Dauereinsatz an den Orgeln

Neben der normalen vierstimmigen Liedbegleitung braucht ein Organist viel Musiktheorie und Harmonielehre, um auch selbst frei an diesem Instrument, das Hand, Fuß und Stimme fordert, spielen zu können. Gerade für einen Organisten an der Wallfahrtspfarrei St. Marien sind täglich viele Gottesdienste und häufig auch Pontifikalämter zu begleiten, die zum Teil über Internet, Fernsehen und Radio übertragen werden. Dafür gibt es in der Basilika die große Seifert-Orgel, die größe deutsch-romantische Orgel der Welt.
Nicht jeder traut sich an dieses Instrument. Nach dem Weggang von Viktor Fischer Anfang Februar und seit dem krankheitsbedingten Ausfall von Basilikaorganist Elmar Lehnen seit Mitte März spielt ein junger Mann im schwarzen Mantel die Orgel: Marco Heise. Knapp über 20 Jahre alt studiert er in Berlin gerade Orgelimprovisation bei Wolfgang Seifen und wird ab Oktober 2019 auch das Kirchenmusikstudium aufnehmen.
Nun ist er aber erst mal im Dauereinsatz und von morgens bis abends an den Orgeln von St. Marien zu treffen. Neben Eucharistiefeiern, Pilgerandachten, dem Marienlob, Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen macht Marco Heise auch Orgelführungen. Wenn er Feierabend hat, sitzt er meist auch noch lange an der Orgel und spielt. Gerade jetzt in der Pilgerzeit muss er den Basilikachor zum sonntäglichen Hochamt begleiten und dann in der freien Zeit, die ihm noch bleibt, die Literatur dafür üben.
An die Orgel selbst kam der junge Mann erst mit 15 Jahren. Klavierspielen hatte er sich mehr oder weniger selbst beigebracht und darin auch Auszeichnungen gewonnen. Als Jugendlicher sprach ihn der Pfarrer der örtlichen Pfarrei in Hoppenwalde in Mecklenburg-Vorpommern an, ob er mit seinen Klavierkenntnissen nicht auch die Orgel spielen könnte, was er dann auch in der Folge übernahm.
Richtigen Orgelunterricht bekam er erst mit 18 Jahren. Durch Talent und viel Fleiß holte er jedoch in wenigen Jahren viel auf. Morgens vor der Schule, in allen freien Stunden bis abends setzte er sich ans Klavier oder an die Orgel und übte.
Zum ersten Mal nach Kevelaer und an die Seifert-Orgel kam er mit Patryk Lipa, einem Kommilitonen aus Berlin. Nach dem Studium von Orgel als Konzertfach, von Orgelimprovisation und Kirchenmusik wird dieser ab August die Stelle des zweiten Basilikaorganisten übernehmen, eine ausgezeichnete Besetzung, wie auch Marco Heise meint. Er schätzt den gebürtigen Polen als „sehr fleißigen, versierten, lieben Menschen mit überragender Virtuosität“.
Ins Schwärmen kommt Marco Heise auch, wenn es um seinen neuen Arbeitsplatz an der Großen Seifert-Orgel geht. „Diese Orgel ist ein fantastisches, außergewöhnliches Instrument. Es gibt unendliche Klangmischungsmöglichkeiten. Mit seinen 135 Registern ist sie wie ein Orchester, das man dirigieren kann und das alle Klangfarben von Trompete, Flöte, Glockenspiel bietet. In Berlin haben wir nichts Vergleichbares.“
Die Anfangszeit war für ihn nicht ganz leicht. Nicht nur, dass er sich an die große Orgel mit ihren vielen Bedienmöglichkeiten erst gewöhnen musste. Manche Lieder, die in Berlin nicht gesungen werden, musste er erst kennenlernen oder sich an andere Tempi gewöhnen.
Letzte Woche waren es drei Pontifikalämter, die er begleiten musste. Neben der Vorabendmesse und dem Hochamt wurden so in einer Woche fünf Gottesdienste auch über Fernsehen übertragen. Auf der Empore ist auch eine eigene Kamera. So wurde nicht nur seine Musik eingefangen, sondern er selbst auch gefilmt. Über eine Fernsprechanlage ist er normal mit dem Chordirektor und dem Chor verbunden, der seit einiger Zeit nun weit weg von der Orgel im nördlichen Seitenschiff steht.
Aber manches Mal setzt auch die Technik aus und dann gibt es keine Verbindung. Öfter auch bekam er kurz vor Beginn auch noch manche Anweisung, etwa ein Lied nicht in D-Dur, sondern in F-Dur zu spielen. Aber mit Improvisieren ist er ja nicht nur aufgrund seines Studienfaches bestens vertraut. Und wenn etwas nicht gleich so gut klappt, dann setzt sich Marco Heise einfach noch eine extra Stunde an die Orgel und übt das betreffende Lied in zig Tonarten, bis es sitzt.
Neben seinem Dienst hier an der Orgel läuft sein Studium in Berlin normal weiter. Einmal fuhr er nach der Abendmesse mit dem ICE noch nach Berlin, wo er um 5 Uhr ankam. Dann hatte er erst mal Prüfung in Hymnologie und danach Unterricht. Anschließend saß er wieder im Zug zurück nach Kevelaer und kam pünktlich zur Abendmesse an, bei der er wieder an der Orgel saß. Obwohl er gewiss bei den zwei Orgelstellen, die er gerade in Kevelaer vertrat, nicht so viel lernen konnte, schloss er die Prüfung mit 1,0 ab.
Demnächst wird der junge Organist jedoch etwas entlastet, denn Elmar Lehnen freut sich, langsam wieder ganz an die Orgel zurückzukehren. Voll Lob und Ankennung ist der Basilikaorganist über seinen jungen Kollegen: „Er hat die Zeit grandios genutzt. Auf ihn war stets Verlass. Er war mit Feuereifer dabei. Sein Leben bestand die letzte Zeit allerdings fast nur aus Schlafen, Essen und Orgelspielen. Mehr als in dieser Zeit hier in Kevelaer wird er nicht lernen können.“
Trotz seiner enormen Leistung an der Orgel bleibt Marco Heise gern bescheiden. „Die Menschen in Kevelaer haben mich sehr herzlich empfangen und es wurde auch schon mal ein Auge zugedrückt, wenn mir ein Fehler passierte. Schließlich bin ich ja noch kein Profi, sondern erst Musikstudent. Aber mir macht die Arbeit wahnsinnig große Freude. Ich bin super dankbar, hier sein zu können.“