Das Wasser von Kävele is juud
Kevelaer. „Man muss auch mal sagen, dass in unserer Kooperation manche Dinge einfach besser laufen.“ Dabei ist das an die Landwirte und Gärtner gerichtete Lob von Hans-Josef Thönnissen, dem Chef der Kevelaerer Stadtwerke, längst kein Geheimnis mehr: Dass Kevelaers Trinkwasser eine sehr niedrige Belastung mit Nitrat und Nitrit hat, wird immer wieder dann thematisiert, wenn andere Kommunen, auch am Niederrhein gelegen, unter massiven Steigerungen der entsprechenden Werte ächzen. Von 16 Kommunen im Kreis Kleve haben heute nur noch sieben eine eigene Trinkwasserförderung. Alle anderen haben ihre Wasserwerke aufgegeben – meist, weil die hohen Nitratwerte im Wasser als irreparabel galten.
Ihre Stellung als Musterfall der Region verdankt die Marienstadt einer inzwischen 26 Jahre alten Kooperation zwischen den Stadtwerken, den Landwirten und den Gartenbauern. Kurz gesagt erhalten einige Landwirte, die innerhalb der Wasserschutzzone wirtschaften, von den Stadtwerken eine Kompensation für geringere Erträge. Voraussetzung dafür ist, dass die Landwirte vorgegebene Grenzwerte für Stickstoff im Boden unterschreiten, indem sie die entsprechende Düngung verringern und optimieren. „Seit dem Bau des Wasserwerks haben sich die Nitratwerte im Grundwasser gut halbiert“, resümiert Gerd Yzermann, Landwirt auf Keylaer und einer der Sprecher der kooperierenden Landwirte.
Die Anfänge der Kooperation waren 1990/91 nicht einfach und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Plötzlich kam ein Umweltminister daher, der den Landwirten sagte, dass sie etwas falsch machten und deutlich weniger düngen sollten. Trotz einer gewissen Skepsis und teilweise sogar Existenzängsten beteiligten sich in Kevelaer alle Landwirte im Bereich der etwa 1100 Hektar großen Wasserschutzzone an der Kooperation zum Wasserschutz. 14 von ihnen schlossen mit den Stadtwerken Kevelaer Verträge zur Extensivierung. 1991 begann die Kooperation offiziell. Kaum ein anderes Wasserwerk ergriff so früh die Initiative – auch ein Grund, weshalb Kevelaer heute so gut dasteht.
Dabei sind die geologischen Voraussetzungen auf den ersten Blick ungünstig: Das Niederschlagswasser fließt in nur wenigen Metern Tiefe Richtung Wasserwerk. Der filternde Effekt vieler Meter Erdreich, von dem andere Kommunen profitieren, entfällt in Kevelaer. Letztlich stellte sich dieser Umstand jedoch als Vorteil heraus: Stickstoff, der neu in den Boden eingebracht wird, erreicht nach wenigen Jahren das Wasserwerk. Entsprechend schnell zeigen sich die positiven Effekte, wenn die Landwirte Maßnahmen der Extensivierung erproben. „Das ermöglicht einen effektiven Lerneffekt“, berichtet Landwirt Herbert Joosten. Käme das Trinkwasser aus mehreren Dutzend Metern Tiefe, könnte es Jahrzehnte dauern, bis erste Effekte sichtbar werden.
Schnell lernten die Kevelaerer Landwirte: Stickstoffdünger brachten sie nicht mehr flächendeckend auf dem Feld, sondern zielgenau in den Reihen der Saat aus. War nach der Ernte noch Stickstoff im Boden, hatten sie zu viel gedüngt. „Von Stickstoff, der im Oktober noch da ist, hat keiner etwas. Der Stickstoff würde ins Wasser verlagert werden“, erläutert Andreas Hartges von der Landwirtschaftskammer NRW. Er berät die Landwirte in Kevelaer zum Wasserschutz. Im Gegenzug finanzieren die Stadtwerke Kevelaer zum Teil seine Arbeitsstelle.
Weil der Stickstoffbedarf der Pflanzen witterungsabhängig ist, lässt er sich im Frühjahr nicht exakt planen. Überschüssigen Stickstoff, der im Herbst noch da ist, holen die Landwirte deshalb durch eine Winterbegrünung ihrer Felder größtenteils aus dem Boden. Im Frühjahr können sie das Grün unterpflügen und damit direkt wieder Stickstoff für die neue Saison in den Boden einbringen. Auch hierbei haben sie gelernt: Wurde der Nährstoff früher noch tief untergepflügt – wo er bald aus der Reichweite der Pflanzenwurzeln verschwand – bringen die Landwirte den Stickstoff heute nur noch bodennah oder sogar oberflächlich ein. Gedüngt wird zudem erst kurz vor der Saat, damit etwaiger Regen die Nährstoffe nicht gleich in tiefere Bodenschichten transportiert. Weil die Winterbegrünung so wichtig für die Nitratvermeidung im Grundwasser ist, finanzieren die Stadtwerke das entsprechende Saatgut auch für Landwirte im Wasserschutzgebiet, die nicht Vertragspartner im Programm sind.
Auch was Tierschützer weniger gern sehen, hat einen positiven Effekt auf die Nitratbelastung des Wassers: Stand das Vieh früher draußen auf der Weide, führten die Ausscheidungen zu sehr punktuellen – lokal zu hohen – Stickstoffdüngungen. Gülle von Stallvieh hingegen können die Landwirte sehr gleichmäßig ausbringen und den pflanzlichen Bedarf besser treffen. Da die zulässige Menge an organischem Dünger (sprich: Gülle) begrenzt ist, sind die Landwirte bemüht, diesen so zu verwenden, dass die Pflanzen ihn bestmöglich nutzen und nur wenig im Boden verbleibt. Überschüssige Gülle verwerten jene Landwirte, die keine eigene Viehhaltung haben. Hier vermittelt Berater Hartges.
Das Ergebnis spricht für sich: Seit elf Jahren lag der durchschnittliche Stickstoffrückstand in den oberen 90 Zentimetern der extensivierten Böden – dort wird gemessen – im Oktober nicht mehr über 40 Kilo je Hektar. Auch die anderen Landwirte im Bereich der Wasserschutzzone haben die Stickstoffrückstände in den vergangenen 20 Jahren halbiert, liegen mit ihren Werten aber im Schnitt um die Hälfte höher als die Kollegen mit extensiver Bewirtschaftung. Das Wasser aus den vier Kevelaerer Brunnen bleibt damit locker unter dem Grenzwert der Trinkwasserverordnung, der bei 50 Milligramm pro Liter liegt. Aktuell liegt der Messwert in Kevelaer bei 21 Milligramm.
Die anfangs skeptischen Landwirte sind seit vielen Jahren mit der Kooperation sehr zufrieden. „Wir Bauern sind sogar stolz auf das, was wir erreicht haben“, erzählt Yzermann. „Und wir sind erpicht, das zu halten.“ Björn Lohmann
Der Vertrag
Die 14 Landwirte, die einen Extensivierungsvertrag mit den Stadtwerken geschlossen haben, verpflichten sich, 30 Prozent weniger zu düngen. Liegen dadurch die Stickstoffwerte im Boden im Herbst unterhalb von 55 Kilo je Hektar, erhalten sie eine Ausgleichszahlung von 380 Euro je Hektar. Der Betrag ist das Ergebnis von Studien der Landwirtschaftskammer, die den Einfluss der Stickstoffdüngung auf den Ertrag ermittelt haben. Überschreiten die Landwirte den Grenzwert, erhalten sie nichts.
Für die Kunden der Stadtwerke macht sich das Programm zur Nitratvermeidung mit bescheidenen 6 Cent je Kubikmeter Trinkwasser bemerkbar. Die neue Landesregierung hat im Koalitionsvertrag beschlossen, dieses Erfolgsmodell auszubauen.