Das Gnadenbild in tausend Bildern
„Ich sehe Dich in tausend Bildern…“ – unter diesem Motto, das dem berühmten Novalis-Gedicht entnommen ist, steht die aktuelle Sonderausstellung des Niederheinischen Museums für Volkskunde und Kulturgeschichte e.V. Kevelaer. Anlässlich des 375-jährigen Bestehens der Wallfahrt ist die Ausstellung vom 1. Mai bis zum 30. Juli zu sehen. Am vergangenen Sonntag gab es eine öffentliche Führung durch die Sonderausstellung mit Veronika Hebben M.A.
„Auch von dem Kevelaerer Gnadenbild gibt es wohl tausend verschiedene Formen und Darstellungen“, sagte Veronika Hebben zu Beginn ihrer öffentlichen Führung. Sie zeigte zu Beginn verschiedene Darstellungen des Gnadenbildes und der Kirchen am Kapellenplatz, die anlässlich der früheren Jubiläen entstanden sind. Sogar im Krieg, zum 300jährigen Wallfahrtsbestehen im Jahr 1942, entstand eine Darstellung: Das Bild von Hermann Sensen trägt dabei die Inschrift: „Schütz unser Land mit starker Hand Maria in Gefahren Mutter Maria in Kevelaer.“
Die Kunsthistorikerin, die auch Archäologie und Theologie studierte und in Kevelaer geboren ist, erzählte, wie das Kevelaerer Gnadenbild entstand. Um 1500 sei in einem Baum in Scherpenheuvel im heutigen Belgien ein Muttergottesbild verehrt worden. Aus dem Holz dieses Baumes ließ Isabella Clara Eugenia von Spanien Marienbilder schnitzen. Eines davon gelangte auch nach Luxemburg. Die Luxemburger Madonna – die Mutter des Kevelaerer Gnadenbildes – sei im Jahr 1607 entstanden. Um 1640 habe die Luxemburg-Wallfahrt u.a. durch Wunder, die geschahen, einen Höhepunkt erreicht; in der Folge seien Abdrucke dieses Luxemburger Wallfahrtsbildes angefertigt und verbreitet worden. Ein Abdruck kam auch nach Kevelaer, wo dieses Bild, welches das Ehepaar Hendrick und Mechel Busmann auf göttliches Geheiß erwerben konnten, am 1. Juni 1642 feierlich in einen Bildstock eingesetzt wurde. „Kevelaer war im Jahr 1642 noch ein kleiner ländlicher Ort. Die Pilger, die hierherkamen, wurden erst noch auf Strohlagern untergebracht“, berichtete Frau Hebben. Der in Kevelaer verehrte Kupferstich der Luxemburger Madonna sei der einzig heute noch bekannte Abdruck aus dieser Zeit. „Erstaunlich, dass allein die Kopie eines anderen Gnadenbildes selber so eine große Wallfahrt auslöste“, meinte ein Teilnehmer erstaunt.
Schluckbildchen
Bald schon geschahen auch in Kevelaer erste Wunder und Heilungen: Kranke wurden gesund, Betrübte wurden wieder zuversichtlich. In einer Vitrine der Ausstellung werden Votivgaben der Pilger gezeigt, die deutlich machten, von welchen Leiden die Beter erlöst worden waren: So etwa ein rotes Wachsherz oder Beine aus Silberblech. Auch Schluckbildchen waren verbreitet: Diese kleinen gestempelten Darstellungen des Gnadenbildes auf dünnem Papier soll kranken Menschen oder Tieren zum Schlucken verabreicht worden sein in der Hoffnung, dass die Muttergottes die Heilung erbittet.
In Kevelaer wurden bald Bilder verbreitet, die nicht das Stadtbild Luxemburgs im Hintergrund zeigen, sondern Darstellungen der Kerzenkapelle, des Bildstockes bzw. der späteren Gnadenkapelle. Bald setzte auch reger Devotionalienhandel ein: Es entstanden Medaillen, Kerzen, Tabakdosen, Pfeifen, Rosenkränze oder Keramik mit dem Gnadenbild. In Oberammergau wurde sogar ein Hinterglasbild mit dem Kevelaerer Gnadenbild in Auftrag gegeben. Es entstanden Fähnchen, ein Bäcker stellte sogar Pilgergebäck mit dem Gnadenbild her. Außerdem entstanden Zierteller oder Aussteuertruhen mit der Kevelaerer Madonna.
„Das Kevelaerer Gnadenbild ist wirklich durch tausend Bilder verbreitet“, schloss Veronika Hebben ihre Führung. Weitere öffentliche Führung durch die Ausstellungen finden am 28. Mai, 11. und 25. Juni jeweils um 14 Uhr statt. Das Niederrheinische Museum hat auch eine Jahresgabe, passend zur Sonderausstellung, herausgebracht. Diese zeigt eine moderne Darstellung des Kevelaerer Gnadenbildes durch den Gocher Künstler Martin Lesch, das links und rechts zwei weitere Darstellungen Mariens darstellt. Es ist im Museumsshop für 15 Euro erhältlich, Mitglieder des Museumsfördervereins e.V. Kevelaer erhalten sie für 10 Euro. Die Jahresgabe ist in einer Auflage von 100 Exemplaren erschienen und wurde vom Künstler nummeriert und signiert.