Das Pferd als Therapie für behinderte Kinder
Die Gocherin Jacqueline Weise führt ihren dreijährigen Sohn Julian mit seinem Gehwagen zum Auto, nachdem er die 20-minütige Runde auf dem Pferd absolviert hat. „Er ist ein ehemaliger Frühgeborener mit 24 Wochen und entwicklungsverzögert. Das Körpergefühl ist noch nicht so gut“, sagt die 28-jährige Mutter und verweist auf die Wirkung der Hippotherapie bei ihrem Sohn. „Er kann noch nicht alleine laufen. Da ist das Reiten optimal.“
In der großen Halle des Reitstalls Küsters am Hoogemittagsweg begleiteten die drei Therapeutinnen Angelika Aengenheyster, Sibylle Hendricks und Josy Ophey und ihre Pferdeführerinnen die Kinder gleichmäßig bei ihrem Ritt. Die Idee für die Therapie gehe auf die Initiative des Begründers der „Aktion St. Nicolaus“, des Kevelaerer Kinderarztes Dr. Ferdinand Helpenstein zurück, erläuterte Thomas Deselaers.
„Die Josy hat das dann mit Leben erfüllt“, berichtet der Schriftführer der Initiative. Der Betreuer der Hippotherapie hat selber einen körperbehinderten Sohn, der an Gleichgewichtsstörungen und Spasmen litt. „Ein Jahr Hippotherapie und die Spasmen waren weg“, kann er aus eigener Anschauung sagen.
Josy Ophey kannte den Mediziner schon als Kind. Sie wollte immer was mit Reitsport machen, suchte auf Anraten des Vaters aber nach einer Möglichkeit, ihr Hobby mit einem Beruf zu verbinden. Sie stieß auf die Hippotherapie und macht Ende der 70er Jahre Kurse im Wildbad Kreuth und Oggersheim. Die 56-Jährige arbeitete 14 Jahre an der Bonhoeffer-Schule in Bedburg-Hau, ehe es zum Kontakt mit der „Aktion St. Nicolaus – Hilfe für das behinderte Kind“ kam: „Dr. Helpenstein hat mich anngesprochen, ob ich das nicht für die Aktion machen könnte.“ Sie sagte zu.
„Es war schwer, dafür ausgeglichene Pferde zu bekommen“, erinnert sich Ophey. Ein Vorstandsmitglied stellte sein Endmaßpony zur Verfügung. Von Eltern wurde ein weiteres Tier beigesteuert. Heute sind es zwei Pferde, die St. Nicolaus gehören und ein geliehenes Privatpferd, mit denen die Therapeutinnen arbeiten. „Das Pferd ist unser Therapeut“, unterstreicht Ophey. „Wir versuchen, mit der Therapie einen positiven, ganzheitlichen Einfluss auf den Körper zu nehmen“, umschreibt Ophey, worum es bei der Arbeit geht. So kann man über das 20-minütige Reiten zweimal pro Woche Gleichgewichtsstörungen lindern, auf krankhafte Muskulatur passiv Einfluss nehmen und andere physiologische Phänomene angehen.
„Bei Rollstuhlkindern zum Beispiel erfährt der Rumpf eine Art Geherfahrung“, so die Theerapeutin. „Es beeinflusst auch Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten.“ Und es bewirkt was im Kopf. „Ein schwerbehindertes Kind hat ein schweres Leben. Da kommt der Stolz durch, mal auf die anderen runterzugucken.“ Ihre Kollegin Sibylle Hendricks berichtet von einer Beobachtung ein paar Minuten zuvor. „Janine, die sonst nie spricht, hat heute zum Beispiel gesprochen.“ Viele Kinder seien durch diverse Therapien schon gelaufen, da tue es auch gut, wenn auf dem Pferd niemand was von einem wirklich will.
Das Ehepaar Martina und Gerd Küsters hat das Projekt von Beginn an unterstützt und seine Halle zur Verfügung gestellt. „Eine tolle Sache, man merkt, dass das Pferd einen Einfluss hat“, sind sich beide einig, dass es auch so weiter gehen wird. Zehn Pferde sind in den vergangenen 30 Jahren bei dieser Therapie dabei gewesen. Bei 38 Plätzen pro Jahr kann man nach zehn Jahren grob hochrechnen, dass mehrere Hundert Kinder und Erwachsene diese Hilfe in Anspruch genommen haben. „Und das ausschließlich durch Spenden“, wird Thomas Deselaers nicht müde, die Bedeutung der öffentlichen Hilfe zu betonen. Immerhin kostet allein die Hippotherapie den Verein pro Jahr um die 27.000 Euro.
Die Erfolge dieser Arbeit sind die Mühen wert. Daraus beziehe man eine Menge Motivation, betont Ophey. „Da kommen Eltern, die sagen, meine Kleine kann seit vier Wochen besser Radfahren“, ist sie manchmal überrascht „wieviel Herzblut die Kinder da reinstecken.“ Zu Hause sammeln sie Stoffpferde, fragen nach verstorbenen Pferden, gehen bei den „pensionierten“ Tieren vorbei, freuen sich Tage vorher auf die Zeit auf dem Vierbeiner.
Ein bis zwei Plätze sind aktuell noch frei. Interessiert? Bitte, an die „Aktion St. Nicolaus-Hilfe für das behinderte Kind“ wenden.