 24 Bäckermeistern aus der Zeit, in der ich mich selbstständig machte, sind heute in Kevelaer nur noch drei übrig geblieben.“ Natürlich macht die Massenproduktion aus dem Backshop der Supermärkte den herkömmlichen Bäckereien mächtig Konkurrenz.
Nach dem Austritt aus dem Berufsleben fuhr Karl van de Braak noch bis zu seinem 80. Geburtstag den Bürgerbus Kevelaer, den er mitinitiierte. Mit seiner Frau Liesel, mit der er 2013 die Goldhochzeit feiern konnte, zog er sich vor neun Jahren in eine kleine Wohnung im Zentrum von Kevelaer zurück. Beide sind nun nur noch künstlerisch tätig: Während sie Ikonen malt, bereichert er mit seiner Stimme den Männergesangverein.
Die Lebkuchenformen hängen nun nur noch zierend an der Wand. Im Hause van de Braak wurde viele Jahrzehnte hindurch täglich gebacken. Nun ist damit Schluss und das Ehepaar genießt gerne die Backergebnisse anderer Meister und freut sich daran, ihre inzwischen vier Enkelkinder heranwachsen zu sehen und jeden Morgen auszuschlafen.