Das planen die Kevelaerer Bürgermeisterkandidaten – 2/2

Eigentlich sollte es vor zwei Wochen eine ganz normale Podiumsdebatte werden, wenngleich mit den üblichen Hygieneschutzmaßnahmen innerhalb der Covid-19-Pandemie. Bei Außentemperaturen von 35 Grad Celsius entschied sich die Redaktion dann jedoch kurzfristig, die Veranstaltung im Forum unter dem Dach der Öffentlichen Begegnungsstätte abzusagen. Konzentrierte Gespräche wären unter diesen Bedingungen nicht möglich gewesen. Stattdessen haben wir eine Auswahl unserer Fragen und der bereits von Lesern eingesandten Fragen schriftlich an die beiden Kandidaten für die anstehende Bürgermeisterwahl gestellt – Amtsinhaber Dr. Dominik Pichler, der zwar als SPD-Kandidat ins Amt gewählt wurde, dieses Mal aber überparteilich antritt, und Herausforderer und CDU-Kandidat Mario Maaßen. Den ersten Teil der Fragen und Antworten haben wir vergangene Woche veröffentlicht, hier folgt nun der zweite und letzte Teil. Weitere Informationen präsentieren die Kandidaten auf ihren Websites unter https://dominik-pichler.de bzw. https://www.mario-maassen.de.

Mario Maaßen Foto: privat

Wie wollen Sie Kevelaer für die Folgen des Klimawandels rüsten?
Zweifelsohne bilden ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und der Einsatz erneuerbarer Energie die Basis für ein zukunftsorientiertes Zusammenspiel von Menschen und Natur. Grüne Oasen gibt es viele in Kevelaer – sie sind nicht nur ein Wohlfühlfaktor, sondern auch ein langfristiger Beitrag zum Klimaschutz. Daher wollen wir unser städtisches Grün klimarobust um- und ausbauen, Dach- und Fassadenbegrünung stärker in den Fokus rücken und Blühwiesen nicht nur in unseren Parks, sondern vor allem auch an Straßenrändern und Feldrainen anlegen. Hier sind unsere Landwirte und Gartenbauer natürliche Ansprechpartner, die längst weiterdenken und verantwortungsbewusster handeln, als es ihnen in der öffentlichen Darstellung zugestanden wird.

Welche Maßnahmen planen Sie, um Radverkehr und eine PKW-arme Innenstadt attraktiver zu gestalten?
Über die technische Entwicklung des Autos in der Zukunft und die denkbaren Antriebsformen wird man diskutieren, aber es ist mir zu schlicht, den motorisierten Individualverkehr zum Feindbild zu erklären, mit dessen Verbannung sich der Klimawandel in sauberer Luft auflöst. Im ländlichen Raum wird das Auto bis auf Weiteres ein Garant individueller Mobilität bleiben, für den es keine 100-prozentige Alternative gibt. Nichtsdestotrotz müssen wir Mobilität vielfältiger denken und ein Verkehrskonzept samt ergänzender Infrastruktur entwickeln, in dem sich Fußgänger, Radler und motorisierte Verkehrsteilnehmer per Rad, Auto und Bus sicher und komfortabel mit- und nebeneinander bewegen. Die von uns vehement erkämpfte OW1 ist der Ansatzpunkt, von dem aus sich das Verkehrs- und Mobilitätsnetz in Kevelaer neu ordnen lässt.
Nicht zu vergessen: Wenn wir von einem Mobilitätsnetz reden, müssen wir die Fäden auch über die Stadtgrenzen hinausspinnen. Ein regionaler ÖPNV und die Anbindung an das weiterführende nationale Verkehrsnetz gelingt nur im Zusammenspiel mit Kreis, Land und Bund. Und da sind wir als CDU gut aufgestellt.

Sollten kulturelle Aktivitäten in Kevelaer – einschließlich der Angebote im Bühnenhaus – stärker als bislang finanziell gefördert werden?
Mit Kunst und Kultur lebt die Stadt. Ich habe für wirtschaftlich tragfähige Konzepte immer ein offenes Ohr und würde diese auch unterstützen und fördern. Beispiele wären das deutsch-niederländische Künstlerdorf, aber auch lokale Weihnachts- und Adventsmärkte. Insgesamt sollten aber auch lokale kulturelle Aktivitäten stärker in den Förderfokus kommen.
Das Niederrheinische Museum ist ein kulturelles Highlight, für das mein Herz besonders schlägt mit ein Grund, warum ich mich im Vorstand des Fördervereins für Museumsförderung engagiere. Als Kevelaerer können wir stolz auf unser Museum sein.
Das Bühnenhaus und auch den Pächter trifft es in der jetzigen Corona-Phase sehr hart. Veranstaltungen bei den zu beachtenden Hygienekonzepten sind wirtschaftlich kaum durchzusetzen. Dennoch sollte man auch hier versuchen, mit kleineren Veranstaltungen den Betrieb zumindest aufrechtzuhalten und mit dem Pächter ein Konzept abzustimmen.

Wie kann Kevelaers Polizeiwache wieder rund um die Uhr besetzt sein?
Eine 24h-Präsenz der Polizei in Kevelaer ist eine Forderung, die ich als Bundespolizist nur unterstützen kann und für die ich kämpfen werde. Kein leichter Weg, denn die Entscheidungen darüber werden an übergeordneten Stellen getroffen, doch durch unsere gute Vernetzung sind wir hier auch nicht chancenlos. Ordnung und Sicherheit haben sich gerade im Zuge der Corona-Krise wieder als ein Gut erwiesen, das (fast) jeder zu schätzen weiß.

Welche Rolle spielt für Sie die Wallfahrt in Kevelaers künftiger Entwicklung?
Die Wallfahrt ist und bleibt unser Herzstück, sie prägt unsere Stadt seit über 350 Jahren. Wir haben hier einen durch die Zeit auf uns überkommenen Auftrag und eine Verantwortung den Pilgern gegenüber, die ihre Sorgen und Anliegen an der Gnadenkapelle vor die Gottesmutter tragen. Kevelaer lebt aber auch von den Besuchern, die unser touristisches Angebot in Anspruch nehmen, und als bürgerliche Stadt. Hier Verbindungen zu schaffen und zu halten ist eine Aufgabe, die auch in Zukunft nicht an Bedeutung verliert.

Sie wollen die Stadtverwaltung leistungsfähiger machen. Wie soll das aussehen?
Dass wir gutes Personal haben, weiß ich aus persönlicher Erfahrung als Bürger und aktiver Kommunalpolitiker. Ich komme ja selbst aus dem Behördenbereich und leite das Bundespolizeirevier in Kempen mit rund 150 Mitarbeitern. Dort sind die Strukturen zwar straffer, ähneln sich aber durchaus. Ansatzpunkte für Veränderungen sehe ich in der Kevelaerer Verwaltung vor allem im Selbstverständnis als Serviceteam für unsere Bürger. Hier müssen wir zunächst mit offenen Augen und Ohren feststellen, wie zufrieden unsere Bürger mit dem Angebot und der Unterstützung durch die Verwaltung sind und Problemfelder offen thematisieren und angehen. Als Bürgermeister und Verwaltungsleiter möchte ich alle Mitarbeiter – und das sind nicht wenige – kennen, gleichermaßen wertschätzen und sie in ihrer weiteren Entwicklung fördern. Dabei werde ich mich nicht nur auf die Abteilungsleitungen konzentrieren, sondern auch die anderen Funktionsebenen mitnehmen.

Was werden für Sie die wichtigsten Projekte in den kommenden fünf Jahren sein?
Die To-do-Liste ist lang und was auch immer ich jetzt benenne, kann schon morgen auf der Prioritätenliste nach oben oder unten wandern. Nach aktuellem Stand würde ich gleichberechtigt die folgenden Projekte benennen:

Weitere Umsetzung des integrierten Handlungskonzepts mit offenem Blick für und auf sich anschließende Optionsflächen
Auflegung eines Verkehrs- und Mobilitätskonzepts (inklusive Parkleitsystem) für ganz Kevelaer
Schaffung und Entwicklung von Gewerbeflächen und proaktive Wirtschaftsförderung, auch in den Ortschaften
Fortsetzung des bislang schon sehr erfolgreichen Energiemanagements in Kevelaer als wichtiger Beitrag zum Klima- und Umweltschutz
Bedarfsgerechter Auf- und Ausbau der digitalen Infrastruktur für Schule, Wirtschaft, Verwaltung und private Nutzung
Schaffung von zusätzlichen, auch nicht kommerziellen Aufenthaltsräumen und Freizeitangeboten für alle Generationen, insbesondere aber für unsere Jugendlichen
Wohnungspolitik mit dem Fokus auf Wohnraum, der sich flexibel an unterschiedliche Lebensphasen und -entwürfe anpassen lässt, auch und gerade für Mitbürger mit mittleren und kleinen Einkommen.

 

Dr. Dominik Pichler Foto: privat

Wie wollen Sie Kevelaer für die Folgen des Klimawandels rüsten?
Die Stadt Kevelaer ist bereits in der Umsetzung unseres Klimaschutzkonzepts. Außerdem macht die Stadt zum wiederholten Mal beim European Energy Award mit. Das betrifft die energetische Sanierung städtischer Gebäude, aber auch z.B. den Ausbau von Photovoltaik auf städtischen Gebäuden. Daneben investieren die Stadtwerke in erneuerbare Energien. Ich möchte jetzt den nächsten logischen Schritt gehen. Das ist die Teilnahme am European Climate Award, einem kommunalen Konzept zur Klimafolgenanpassung, um bedarfsgerecht Maßnahmen in verschiedenen Bereichen umzusetzen, etwa in der Stadtplanung. Das sind nicht rein grüne Themen, das ist auch Gefahrenabwehr, z.B. die Erarbeitung einer Starkregengefahrenkarte. Die Starkregenereignisse in 2016 und die drei Dürresommer haben gezeigt, dass der Klimawandel längst hier angekommen ist. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir mit den endlichen Ressourcen Fläche, Boden und Wasser umgehen. Ob überflutete Keller oder sinkende Grundwasserspiegel und schlechte Ernten: Wir müssen vorbereitet sein.

Welche Maßnahmen planen Sie, um Radverkehr und eine PKW-arme Innenstadt attraktiver zu gestalten?
Derzeit wird eine Verkehrsuntersuchung für die Innenstadt durchgeführt. Sobald hier Ergebnisse vorliegen, werden diese bewertet und daraus Maßnahmen abgeleitet. Eines ist aber klar: Will man eine Verkehrswende, die diesen Namen auch verdient, wird der motorisierte Individualverkehr, also die Pkw, Raum zugunsten von Fußgängern und Radfahrern abgeben müssen. Die Frage, wie viel und wo der fließende und ruhende Pkw-Verkehr Anteile abgeben muss, gehört sicherlich zu den spannendsten und wohl auch umstrittensten Fragen der nächsten Jahre. Auch muss das bestehende Radwegenetz, das sich teilweise in schlechtem Zustand befindet, saniert und in einigen Bereichen auch erweitert werden.

Sollten kulturelle Aktivitäten in Kevelaer – einschließlich der Angebote im Bühnenhaus – stärker als bislang finanziell gefördert werden?
In der jetzigen Zeit geht die Frage einer stärkeren Förderung kultureller Aktivitäten aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie an der Wirklichkeit vorbei. Wenn im kommenden Jahr nach einem vorsichtigen Zurücktasten ins kulturelle Leben der Stand „vor Corona“ erreicht sein sollte, hätten wir schon sehr viel erreicht.

Wie kann Kevelaers Polizeiwache wieder rund um die Uhr besetzt sein?
Das ist zwar wünschenswert, leider aber unrealistisch. Der Bürgermeister ist in dieser Frage nur Bittsteller. Denn der Landrat ist Chef der Kreispolizeibehörde (KPB). Die Zuweisung von neuen Polizisten an die KPB erfolgt aber vom Land und im Herbst werden weniger Polizisten als Nachersatz zur KPB Kleve entsandt als zunächst geplant. Personell kann der Landrat ohnehin nicht aus dem Vollen schöpfen, da der Innenminister derzeit seinen Fokus auf die Großstädte legt, wo die Kriminalität weitaus höher liegt als im Kreis Kleve. Der Landrat kann die vorhandenen Kräfte anders verteilen, sodass für Kevelaer eine 24/7-Besetzung möglich ist, müsste dann aber anderenorts Ressourcen abziehen, die dort jedoch benötigt werden. Da Kevelaer nachts von der Polizei aus Goch und Geldern gut abgedeckt wird und die Wache in Kevelaer im Übrigen am Wochenende und nachts vor Feiertagen ohnehin mit einem Wagen besetzt ist, wird der Landrat dies aber nicht tun.

Welche Rolle spielt für Sie die Wallfahrt in Kevelaers künftiger Entwicklung?
Trotz des Solegartens St. Jakob und des Freizeitparks Irrland: Die Wallfahrt ist Alleinstellungsmerkmal und ein Teil der DNA von Kevelaer. Schon vor Corona gingen indes die Pilgerzahlen kontinuierlich zurück, wenn auch auf hohem Niveau. In 2020 sind die Zahlen eingebrochen und es bleibt abzuwarten, wie und wie schnell sich nach Corona die Zahlen wieder erholen. Hier sehe ich Rat und Verwaltung als verlässlichen Partner der Wallfahrtsleitung. In den vergangenen Jahren wurden gemeinsam z.B. die Planung der Sanierung des Kapellenplatzes oder auch der Markenkernprozess erfolgreich abgeschlossen. Wie die jetzt benötigte Hilfe aussehen kann, wird mit der Wallfahrtsleitung zu besprechen sein. Allerdings bedarf es in dieser für alle schweren Situation mehr als nur Lippenbekenntnisse, um der Wallfahrt zu helfen.

Gibt es eine Entscheidung der letzten Jahre, die Sie heute anders treffen würden?
Fehler werden bei der Fülle der tagtäglichen Entscheidungen im Beruf des Bürgermeisters immer gemacht. Wichtig ist aber, aus den Fehlern zu lernen und Dinge zu verändern. Ein Beispiel: Für die Erneuerung der Hauptstraße im Rahmen des IHK sah die Bürgerbeteiligung so aus, dass den Bürgern vorgestellt wurde, was passieren wird. Einflussnahme war kaum mehr möglich. Dafür wurde ich zu Recht kritisiert und deshalb war Bürgerbeteiligung z.B. zum Peter-Plümpe-Platz in weitaus größerem Umfang möglich – auch wenn natürlich nicht jeder Vorschlag im Rat mehrheitsfähig war.

Was werden für Sie die wichtigsten Projekte in den kommenden fünf Jahren sein?
Ein Thema der nächsten Jahre wird sein die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gerade für Familien mit Kindern. Die Ausweisung von Baugebieten in Kevelaer und den Ortschaften ist auf einem guten Weg. Weitere Themen sind die Ausstattung der Schulen und der Feuerwehr, die Unterstützung des Vereinswesens. Im kommenden Jahr steht außerdem der Bau eines neuen Skate-Parks an. Weiterhin arbeitet die Verwaltung aktuell daran, dass verschiedene notwendige, aber kostenintensive Umbaumaßnahmen von Sportvereinen durch den Zugriff auf Fördertöpfe rasch umgesetzt werden können. Auch Wallfahrt und Tourismus darf man nicht vergessen: Viele Händler und Gastronomen leben von unseren Gästen. Derzeit ist Kevelaer staatlich anerkannter Erholungsort. Ziel ist, das Label „Ort mit Heilquellenkurbetrieb“ zu erlangen. Das ist ein Label, das Kevelaer ein weiteres Alleinstellungsmerkmal geben wird. Hinzu kommt die Digitalisierung: In den vergangenen Jahren ist hier bereits eine Menge erreicht worden z.B. in den Schulen, aber auch im Glasfaserausbau. Das kreisweite Projekt „weiße Flecken“ hat im Südkreis begonnen und wird hier im nächsten Jahr umgesetzt. Auch die verwaltungsinterne Digitalisierung schreitet voran. Anfang des Jahres wurde eine Digitalisierungsstelle eingerichtet, die der Rat auf Vorschlag der Verwaltung im vergangenen Stellenplan beschlossen hat. Hier kümmert sich jemand auf Leitungsebene darum, dass die Digitalisierungsprozesse innerhalb der Verwaltung aufeinander abgestimmt und koordiniert werden.