Den Alltag vergessen

Mit einem kurzen, trockenen Schlag eröffnete der Kevelaerer Bürgermeister Dominik Pichler am vergangenen Freitag am Festzelt die Winnekendonker Kirmes. Einer der ersten Adressaten, denen das Glas zum Anstoßen galt, war der zukünftige Festkettenträger Johannes Otten. „Wir freuen uns auf die nächsten drei Tage und feiern bis Montag. Dann kommt die Festkette, dann wird nochmal kräftig gefeiert.“ Adjutant Norbert Langenberg ergänzte: „Besser feste feiern als feste arbeiten.“
Viele Einheimische und Gäste waren zum Auftakt der Feierlichkeiten auf dem Platz erschienen. „Vor 40 Jahren war die Kirmes größer und anders, heute ist es lockerer. Alles hat seine Zeit“, unterstrich Wilhelm Willems die Bedeutung für die Ortschaft. „Der Treffpunkt für alle und die, die man auch länger nicht mehr gesehen hat.“
„Zusammenkommen, treffen, tanzen, den Alltag vergessen“, das machten die Tage aus, befand Hans-Gerd Leenen vom Musikverein Winnekendonk, bevor er sich auf den Weg zum Abmarsch mit den Kameraden machte. Denn die Musiker begleiteten die Sankt- Sebastianus-Bruderschaft und die Honoratioren zum nahegelegenen Schützenkönigshaus am Heiligenweg, um dort das Königspaar Thomas und Denise Berretz mit Adjutant Boris und dessen Frau Sabine abzuholen. „Da haben sich zwei gefunden“, hob Seb-Präsident Markus Schink die besondere Freundschaft von König und Adjutant hervor.
Vor Ort segnete Pastor Manfred Babel noch kurzerhand fünf funkelnagelneue Fahnen der Sebastianus-Bruderschaft, die sonst nicht hätten geschwenkt werden dürfen. Und Boris und Sabine Weber zeigten sich „stolz“ über ihre 16-jährige Tochter Michelle als „Schlagfrau“ beim Fahnenschwenken. Als Dank gab es die La-Ola-Welle vom Thron.
Nach einem kurzen Aufenthalt marschierte der Tross mit den Gastvereinen von der Dorfschänke Kanders aus durch die Ortschaft und dann Richtung Festzelt. Dort begann der Königsgalaball als erster Aufschlag zu fünf abwechslungsreichen und fröhlichen Feier-Tagen.
Anstrengende Feiern
Auch das Wochenende stand ganz im Zeichen von Geselligkeit, ausgelassener Freude und dem Tanz. Die Achterhoeker Karnevalsgesellschaft (AKG) hatte am Samstag die Federführung für die Feierlichkeiten im Festzelt inne. „Das Feiern gestern war schon grenzwertig“, deutete Festkettenträger Johannes Otten an, dass fünf Tage Kirmes in Winnekendonk für alle auch etwas mit Kondition zu tun haben.
Mit einem abwechslungsreichen Programm sorgte „seine“ AKG bei den Gästen für beste Stimmung und Tanzen bis in die frühen Morgenstunden. Dazu trugen insbesondere die „Swingenden Doppelzenter“ bei, die Unterhaltungscombo „Two for you“ und die Kervenheimer Formation „De Jäcksges“, die mit ihren kölschen Liedern das Publikum zum Mitsingen animierten.
Am Sonntag war entspannte Atmosphäre beim musikalischen Frühschoppen mit dem Musikverein Winnekendonk unter der Leitung von Hans-Gerd Stienen und dem Gastverein „Cäcilia Marienbaum“ mit ihrem Leiter Gerd-Josef Verhoeven angesagt. Auch dort dominierten Gemütlichkeit, der Austausch und viele gute Gespräche bei einem kleinen Gläschen – und der Musikverein und die davon „Betroffenen“ konnten sich innerlich schon mal auf das montägliche Wecken um sechs Uhr mit Frühstück im Achterhoek und der Shuttle-Busfahrt Richtung Winnekendonk vorbereiten.
Vor dem Aufmarsch zum Bürgerpark versammelten sich die Abordnungen aller Vereine am Montag auf dem Alten Markt – darunter natürlich auch die Abordnung der Achterhoeker Karnevalsgesellschaft, deren Vorsitzender Johannes Otten später die Festkette entgegenenehmen sollte. Jutta Eickhoff von der AKG verteilte in ihrer Gruppe noch Nelken zum Anstecken und auch Dominik Bauten war die Vorfreude anzusehen. „Für uns ist das ein besonderer Tag“, meinte der erste Achterhoeker Karnevalsprinz angesichts des bevorstehenden Ereignisses.

Festkette zu Fuß unterwegs.


Mit den Reitern an der Spitze zog dann ein langer Zug auf die Bürgerwiese. Dort betraten die Honoratioren mit dem zukünftigen Festkettenträgerpaar Tanja und Johannes Otten, dem Vorsitzenden der Geselligen Vereine Winnekendonk Rüdiger Göbel, dem Kevelaerer Bürgermeister Dominik Pichler und dem Ortsvorsteher Hansgerd Kronenberg die Bühne.
„Das ist ein schönes Bild, das ich hier sehe. Schön, dass Ihr alle da seid!“, begrüßte Göbel die Festversammlung. Er verwies auf den vorherigen Gottesdienst in der St.-Antonius-Kirche, wo „viel von Getränken die Rede“ war, womit er auf die Passage der Predigt verwies, in der Jesus „Wasser in Wein“ verwandelt hatte. „Freut Euch des Lebens – das ist die Melodie der Kirmes“, sprach Göbel von der Qualität der „kleinen Dinge“, die so eine Kirmes ausmachen: von den Nachbarn, die Häuser schmücken, bis zu den Leuten, die anklingelten und mit einem auf dem Sofa spontan ein Tröpfchen trinken wollten.
„Am linken Niederrhein, da ist die Welt noch in Ordnung“, betonte der oberste Gesellige und meinte damit, die Kirmes sei kein Fest, bei dem unheimlich viel getrunken werde, sondern wo sich ungezwungen getroffen und miteinander gesprochen werde.
Launige Rede
In einer launigen Rede kündigte Bürgermeister Dominik Pichler an, später Anzug gegen „Bieranzug“ zu tauschen und mit der Fiets zurückzukehren. „Winnekendonk ist nicht Kanaan – aber es reicht sicher“, meinte er mit einem Augenzwinkern. Kirmes sei „ganz viel Brauchtumgspflege, Traditionen werden gepflegt“, betonte er diesen Aspekt.
Die Achterhoeker Karnevalsgesellschaft und die Prinzenproklamation seien im Oktober 2015 seine „allererste Erfahrung“ mit Narretei im Amt gewesen, der Verein noch „jung an Jahren, aber das Elfjährige hat er schon geschafft“. Der heutige Festkettenträger Johannes Otten habe ihm damals einen Losgewinn garantiert – und das sei eingetreten. „Ein Mann, der immer recht hat“, folgerte Pichler scherzend.
Der Winnekendonker Ortsvorsteher Hansgerd Kronenberg hielt die Laudatio auf Otten und die AKG, die sich „schnell zu einer rührigen Gemeinschaft“ entwickelt habe, die sich auch sozialen Projekten widme. Kronenberg schlug den Bogen von der Entwicklung der Fastnacht auf dem Land und der Entwicklung in Winnekendonk zu den Achterhoeker Anfängen 2001, an denen Otten maßgeblich beteiligt war. In zehn Jahren Präsidentschaft habe er den Karneval und die AKG mit ihren heute 50 Mitgliedern „von einem kleinen Pflänzchen zu beträchtlicher Blüte“ geführt.
Der Ortsvorsteher würdigte Ottens weiteres soziales Engagement und Vereinsleben – ob in der katholischen Landjugend, der St.-Maria-Bruderschaft Achterhoek oder beim NuK. Den Adjutanten Norbert Langenberg bezeichnete Kronenberg als „unentbehrliche Stütze“ im Achterhoeker Karneval. „Wer sich dermaßen ehrenamtlich für den Achterhoek einbringt, der hat heute diese Ehre verdient“, schloss Kronenberg.
Danach nahmen Kronenberg und Göbel die Ehrung vor. „Danke, dass ich für meinen Verein die Festkette tragen darf“, zeigte Otten sich gerührt und bescheiden. Er dankte insbesondere seiner Familie, die auf vieles habe verzichten müssen, die tolle Nachbarschaft, die vier Tage lang gekränzt habe, und seinem Adjutanten, bei dessen Wahl er nicht lange habe überlegen müssen.
Nach dem Abschreiten der Gastformationen zog der Tross dann zum Ehrenmal, wo ein Kranz niedergelegt wurde. Danach zogen die Vereine mit den „Prominenten“ und dem Thronquartett im jeweils eigenen Wagen durch die Ortschaft.
Im Festzelt folgte für das Thronquartett eine lang andauernde Gratulationskur, ehe es zur Musik der „Rendezvouz Party Band mit Andrea Bergs „Ich liebe das Leben“ den Abend mit „ihrem“ Tanz eröffnete. Was folgte, war eine angemessen-fröhliche Party.
Mit dem traditionellen Verbrennen der Kirmespuppe ging schließlich auch diese wunderbare Kirmes am Dienstag zu Ende.