Das Gesundheitswesen krankt
“Der frühe Vogel fängt den Wurm”, dem Geist des Sprichworts folgend, hatten sich rund 80 Teilnehmer schon recht früh zum Zukunftsforum “Gesundheit” im Hotel Klostergarten zusammengefunden. Zu dem Treffen hatte die SPD-Fraktion im Kreis Kleve eingeladen.
Man habe dieses wichtige Thema “”Gesundheit” schon länger auf dem Schirm und wolle über solche Diskussionen und Impulse wie an diesem Tag als Partei „diesen emotionalen Kümmeraspekt wieder packen“, erklärte der SPD- Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Jürgen Franken.
Im Jahr 2013 habe man mit verschiedenen Trägern einen gemeinsamen Gesundheitsbericht verfasst, sagte Norbert Killewald, SPD-Unterbezirksvorsitzender und Mitverfasser des Berichts. Die Beteiligten hätten das auch jetzt angestrebt, aber „der Kreis hat da geblockt“. Entsprechend habe man sich dazu entschlossen, die Beteiligten im Gesundheitswesen an einen Tisch zu bringen und die Ergebnisse in einem Dokument der Öffentlichkeit vorzustellen.
Regionale Experten
Aus diesem Grund hatte die Fraktion zahlreiche Akteure aus dem Gesundheitsbereich der Region eingeladen, um die diversen Aspekte des Themas auch beleuchten zu können. Das Impulsreferat hielt die Bielefelder Professorin für Gesundheitswissenschaften, Kerstin Hämel, die unter anderem die Bedeutung der quartiersnahen Versorgung und die Notwendigkeit der stärkeren Steuerung und Koordinierung der einzelnen Bereiche im Gesundheitswesen unterstrich.
Im Anschluss daran kamen an acht Thementischen die regionale Expertinnen und Experten zu Wort – darunter alle drei im Kreis Kleve tätigen Krankenhausträger mit dem Pro-Homine-Geschäftsführer Johannes Hartmann, dem Pflegedirektor Andreas Kohlschreiber für das Clemens-Hospital und Thomas Peters, Regionaldirektor des Kevelaerer Marienhospitals.
Daneben schilderten der stellvertretende AOK-Regionaldirektor Bruno Overkamp, Alexia Meyer für den Caritasverband Kleve, Regina Schüren für den Caritasverband Geldern-Kevelaer sowie Christian Nitsch als Inhaber der Clivia-Gruppe die Lage in ihrem jeweiligen Bereich.
Am Nachmittag fasste Norbert Killewald die Ergebnisse der Diskussion ausführlich zusammen. Es sei deutlich geworden, dass Gesundheit und Pflege ein wachsender Markt in den nächsten dreißig Jahren sein werden, so Killewald. So würden kreisweit 633 Pflegeplätze bis 2025 fehlen – das bedeute den Bau von acht bis zehn neuen Altenheimen, sagte der SPD-Politiker.
In der Diskussion stellte sich auch heraus, dass es richtiggehende „weiße Flecken“ wie Issum oder Rheurdt gebe, wo gar keine Pflegeeinrichtugen existierten.
Die AOK habe klargemacht, dass ein Großteil der Krankenhausaufenthalte vermeidbar seien und zu häufig ambulante Dienste in der Notaufnahme verrichtet werden müssten. Die Hospitäler erhielten zu wenig an Investitionskostenbeihilfe. „Das Land muss die Steine bezahlen“, forderte Killewald. Die Finanzierung des Systems sei in allen Gruppen ein großes Thema gewesen – genauso wie die Personalsituation in der stationären und ambulanten Hilfe und das Problem der niedergelassenen Ärzte.
34 Hausarztstellen frei
In der Diskussion sei außerdem herausgekommen, dass kreisweit 34 Hausarztstellen unbesetzt sind. „Das ist eine große Zahl, die uns nicht kalt lässt.“ Schon jetzt zeige sich in Orten wie Kervenheim, welche Auswirkungen das für die Lebensqualität der Menschen habe. „Wenn wir da nicht einschreiten, sind das Probleme, die wir in zehn Jahren gar nicht mehr eingefangen bekommen.“
Es sei klar geworden, dass es einer hohen Flexibilität und Kreativität seitens der Arbeitgeber bedürfe, um Mitarbeiter zu halten oder zu gewinnen. Man versuche das über Dienstplan-Modelle und über Mitarbeiter aus Drittstaaten, meinte Christian Nitsch von der Clivia-Gruppe. „Aber selbst mit 1.100 Euro Ausbildungsvergütung im ersten Jahr gelingt es oft nicht, Ausbildungswillige zu halten.“ Die öffentliche Hand müsse dazu ergänzend die Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuung, öffentlichen Nahverkehr oder bezahlbaren Wohnraum für Alleinerziehende verbessern.
In Sachen Schwangeren-Versorgung meinte Killewald: „Was mich erschreckt hat, war, dass wir kein Angebot für alle haben.“ Man erreiche nicht alle der 2.500 Schwangeren, da gebe es vor allem auch Sprachbarrieren.
Wichtig war bei diesem Thema auch die Diskussion um die Haftpflichtversicherung für Hebammen. „Da stellte sich die Frage, ob da Kommunen oder der Kreis nicht einspringen sollen.“ Daneben wurden auch Forderungen nach einer Senioren- und Pflegeberatungsstelle sowie einer Palliativstation im Kreis Kleve laut.
Am Ende des Forums dankte der SPD-Kreistagsvorsitzende Jürgen Franken den Teilnehmern für die konstruktive Diskussion. „Wir werden uns die Ergebnisse genau ansehen und für die nächste Legislaturperiode nutzen.“ Das Thema “Gesundheit” sei ein wichtiges Schwerpunktthema. An dem Thema zeige sich, „dass Politik anders gedacht werden muss, weniger parteipolitisch, sondern pragmatisch.“