Caritasverband Geldern-Kevelaer macht bei der bundesweiten Aktionswoche mit

Den Menschen hinter den Schulden sehen

Das Plakat zur Aktionswoche „Der Mensch hinter den Schulden“. Foto: Caritasverband

Nach Angaben des SchuldnerAtlas 2020 sind aktuell rund 6,85 Millionen Verbraucher in Deutschland überschuldet. Die Überschuldungsquote liegt somit bei 9,87 Prozent.

Im Ranking der Überschuldungsquoten nach Kreisen und kreisfreien Städten liegt der Kreis Kleve auf Platz 281 von 401. Im letzten Jahr lag hier die Quote bei 10,56 Prozent. „Bei etwas mehr als 313.000 Einwohnern sind das fast 33.000 Menschen im Kreis“, sagt Rita Fergen. Sie leitet die Schuldner- und Insolvenzberatung beim Caritasverband Kleve.

Unterstützt wird sie von den Schuldnerberatern Heidrun Hendricks-Welskop, Anke Pooth, Stefan Schraven und Elke Trepmann sowie den Verwaltungsmitarbeiterinnen Chris Sachinidou-Gastens, Elena Grabinski und Monika Kunst. Beim Caritasverband Geldern-Kevelaer gibt es ebenfalls eine Schuldner- und Insolvenzberatung. Auch hier zeigt die Kurve der Fallzahlen bei der Schuldnerberatung deutlich nach oben. „Im Vergleich zu 2019 haben uns letztes Jahr rund zehn Prozent mehr Personen und Familien kontaktiert“, bestätigt Pressesprecher Christian Hälker. „Dabei ist der Gang zur Schuldnerberatung für viele Menschen nicht einfach. Zumal die Betroffenen aus allen Schichten kommen.“ Ein Blick auf den Caritasverband Kleve belegen dies. Alleine im Jahr 2020 verzeichnete dort die Schuldner- und Insolvenzberatung 1.417 Klienten. Dies waren Angestellte, Selbstständige, Rentner, Schüler und Arbeitslose. Die Langzeitarbeitslosen mit Sozialleistungsbezug bilden mit 652 Ratsuchenden (44 Prozent) die stärkste Gruppe. Insgesamt sind es etwas mehr Frauen als Männer, die größte Anzahl gibt es bei den 30- bis 39-Jährigen mit 339 (24 Prozent) und bei den Langzeitarbeitslosen mit 652 (44 Prozent).

Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Schuldnerberatung belegen zahlreiche Studien die vielfältigen positiven Wirkungen von Sozialer Schuldnerberatung sowohl für Betroffene und ihre Angehörigen als auch für die Gesellschaft. Bei den Überschuldeten zeigen sich diese – so steht es auch im aktuellen Forderungspapier der AG Schuldnerberatung der Verbände (SBV) zur aktuellen Aktionswoche – insbesondere in der Existenzsicherung, der Schuldenregulierung, der nachhaltigen Verbesserung ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, familiären, sozialen und gesundheitlichen Situation und der Wiederherstellung ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Handlungskompetenz. Dennoch steht die Finanzierung auf wackeligen Beinen.

So werden ausschließlich die Insolvenzberatungen vom Land sowie die Schuldnerberatungen für Bezieher von Sozialleistungen (SGB II) und der Grundsicherung (SGB X) vom Kreis refinanziert. „Überschuldung ist allerdings nicht an einer gewissen Klientel festzumachen. Im Gegenteil: Die private Überschuldung ist in Deutschland ein gesamtgesellschaftliches Problem“, sagt Fergen.

So viel Gehör wie möglich erhalten

Durch die Aktionswoche möchte man, so viel Gehör wie möglich erhalten. „Zumal wie coronabedingt diesmal nicht an Aktionsständen auf uns aufmerksam machen können“, bedauert Christian Hälker.
So will der Caritasverband Geldern-Kevelaer neben der Verbfreitung über die Medien die Menschen diesmal auch durch Plakate an Ämtern oder bei der Tafel erreichen. „Jeder soll das Recht auf eine Schuldnerberatung haben“, sagt Hälker.

Außerdem müsse die Finanzierung der Schuldnerberatung eine angemessene personelle und materielle Ausstattung der Schuldnerberatungsstellen ermöglichen und die Berücksichtigung tariflicher Löhne, Verwaltungs- und Sachkosten sowie regelmäßige Fortbildungen und Angebote der Supervision umfassen.

Stärkung der Schuldnerberatungen gefordert

Kurzarbeit, Einkommensverluste, Entlassungen, die Anzahl der finanziellen Notlagen sowie Überschuldungen steigt. Und wird zum gesamtgesellschaftlichen Phänomen: „Durch Corona wird der Mensch hinter den Schulden sichtbar“, bewertet Stephan von Salm-Hoogstraeten, Vorstandsmitglied des Caritasverbandes Geldern-Kevelaer, die derzeitige Situation.

Der aktuelle Schuldner-Atlas Deutschland geht von zwei Millionen Freiberuflern und Solo-Selbstständigen aus, die am Rande einer Überschulung stehen. „Aber auch private Haushalte sind von finanziellen Einbußen massiv betroffen. Inzwischen kommen Verschuldungsprozesse, die in Überschuldung münden, in allen sozialen Schichten vor“, erläutert von Salm-Hoogstraeten.

Stephan von Salm-Hoogstraeten. Foto: Caritasverband

Vielfache bleibe es nicht bei finanziellen Problemen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten beförderten geradezu soziale, psychische sowie auch gesundheitliche Probleme. Sie würden sich zudem auf das ganze Familiensystem auswirken. Von Salm-Hoogstraeten: „Nicht ohne Grund fordern die Verbände der Arbeitsgemeinschaft in der Aktionswoche Schuldnerberatung 2021 den Blick auf die Menschen hinter den Schulden zu richten – auf Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Und deren Krisen, Ängste und Nöte.“ Allesamt Sorgen, denen in den Schuldnerberatungen wirksam begegnet werden kann. „Wir fordern daher einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schuldnerberatung – und zwar unabhängig von der Einkommenssituation. Denn Überschuldung kann tatsächlich jeden treffen.“

Damit einhergehen müssten nach Ansicht der Caritas ein bedarfsgerechter Ausbau und eine gesicherte Finanzierung, damit eine angemessene personelle und materielle Ausstattung der Beratungsstellen gewährleistet sei. Von SalmHoogstraeten: „Nur so ist die anerkannte hohe Qualität und der Erfolg von sozialer Schuldnerberatung weiterhin sicherzustellen.“ Doch mit dem Ausbau der Schuldnerberatungen alleine sei es nicht getan. Die Politik sei gehalten, weitere Maßnahmen zu ergreifen. „Es muss mehr gegen Kinderarmut getan werden.

Notlagen bei Vergabe von Wohnraum berücksichtigen

Die explizite Förderung von familienspezifischen Bedarfen zur sozialen Teilhabe sowie die bedarfsgerechte Anpassung der Regelsätze wären zusammen ein erster politischer Schritt zur Vermeidung von Kinderarmut“, fordert der Vorstand des Caritasverbandes, der noch auf ein weiteres Problem hinweist: Menschen mit Schulden und negativen Merkmalen bei der Schufa hätte auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance eine Wohnung zu finden. „Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Jeder Mensch sollte einen angemessenen Wohnraum zur Verfügung haben, egal in welcher finanziellen Situation er sich befindet.“

Notlagen und andere individuelle Faktoren sollten daher zumindest bei der Vergabe von Wohnraum im Bereich der sozialen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbauunternehmen angemessen berücksichtigt werden. Weitergehende Informationen zur bundesweiten Aktionswoche der Schuldnerberatungen unter www.aktionswocheschuldnerberatung.de

Mehr Informationen und Kontakt zur Schuldner- und Insolvenzberatung unter caritasgeldern.de/schuldnerberatung oder in den CaritasCentren in Geldern, Kevelaer und Straelen.