Dem Tode geweiht?

Hoppla, das war wohl sowas wie eine „Ruck“-Rede. Vielleicht sogar eine „Hau-Ruck“-Rede. Denn Hans Hoorn teilte ordentlich aus bei seinem Vortrag am Donnerstagabend im Goldenen Löwen.
Auf Einladung der Freien Demokraten war der Stadtplaner und Stadtsoziologe aus Maastricht nach Kevelaer gekommen und hatte sich anhand von Rundgängen ein Bild vor Ort gemacht. Daran hatten nicht nur FDP-Mitglieder, sondern auch andere teilgenommen, etwa Helmut Hardt, dessen Kevelaerer Büro mit dem „Masterplan Innenstadt“ beauftragt wurde (das KB berichtete). Weitere Unterlagen, wie etwa das Einzelhandelskonzept und zahlreiche Artikel aus dem Kevelaerer Blatt, dienten ihm zur Vorbereitung. Ein einschneidendes Erlebnis wurde schließlich zum Aufhänger seines Vortrags: In einem Kevelaerer Restaurant schnappte er beim Essen den kurzen Satz einer Einheimischen auf: „Kevelaer stirbt!“
Die Marienstadt dem Tode geweiht? So manchem Kevelaerer im Saal stockte der Atem. „Ich versuche, nicht nur Probleme zu beschreiben, sondern auch Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen“, beeilte sich Hoorn zu versichern. „Wir schrumpfen, werden älter und bunter“, umriss der Soziologe den Ausblick, der auf viele Städte zutrifft. „Wie kann man eine attraktive Stadt werden?“ müsse man sich daher fragen und in der umfassenden „Zauberformel“, die er dazu entwickelt hat, spielt die Aufenthaltsqualität eine entscheidende Rolle.
Unverwechselbar zu wenig
Und dann ging‘s los mit den Empfehlungen, denen er jeweils eine kurze Analyse der Gegebenheiten aus seiner Sicht voranstellte. Kevelaer brauche eine „Identität“, eine „DNA“. „Unverwechselbar Kevelaer, das ist doch viel zu wenig“, kritisierte er und auch ein Wallfahrtsort zu sein sei „prima“, reiche allein aber nicht. Was, wenn die „Renaissance der Wallfahrt“, auf die man in der Marienstadt so setze, nicht komme?
Eine Vision soll her
„Sorgen Sie bitte dafür, dass Sie eine Vision haben“, rief er weiter auf und führte im Laufe seines Vortrags einige Beispiele aus seiner Zeit als Stadtplaner in Maastricht an: Den Bau von Straßentunneln mit einem Finanzaufwand von mehreren 100 Millionen Euro etwa, der zunächst illusorisch erschien, durch geschickten Druck auf die Politik aber möglich gemacht wurde. Oder den Bau von unterirdischen Parkhäusern mit Hilfe von Investoren. Dabei dürfe die Gemeinde aber keinesfalls die planerischen Zügel aus der Hand geben, warnte Hoorn und brachte dies mit dem Satz „Die Stadt ist der Regisseur, nicht der Investor“ auf den Punkt.
Quasi als Gegenpol dazu sieht er die Politik: Politiker müssten einerseits „Kopf und Kragen riskieren“ und sich andererseits kompetent beraten lassen. Städtebau und Architektur seien nicht umsonst wissenschaftliche Fachbereiche und keine Spielwiese für „kopflose Politiker“, plädierte er für die Einführung eines Stadtplaners und eines Gestaltungsbeirates. Die nächste Atempause in Form von Luftanhalten bei einigen anwesenden Politikern folgte.
Doch viel Zeit, zur Besinnung zu kommen, ließ der Niederländer den Kevelaerern nicht. Stattdessen legter er kurz, aber kräftig, den Finger in Wunden, die für ihn offensichtlich erscheinen: Aus der leerstehenden Luxemburger Galerie solle man doch lieber Wohnungen machen, das hässliche Kaufcenter gleich ganz abreißen und das Wasser der Quelle auf der Hüls nicht vor Ort aus dem Boden in ein Gradierwerk sprudeln lassen, sondern per Rohrleitung in die Innenstadt führen. Mit dem „roten Teppich“ für die Besucher der Hauptstraße war Hoorn übrigens auch nicht einverstanden: „Es gibt ein Recht auf Eleganz“, sagte er provozierend. Spezialisten aus Portugal könnten vorhandenes Pflaster so wieder einbauen, dass es problemlos mit Rollstühlen und Rollatoren befahrbar sei, versicherte er, „und das kostet dann nur ein Viertel.“
„Autistische Planung“
Munter kritisierte Hans Hoorn weiter die Eingangssituation zur Stadt am Bahnhof, die „niedrige Qualität der Außenstädte“, eine wenig attraktive Außengastronomie und zuletzt noch das neue Bauvorhaben in der Busmannstraße („Brutalismus“). Letzteres sei „symptomatisch für eine autistische Planung“ setzte er zum Schluss einen deftigen Punkt unter seine Ausführungen.