Das Fahrzeug ist wieder da

Wenn Andreas Raulf auf seinen Audi Q7 schaut, beherrscht ihn ein Gefühl von Erleichterung. Steht doch das mit 42.000 Euro ausgezeichnete Verkaufsauto nach einer abenteulichen Geschichte wieder in der Reihe der anderen Fahrzeuge.

Für den 43-jährigen Kfz-Mechanikermeister war das, was er seit dem Sommer erlebte, eine Erfahrung, auf die er in Zukunft gerne verzichten kann.

Am 12. August stand er mit einigen Kunden in seiner Kfz-Werkstatt im Gewerbegebiet, als plötzlich „jemand angelaufen kam“, der ihm nicht so ganz geheuer erschien. „Ich habe meine Frau gebeten, ihn zu fragen, was er denn will“, erinnert sich der selbstständigen Autohändler.

Der Mann, der sich „Herr Innocenti“ nannte (was soviel wie Unschuld heißt), gab an, er sei zu einer Probefahrt angemeldet. Raulf rief daraufhin seinen Verkäufer an und sagte ihm Bescheid: „Da kommt jemand zu Dir rüber, aber pass auf.“

Nach einer Dreiviertelstunde ging der dreifache Familienvater dann selbst zu dem Verkaufshaus am Gewerbering und machte eine große Fahrzeuglücke aus, wo vorher noch der Audi gestanden hatte. „Der ist auf Probefahrt, der war ganz nett“, hörte er seinen durchaus erfahrenen Verkäufer noch sagen.

Raulf sah sich die Meldebescheinigung an, die aus Gelsenkirchen stammte, las dann den Namen des Mannes. „Das sah manipuliert aus“, war sein Eindruck. Er bat seinen Verkäufer, den Mann umgehend anzurufen. „Zurückkommen – ja, in zehn Minuten. Ich will ihn noch meiner Frau zeigen“, sagte der angebliche Wagenkäufer. Da wusste Raulf intuitiv Bescheid. „Der Wagen ist geklaut.“

Anschließend rief der 43-Jährige sofort die Polizei. Und so ging alles seinen Weg. Andreas Raulf war naturgemäß „not amused“ über den Diebstahl. „Diese Summe, die musst du einsparen können oder dafür schon viele Autos verkaufen. Das tut schon richtig weh“, macht er deutlich.

In seinem ersten Zorn lobte er auf facebook mit Bild ein Kopfgeld von 10.000 Euro aus, was aber der Internetanbieter wegen seiner „Mobbing“-Richtlinien wieder aus dem Netz nahm.

Darüber wurden aber eine große Tageszeitung und das Fernsehen auf den Fall aufmerksam. Der Autohändler äußerte sich gegenüber diesen Medien freimütig zu dem Fall, machte sich keine Gedanken darüber, ob das in irgendeiner Weise peinlich wäre.

„Ich habe mir davon schon etwas versprochen“, sagt er heute. Und es sollte auch eine Mahnung an andere Kollegen seiner Branche sein, bei ihren Verkaufsgeschäften aufmerksam zu sein. „Was uns passiert ist, kann jedem passieren. Da muss jeder ganz genau hinsehen.“

Vor gut zwei Wochen erhielt Raulf dann „morgens um 7 Uhr“ einen Anruf der Polizei, die ihn fragte, „ob ich den Audi Q7 zurückhaben will.“ Natürlich wollte er. „Ich hatte ihn nach den ganzen Wochen eigentlich schon abgeschrieben. Ich dachte, der ist schon komplett zerlegt oder fährt irgendwo in Afrika.“

Die Geschichte der Rückkehr könnte aus einem Kriminalroman stammen. „Wegen der Medienprä-senz ist zunächst eine Frau wohl darauf aufmerksam geworden“, erzählt Raulf. Von der Kripo erfährt er dann, „dass der Wagen in einem Autokino mit gefälschten Papieren für 29.000 Euro verkauft worden worden ist.“

Ob der „Herr Innocenti“ oder jemand anders diesen Verkauf getätigt hat, „hat man mir nicht gesagt“, erklärt Raulf. Schließlich fällt den Behörden bei der Zulassung des Autos auf, dass das gleiche Auto mit derselben Nummer bereits in Düsseldorf fuhr. Und so flog der Handel schließlich auf.

„Wenn ich als Privater in ein Autokino gehe, um ein Auto zu kaufen, und dann ein Fahrzeug in der Größe bar bezahle, ist das noch verwerflicher“, findet Raulf. Noch dazu wurde der Wagen weit unter dem marktüblichen Preis verkauft.

Die ganze Geschichte konnte also von Vornherein nicht sauber gewesen sein. „Ich hätte den so nie gekauft“, ist sich der erfahrene Meister ganz sicher. Er ist froh, dass er den Wagen wieder zurückhat. Denn einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs nach muss ein Käufer nur den „gutgläubigen Erwerb“ nachweisen, um das gestohlene Auto behalten zu können. „Ich war glücklich ohne Ende, das war wie ein zweites Weihnachten.“

Der Fall hat aus einem weiteren Grund noch eine Besonderheit. „In Esssen sollen vor zwei Jahren 2.500 Blanko-Fahrzeugbriefe geklaut worden sein, sagte der Beamte.“ Mit diesem Fahrzeugbrief sei auch sein Auto verkauft worden. „Das finde ich schon heftig“, sieht der Kfz-Meister die kriminelle Energie, die sich bei dem Diebstahl und dem Verkauf erwiesen hat.

Aus der Geschichte hat Raulf Konsequenzen gezogen. „Wir haben sofort Kameras mit Aufzeichnung installiert. Und bei Autos ab 10.000 Euro fährt immer einer mit.“

Das gelte natürlich nicht bei einer Familie mit Kindern, die man gut aus dem Ort kennt und wo man sich darüber nicht eine Sekunde Gedanken machen muss. „Aber wenn jemand von auswärts kommt, begleiten wir den bei der Fahrt.“ Und sei das Fahrzeug teurer, käme ein GPS mit hinein, um eine Nachverfolgung des Autos möglich zu machen.

Natürlich habe man schon mal von Kollegen einen „blöden Spruch“ kassiert. Aber niemand sei vor einer solchen Situation letztendlich gefeilt. „Deshalb habe ich es auch so publik gemacht, um andere zu warnen.“ Für die Zukunft fände er eine App sinnvoll, wo man alle Händler über neue Machenschaften von Kriminellen direkt informieren kann. „Das würde sicher ganz viel bringen.“