Geschichten über Menschen aus Kevelaer und Ortschaften

Ein musikalischer Netzwerker

Musikalisch immer wieder offen sein und Menschen verbinden – das sind zwei Grundkonstanten im Leben von Wolfgang Czeranka, der am 9. März 1969 in Sögel geboren wurde. „Magnetschwebebahn, Meppen und 2. Bundesliga, 30 Kilometer Schutzgrenze zu den Ostfriesen“, nennt er ein paar Stichworte, die den Ort lokalisieren.
Der Großvater war Lehrer in Schlesien, der Vater Oberstufenkoordinator am Gymnasium. „Ich wusste schon früh, dass ich Lehrer werden würde, auch wenn der Weg zum Musiker da war.“
Seine Wegbegleiter von klein auf waren Mozarts Klaviersonaten und die Winterreise von Schubert, die der Vater spielet. Im Radio lief von morgens bis abends Radio Hilversum 3. Und noch heute kann Czeranka auf das Wissensreichtum seiner Mutter in Sachen klassischer Musik zurückgreifen. Mit sechs Jahren begann er eine klassische Klavier-Ausbildung, spielte sich im Familenensemble bis zu seinem zehnten Lebensjahr von Sopran- bis Bassflöte im Quartett durch die verschiedene Register.
Beim Onkel hörte er dann mit zwölf Jahren zum ersten Mal Pop. „Der hatte eine erstklassige Revox-Tonbandmaschine. Ich setzte die Kopfhörer auf – und dann lief „Help“ von den Beatles.“ Eine Initialzündung für den jungen Wolfgang und seinem Bruder – und der Auftakt zu einem vielfältigen Musikerdasein.
Die beiden gründeten ihre erste Band, den Klassikunterricht brach der junge Wolfgang dafür ab. Bis zum Studium spielte er sich ohne Lehrer durch die klassische Klavierliteratur. „Das ist ein Ding, was ich echt bedauere“, meint er heute.
Mit Sandro Giampietro, der schon als Junge Hendrix und Van Halen spielen konnte, vereinte er in der Band „Allegro“ klassische Musik mit Hardrock und tourte mit Eigenkompositionen durchs Emsland.
Daneben organisierte Czeranka in der katholischen Kirche einen Jugendtreff, rockte mit Jungs in der evangelischen Kirche. Und der Bruder des weltberühmten Jazzpianisten Keith Jarrett, Chris, spielte regelmäßig zu Weihnachten in der evangelischen Kirche.
Der junge Wolfgang probierte sich in Jazzclubs in Köln, spielte in Düsseldorf beim Kirchentag 1986 vor über 10.000 Menschen. „Wir haben auch vor von Weizsäckers gespielt und wurden in die Villa Hammerschmidt eingeladen. Ich habe alles einfach gemacht, weil es in mir war.“
Musik und Sport

Nach Abitur und 24 Monaten Zivildienst studierte Czeranka erst Geschichte und Geografie, machte dann seine Musik-Aufnahmeprüfung und konzentrierte sich am Ende seines Studiums in Dortmund und Bochum auf Musik und Sport auf Lehramt.
Anfang der 90er gründete er in das Jazzduo „Clavea“ mit der Essener Jazzsängerin Birgit Zacher, spielte über mehrere Jahre in einer Hohenlimburger Punkrockband und stieg als Gitarrist und Keyboarder in der Dinslakener Coverband „Meet the Beatles“ ein. Daneben war er langjährig in einem Essener Renaissance-Chor und einem Dortmunder Ensemble, das auf die Chorliteratur des 20. Jahrhunderts spezialisiert war, aktiv. Dabei knüpfte er weiter viele musikalische Kontakte. „Daher kenne ich auch die Dani“ – gemeint ist Daniela Rothenburg, die häufig bei der „Scala Jazz Band“ singt. In seinem anderen aktuellen Projekt „Scala Groove Band“ spielt der Krefelder Gitarrist Thomas Ratz mit. Mit ihm teilte er sich in Dortmund über Jahre gemeinsam eine WG.
Nach dem Referendariat in Duisburg reiste er mit seiner Frau um die Welt. 1999 erhielt er am Gymnasium Straelen eine Stelle als Musiklehrer, sie zogen dorthin. Ein Jahr später bauten beide eine Scheune in Weeze-Wemb zu Ihrem neuen Zuhause um. Sohn und Tochter kamen zur Welt.
Bei Fortbildungen im Bereich Jazz – unter anderem in der Jazzhausschule Köln und der Europäischen Jazzakademie – traf er auf Koryphäen wie Peter Herbolzheimer und Jiggs Whigham, gründete mit seinem Bruder ein Jazztrio und trat unter anderem auch in Kevelaer auf.
In der Zeit begründete er in Straelen die Big Band „Director’s Cut“, die seit fast 20 Jahren regional und überregional unterwegs ist. Mit ihr wird er in diesem Jahr zum dritten mal in Kooperation mit dem KvGGG zur „Maymusic“ im Kevelaerer Bühnenhaus zu hören sein. Außerdem organisiert er das Projekt „music connects“, eine euregionale Produktion mit einer Bigband von der Gaesdonck und aus Venlo. Nach dem Tod seiner Frau zog er sich aus der aktiven Szene zurück, komponierte bisher noch unveröffentlichte Musik. 2014 ging er dann auf die Weseler „Kulturnacht“, lernte dort Musiker kennen. Und er spielte wieder. Denn unter den neuen Bekannten fand sich auch der Bassist Hanns Hübner. So entstand die „Scala Jazz Band“, die seit 2014 regelmäßig im „Scala“ in Wesel auftritt.
Czeranka schloss sich der deutsch-niederländischen Band „Hands up“ aus Nijmegen an, spielt in der Lehrerbigband NRW – auch mit seinem alten WG-Mitbewohner Thomas Ratz, mit dem er in Kevelaer die neunköpfige Soulband „Scala-Groove“ begründet.
Bei Czeranka reifte dann die Idee, mit dem Kern der „Scala“-Band und ambitionierten Musikern das aktuelle Live-Projekt nach Kevelaer zu holen. Jutta Pesch-Braun vom „Goldenen Apfel“ war der Idee gegenüber aufgeschlossen. Er fragte aber im „Goldenen Löwen“ höflicherweise nach, ob das okay ist. „Da war zu dem Zeitpunkt auch Pause im „Löwen“ mit den Konzerten.“
Seit 2017 läuft jetzt die Reihe. „Da ist so eine richtige Netzbörse draus geworden“, sagt Czeranka. Neue Musiker treffen sich, tauschen sich aus, verabreden sich neu, und alte Freunde schneien rein. „Wir werden die 25 feiern“, signalisiert er, dass für ihn damit noch lange nicht Schluss ist.
Und im Mai wird er den Theaterchor mit einer extra von ihm zusammengestellten Band musikalisch unterstützen. Mit der Lebensphase im Moment ist der Vollblutmusiker zufrieden. „Für mich ist alles okay, wenn das Berufsleben gut läuft und das hier auch.“

1000 Stimmen für die Brüderlichkeit

Seit einigen Jahren dirigiert und komponiert der Niederländer Tom Löwenthal in der Wallfahrtsstadt – ein Mensch, der für seine Musik lebt und sie mit der Portion Leidenschaft vermitteln kann, die es braucht, um von ihr begeistert zu sein.

Im Laufe seines jahrzehntelangen Schaffens hat er viele große Projekte verwirklichen können – der vergangene Samstag dürfte aber als eines seiner schönsten Karriereerlebnisse in seine Vita mit eingegangen sein.

Denn in Eindhoven wurde zu Ehren des niederländischen Theolologen und Dichters Huub Osterhuis, der 85 Jahre alt wurde, das große Oratorium „Lied van de Aarde“ aufgeführt.
Interpretiert wurde das einstündige Oratorium von dem Orchester „La Passione“ aus Lier bei Antwerpen und dem „Kamerkor Helicon“ unter der Leitung von Geert Hendrix.

„Das Oratorium mit dem Lied von der Erde hab ich 1989 geschrieben mit viel Vergnügen und Spaß“, zeigte sich Löwenthal nach dem Konzert begeistert. „Die belgischen Leute haben das super gemacht. Es hätte sicher etwas kräftiger und theatralischer sein können, aber ich muss nicht unzufrieden sein“, sprach aus diesen Worten auch eine gehörige Portion Stolz.

Denn in Anwesenheit des Jubilars boten die Ensembles eine klang- und gesangsmächtige Umsetzung des Stücks mit dem Text von Osterhuis, das von dem Chaos auf der Erde und dem Unvermögen der Menschen kündet, die Erde und die Natur zu bewahren.

„Die Musik ist polystilistisch gedacht – ein bisschen im Stil von Eisler und Weill, mit etwas Bach und Latin“, erläuterte der Komponist danach. „Das hat gut funktioniert, die Stile ergänzen sich schön“, war sein Eindruck.

Aus dem Dialog Gottes (fantastisch: die Sopranistin Dani van Hoog als „Gott“) mit dem Realisten geht am Ende die Botschaft hervor, dass die Menschen sich ändern können und sie „Aarde.Deze. Enig denbare. Rond en blau in de ruimte“ bewahren können.

„Dieses Stück bleibt immer aktuell, diese Umweltfrage, das hat Huub Oosterhuis damals schon wie ein Prophet vorhergesehen“, sieht Löwenthal fast drei Jahrzehnte nach der erstmaligen Aufführung, dass dieses Problem drängender ist denn je. „Und auch diese Sache mit den orthodoxen Radikalen, mit Islam und dass so viele Leute denken, die Wahrheit zu haben.“

Danach trat der 64-Jährige selbst als Dirigent an das Pult und führte zusammen mit dem Amsterdamer „Koor Helicon“, den er am Wochenende teilweise noch bei sich zu Hause zur Probe versammelt hatte, sechzehn moderne Kirchenlieder mit Texten des 85-Jährigen auf.

Selbst komponiert

Viele der Lieder hatte Löwenthal selbst komponiert, dazu kamen Bearbeitungen von Arjen van Baest und Antoine Oomen. Arrangiert hatte der 64-Jährige dann alle 16 Stücke – und er dirigierte selbst dabei die Chorsänger, das Orchester und die 1060 Menschen im Publikum, die alle mitsangen.

„Für mich war das eine Premiere, die Kirchenlieder, die orchestriert sind, mit einem ganzen Saal zu singen“, wurde dem Komponisten danach bewusst, dass das etwas war, „was Du nicht alle Tage so erlebst.“

Für den Zuhörer im Saal war es eine durchweg magische Stunde – allein aufgrund der gewaltigen Macht der Musik und der zusammen singenden Stimmen, die das moderne Gebäude mit ihrem Klang förmlich erstrahlen ließen. Und Lieder wie „Die mij drug“ („Der mich trug“) besaßen eine so emotionale Wucht, dass bei einigen die Augen nicht mehr trocken blieben.

Dazu kam das mit ganzem Körpereinsatz geführte Dirigat von Löwenthal, der danach gestand: „Ich weiß, ich bin ein thetralischer Dirigent. Ich habe versucht, die Menschen zu begeistern, und wenn ich sie richtig anfeuere, finden die Leute das schön.“

So sah es auch Huub Oosterhuis selbst, der danach für sein Lebenswerk und die 1000 Bücher mit all seinen Texten warb. Danach forderte er die Regierung – stellvertretend für viele andere Flüchtlinge in den Niederlanden – auf, eine von Ausweisung bedrohte Familie in einer Kirche in Katwijk zu verschonen. „Bewahrt mir mein freundliches Holland“, lautete sinngemäß seine Botschaft des Tages: „Für die Brüderlichkeit.“

Tom Löwenthal will den Eindhoven-Impuls gerne weiter nach Kevelaer transportieren. „Sowas wie das Mitsingen, das brauchen wir auch am Kapellenplatz mit Orchester“, das wäre sein Traum für den Krippenmarkt. Und vielleicht könne man ja eines Tages auch das Oratorium in Kevelaer zusammen mit Akteuren vor Ort verwirklichen.

Ehemalige Kevelaerer „Singschwester“ verstorben

Wenn zwischen 1979 bis 2011 (und auch später) jemand in Kevelaer von der „Singschwester“ sprach, wussten viele wer gemeint war. Schwester Ferdinande, eine Lebenskünstlerin und Frohnatur par excellence, begeisterte und inspirierte die Menschen in ihrer Umgebung mit ihrer Musik. Am 3. Januar 2018 verstarb Schwester M. Ferdinande, Antonia Bromenne, die am 7. Juni 1936 in Haltern geboren wurde, im Maria-Ludwig-Stift in Dülmen.

Musik war ihre Passion, und als sie 1965 in die Ordensgemeinschaft der „Barmherzigen Schwestern von der allerseligsten Jungfrau und schmerzhaften Mutter Maria“ (Clemensschwestern) in Münster eintrat, war für sie der größte Wunsch, den erlernten Beruf als Masseurin und medizinische Bademeisterin gegen den einer Organistin und Musiklehrerin zu tauschen. „Ich möchte andere Menschen mit der Musik erfreuen“, sagte sie damals. Sie hat diesen Berufswunsch umsetzen können, zunächst als Musikstudentin, dann als Organistin, Musiklehrerin in der Gemeinde und in der Jugendmusikschule für Flöte, Klavier und Orgel.

1978 reiste Schwester M. Ferdinande zur Aushilfe für acht Monate nach Ruanda. Hier half sie in der Mütterschule und bereitete den Menschen viel Freude mit ihrer Musik. 1979 kam sie ins Provinzialat nach Kevelaer. Zu ihren umfassenden Aufgaben gehörte die Tätigkeit als Organistin und Chorleiterin für die Gemeinschaft und aushilfsweise in der Gemeinde St. Antonius, das Einüben des Offiziums und die Gestaltung von Jubelfesten und anderen Feiern der Gemeinschaft sowie der Exerzitiengottesdienste.

Ehrenamtlich setzte sie sich, bis zu ihrem Weggang aus Kevelaer, in der JVA Geldern-Pont ein. Im September 1984 wurde sie hauptamtliche Organistin und Chorleiterin in der Gemeinde St. Antonius in Kevelaer. Vielfältige Aufgaben behielt Schwester M. Ferdinande bei, als sie für zwei Jahre im Hospital zum Hl. Geist in Kempen, sechs Jahre im Marienhospital Kevelaer und drei Jahre in der Gemeinde in Sassenberg tätig war. Von hier aus zog sie 2014 ins Maria-Ludwig-Stift Dülmen.

Neben vielen Erinnerungen aus Altenkreisen oder Meditationsandachten, von musikalischer Begleitung der Gottesdienste in der Kapelle des Marienhospitals und zahlreichen Unterrichtsstunden, die sie kostenlos Schülern gab, die Klavier lernen wollten, bleiben ihre Kompositionen anlässlich der Seligsprechung von Schwester M. Euthymia, die ebenfalls Clemensschwester war.

Viele Menschen in Kevelaer werden sich noch lange an die „Singschwester“ erinnern.

Die Beerdigung von Schwester M. Ferdinande, Antonia Bromenne, findet am Dienstag, dem 9. Januar 2018 in Dülmen statt. Das Auferstehungsamt wird um 8.30 Uhr in der Kapelle des Maria-Ludwig-Stiftes gefeiert, anschließend ist die Beisetzung auf dem Friedhof.  Jörg von der Höh

Unerwarteter Besuch von Johannes Oerding

Da staunte Maria Wassenberg aus Kapellen nicht schlecht. Denn plötzlich und völlig unerwartet stand der deutschsprachige Popsänger und Songwriter Johannes Oerding („Wenn sich alles in Kreisen bewegt…“), vor ihr und stattete der 94-jährigen Dame einen Besuch ab.
Schon seit einigen Jahren ist Maria Wassenberg Fan von Johannes Oerding, schwärmt regelrecht von seiner Musik und seinen Texten. „Die kann man wenigstens verstehen“, so ihr fachmännisches Urteil. Schließlich wuchs der Popstar in Kapellen auf, ist deshalb im Ort und für Maria Wassenberg kein Unbekannter. Zwar stand ein Besuch ihres Schwarms ziemlich oben auf der Wunschliste, dass dieser Wunsch jedoch eines Tages in Erfüllung gehen würde, daran glaubte sie eher weniger.
Ihre Pflegerin Petra Baaken, die aus dem Achterhoek kommt, fädelte schließlich einen Kontakt ein. Und so schaute der Popstar während eines Heimatbesuches beim wohl ältesten Fan in Deutschland vorbei und erfüllte damit einer sichtlich erfreuten Dame einen Herzenswunsch.

Viel Applaus für den Moskauer Organisten Alexander Fiseisky

Er gilt als einflussreichster und bedeutendster Organist Russlands. Im Bach-Jahr 2000 hatte Professor Alexander Fiseisky aus Moskau viermal das gesamte Orgelwerk von Johann Sebasian Bach aufgeführt, einmal davon als „Bach-Marathon“ an einem einzigen Tag in Düsseldorf.
Durch dieses Mammutprojekt kam der international wirkende Orgelsolist ins Buch „Rekorde des Planeten Erde“. Eine Kostprobe seines virtuosen Könnens präsentierte er nun an der Seifert-Orgel der Marienbasilika.
„Schon als er den Bach-Marathon absolvierte, habe ich Professor Fiseisky bewundert“, bekannte Basilikaorganist Elmar Lehnen in seiner Begrüßung. Vor 25 Jahren, so Lehnen, habe er Fiseisky in Mönchengladbach kennengelernt. Auch an der Seifert-Orgel habe der Orgelvirtuose schon konzertiert. Dass an der größten deutsch-romantischen Orgel der Welt bei diesem Konzert auch viel Musik von Bach (1685-1750) zur Aufführung kam, freute Elmar Lehnen besonders, denn „Bach kommt an dieser romantischen Orgel gewöhlich zu kurz.“
Sechs Stücke von Bach
Sechs Stücke des Thomaskantors bildeten den Auftakt des Konzertes. Nach dem strahlenden und an Läufen reichen Praeludium in G-Dur (BWV 568) folgte das weithin bekannte „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 645), gefolgt von dem zart registrierten „Meine Seele erhebet den Herrn“ (BWV 648). Mit vielen Zungenregistern folgte die Fuga sopra il Magnificat (BWV 733), die bewegte Fantasie in a-Moll (BWV 561) und zum Ende des Bach-Programms die Fantasie G-Dur (BWV 572). Nach dem abwechslungsreichen Bach-Repertoire folgte die Sonata in c-Moll (op.65, Nr.2) des deutschen Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), das „Gebet ohne Worte“ des russischen Schriftstellers und Komponisten Wladimir Odojewski (1803-1869) und das Präludium G-Dur des deutschen Komponisten und Organisten Constantin Homilius (1840-1918).
Den Abschluss bildete das Orgelwerk „Hell und dunkel“ der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina (*1931). Das einzige Stück des Konzertes, das von einer Frau komponiert wurde, bildete auch harmonisch eine Ausnahme, weil es sich keiner Musikrichtung einordnen lässt.
Die Komponistin schuf ein Stück, das mit seiner Spannung zwischen ganz hohen und ganz tiefen Tönen, mit vielen dissonanten Zweiklängen, vielen Trillern und Spannungsbögen faszinierte. Der Organist musste bei diesem Stück auch die ganze Handfläche und den Ellbogen einsetzen, um eine Klangwucht zu fabrizieren, die faszinierte. „Man kann diese Musik nur live erleben“, fand ein Ehepaar aus Bocholt dieses Stück einfach fantasistisch. „Die Orgel lebte richtig.“
Lob von allen Seiten
Auch aus dem evangelischen Pflegeheim in Orsoy war ein Kleinbus angereist. Eine 96-jährige Bewohnerin, selbst Pianistin, war mit ihrem Rollstuhl dabei und war voller Staunen über die dargebotene Virtuosität. Professor Alexander Fiseisky erntete für seine anspruchsvolle Orgeldarbietung höchstes Lob. Er selbst zeigte sich beeindruckt von der Seifert-Orgel und bekannte: „Es ist immer wieder ein Erlebnis, auf dieser Orgel zu spielen. Elmar Lehnen hat einen unglaublichen, großartigen Arbeitsplatz.“

„Bleiben wir im Gebet miteinander verbunden“

Weihbischof Rolf Lohmann hat in Kevelaer sein erstes Pontifikalamt gefeiert. Musikalisch umrahmt wurde dieses durch den Basilikachor und das Basilikaorchester unter Leitung von Elmar Lehnen, die eine Messe des spätbarocken Komponisten Antonio Caldara zu Gehör brachten.
Zu Beginn der Hl. Messe wurde dem frisch geweihten Weihbischof durch Dr. Edmund Bercker im Namen der ganzen Pfarrei St. Marien das Brustkreuz, das Pektorale, überreicht. Dr. Bercker äußerte dabei den Wunsch: „Bleiben Sie Pastor für die Menschen in Ihrer Region! Wir wünschen Ihnen Gottes Segen und den Schutzmantel der Consolatrix Afflictorum.“
Dankend nahm Bischof Lohmann das Pektorale entgegen und erklärte, dass er den Bischofsstab bewusst als Hirtenstab gewählt habe und den Dienst als Pastor immer als bereichernd empfunden habe.
In seiner Predigt ging er auf das Gleichnis vom Sämann ein, der Samen auf den Acker streute, von denen ein Teil aufging, ein anderer nicht. „Achten wir mehr auf das, was aufgeht, oder auf das, was nicht aufgeht?“, fragte er. Er erzählte, dass er die acht Tage zurückliegende Bischofsweihe als sehr aufrichtend empfunden habe: „Viele stärkten mir den Rücken. Das spornt mich an, Licht der Welt zu sein und mich nicht beim Dunkel aufzuhalten.“ Viele in der Kirche würden aufgrund des Rückgangs von Taufen und Eheschließungen, der zurückgehenden Kirchenbesucherzahlen und der steigenden Kirchenaustritte resignieren.
Seelsorge, nicht Zahlensorge
Es gelte Seelsorge, nicht Zahlensorge zu betreiben. „Die Freude am Evangelium geht durch die Kritik teils ganz unter. Sauertöpfe können keinen Menschen gewinnen. Das ist der absolut falsche Weg“, gab er zu bedenken. Es gelte, die „Brille Gottes“ aufzusetzen, der den Erfolg sieht, auch wenn er zunächst klein und unscheinbar ist. Es lohnten sich, so sein Appell, alle Mühen der Vorbereitung der Kinder auf die Erstkommunion oder die Firmung, es lohne sich das Gebet um Priesterberufungen, denn „aus Kleinem kann Gott so viel machen. Trauen wir ihm eine reiche Ernte zu!“, so Weihbischof Lohmann.
Nach der Heiligen Messe folgte das Angelus-Gebet vor dem Gnadenbild. Am Ende richtete sich der neue Weihbischof in einigen persönlichen Worten an die Menge und gestand: „Am Tag der Weihe war ich äußerst nervös, doch ich merkte, dass ich vom Gebet Vieler getragen und gehalten war. Das war wohltuend und bestärkend. Bleiben wir im Gebet miteinander verbunden.“
Auf dem Weg zurück in die Sakristei segnete er einige Kinder und zeigte einem Mädchen aus Köln, das Ida heißt, das Bild der hl. Ida auf seinem Bischofsstab und erklärte ihr, dass er 14 Jahre lang als Pastor in St. Ida Lippetal-Herzfeld wirkte. Eine Afrikanerin aus Kamerun, die in Xanten lebt, war extra angereist und ließ am Ende ein besonderes afrikanisches Instrument hören, das Njas heißt und über den ganzen Kapellenplatz zu hören war. „Dieses Instrument wünscht Glück. Bischof Lohmann hilft vielen Afrikanern und ich wollte ihm danken!“

Pastor Lohmann ist nun Bischof Lohmann

Im St.-Paulus-Dom Münster wurde Pastor Rolf Lohmann durch Bischof Dr. Felix Genn, Weihbischof Wilfried Theising und dem niederländischen Weihbischof Theodorus Hoogenboom aus Utrecht zum Bischof geweiht. Lohmann ist nun als Weihbischof für die Region Niederrhein zuständig.
Viele hundert Menschen nahmen an der Weihefeier im Dom und am anschließenden Fest im Priesterseminar teil. Gut 200 waren aus Kevelaer angereist, um dem beliebten Geistlichen Glück und Segen für sein neues Amt zu wünschen.
Mit drei Bussen und in PKW waren die Kevelaerer gekommen. Bürgermeister Dr. Dominik Pichler und seine Frau Silvia hatten sogar ihren Jüngsten, den erst wenige Monate alten Anton, zur Weihe mitgenommen. „Wir hatten immer harmonisch zusammengearbeitet. Es ist schade, dass wir unseren Pastor nun an ein höheres Amt abgeben müssen“, sagte Pichler. Auch Diakon Jan Klucken, der viele festliche Liturgien mit dem Pastor gefeiert hatte und dem frisch geweihten Weihbischof als Diakon beim Pontifikalamt zur Seite stand, ist traurig über seinen Weggang.
Dem Empfang im Priesterseminar ging eine zweieinhalbstündige Weiheliturgie im St.-Paulus-Dom voran. Die musikalische Leitung lag bei Domkantorin Verena Schürmann und Domkapellmeister Alexander Lauer. Unter ihrem Dirigat sorgten drei Chöre, eine Sopranistin und ein Bläserensemble für Gänsehautfeeling. „Ganz große Klasse“, so Annegret Beckedahl über die musikalische Gestaltung. Hildegard Scheike fügte an: „Die Musik war himmlisch. Viele Tränen sind bei mir geflossen.“
Mehr als 20 Bischöfe aus Deutschland, den Niederlanden und dem Niger, unzählige Fahnen­abordnungen, Scharen von Priestern und Ministranten sorgten für einen triumphalen Ein- und Auszug. In der Predigt erinnerte Bischof Genn an das Wort des hl. Bischofs Augustinus: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof.“ Das Bischofsamt solle nicht zu Stolz verleiten, sondern der Bischof müsse dieses von Gott verliehene Amt im Dienst für die Mitmenschen tragen.
Vor der Weihe wurde Pastor Lohmann nach seiner Bereitschaft gefragt, das Amt recht zu verwalten, das Evangelium zu verkünden und am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken. „Mit Gottes Hilfe bin ich bereit“, erwiderte Lohmann. Bei der Anrufung der Heiligen unmittelbar vor der Weihe legte sich Pastor Lohmann flach auf den Boden als Zeichen der Ganzhingabe an Gott. Anschließend kniete er sich hin, während die beiden Diakonen das Evangelienbuch über seinen Kopf hielten als Zeichen, dass er unter dem Wort Gottes stehe, das Schutz gibt. Kniend legten ihm dann Bischof Genn und alle anderen Bischöfe die Hand auf. Anschließend sang Bischof Genn das Weihegebet. Als Teilhabe des Bischofs am Priestertum Christi wurde ihm dann das Haupt mit Chrisam gesalbt.
Bischofsring, Mitra, Pektorale und Hirtenstab
Anschließend wurden Lohmann das Evangeliar und seine Insignien überreicht: Bischofsring, Mitra, Pektorale und Hirtenstab. Als Zeichen der Zugehörigkeit zum Bischofskollegium umarmten ihn alle Bischöfe. In einer kurzen Ansprache am Ende des Gottesdienstes dankte Lohmann seiner Mutter, die ihm das Leben schenkte, und allen, die ihm den Glauben vorgelebt haben. Er gratulierte seinem Bruder Franz zum Geburtstag und dankte allen Menschen, die ihm in den Stationen seines Wirkens ihr Vertrauen geschenkt haben, allen, die ihm die Insignien schenkten und ihm ihre Glückwünsche zukommen ließen. „Ich erbitte euer Gebet“, sagte er und fügte an: „Der Niederrhein ist mir ein Zuhause geworden. Das sagt ein waschechter Westfale!“
Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm, zu dem Lohmanns Heimatgemeinde Westtünnen gehört, verriet: „Wir haben uns immer schon gedacht, dass Du zu Höherem berufen bist.“ Kaplan Christoph Schwerhoff überbrachte die Glückwünsche der Pfarrgemeinde St. Marien.
Während beim Gottesdienst Weihrauchschwaden zum Himmel stiegen, tat es im weltlichen Teil der Feier der Rauch der Grillstände. „Hier ist alles super organisiert, man muss gar nicht lange anstehen und hat sofort Getränke oder frisch Gegrilltes“, freute sich Brigitte Haesters. Herzlich schüttelte Bischof Lohmann viele hundert Hände, umarmte die Menschen und scherzte. Jan Klucken zum Beispiel setzte er kurz seinen violetten Pileolus auf.
Zu den Gratulanten gehörten unter anderem Bundesumweltministerin Barbara Henricks, die aus Kleve stammt und Goldschmied Norbert van Ooyen, der den Bischofsstab aus Silber und Ebenholz anfertigt hatte. 110 Stunden in acht Tagen habe er dafür gebraucht.
Auch Georg Seegers, der den Bischofsring anfertigte, war angereist und spielte mit dem Kevelaerer Musikverein zünftig auf. Erzbischof Laurent Lompo aus dem Niger überreichte einen bunten Bischofsstab, der von den Tuareg angefertigt wurde. Mitarbeiter von St. Ida in Herzfeld übergaben Lohmann eine riesige Torte, die mit Bildern seiner Stationen verziert war. Bischof Genn, der dabei stand, meinte: „Das ist so schön, dass man es nicht essen kann!“
Kollekte für Kinder in Syrien
Dass der neue Bischof aber nicht nur gut feiern kann, sondern immer auch ein Auge für die Notleidenden hat, zeigt, dass er die Kollekte des Pontifikalamtes für Pater Firas Lutfi in Aleppo in Syrien bestimmt hat. Dort gibt es Therapiemöglichkeiten für kriegstraumatisierte Kinder und Jugendliche.
Bis September bleibt Lohmann noch in Kevelaer. Am Sonntag wird er sein erstes Pontifkalamt als Bischof Lohmann feiern.

Rotary Club Kevelaer hat einen neuen Präsidenten

Wir sind die jungen Wilden“, scherzte der zukünftige Präsident Ludger Merten beim Plausch mit seinem ein Jahr älteren Vorgänger, den 49 Jahre alten Kevelaerer Zahnmediziner Dr. Michael Möser, im kleinen Foyer des „Küchen-Life“-Landcafés.
Zahlreiche Clubmitglieder aus Kevelaer und Umgebung sowie Gäste waren gekommen, um der Staffelübergabe vom alten an den neuen Präsidenten beizuwohnen. „Wir haben viel auf den Weg gebracht“, bilanzierte Möser kurz vor seinem Abschied, um später deutlich zu machen, dass so manche Satzungsdebatte nicht ganz ohne gewesen sei. „Aber wir haben sehr viele Projekte verwirklicht“, zählte er die in Kevelaer seit drei Jahren mit wachsenden Teilnehmerzahlen ausgerichtete Oldtimer Rallye und den rotarischen Kalender dazu. Danach bedankte er sich bei seiner Ehefrau für die Unterstützung der vergangenen zwölf Monate.
Im Rahmen der Präsidentschaftsübergaben hatte der scheidende Präsident Michael Möser noch die angenehme Aufgabe, eine besondere Auszeichnung an ein verdientes Mitglied weiterzugeben. Er übergab den „Paul Harris Fellow Preis“ an den Fahrtenleiter der Oldtimer Rallye, Dr. Wolfgang Ruhs, der sich für die „besondere Ehre“ bedankte.
Der neue Präsident Ludger Merten kündigte an, in den kommenden Monaten Projekte wie die Oldtimer Rallye (26. August) zugunsten des „Imole-Lichtstärke“-Projekts des Kevelaerer Mediziners und Mitglieds Abiodun Ogundare oder das Rotarier-Konzert in der Basilika (11. November) und den Adventskalender weiterzuführen. Der Kevelaerer Unternehmer regte einen neuen Schülerpreis an und warb für die Akquirierung neuer Mitglieder. „Man musss das Rotary-Rad nicht neu erfinden, aber mit Dynamik und Leben erfüllen“, lautete seine zentrale Aussage an diesem Abend.
Dabei machte er am Rande der Veranstaltung deutlich, dass sich die Rotarier insgesamt in einem grundlegenden Wandel befinden. Der frühere Eindruck schwinde langsam, es handele sich da um einen elitären Klub älterer, gut betuchter Menschen. „Wir haben hier einen relativ jungen Klub und wir öffnen uns auch zunehmend für junge Persönlichkeiten.“

Die einstige Geschäftsfrau und Politikerin Christel Janßen wird 65 Jahre alt

Christel Janßen ist eine Frau, die immer viele „Beinamen“ hatte: Ehe-Frau, Geschäfts-Frau, Haus-Frau und Rats-Frau. Vor allem ist und war sie Mutter ihrer drei Kinder Theo, Ralf und Kristina. Am Dienstag, 25. April, wird sie 65 Jahre alt.
Längst ist ihre Familie gewachsen. Die acht Enkelkinder Johanna, Lisanne und Elias, Anton, Josephine und Marleen sowie Titus und Cora zählen dazu. Jeden Mittwochnachmittag feiert Christel Janßen mit ihrem Mann Theo und den Enkeln an der Biegstraße Oma-und-Opa-Tag. „Oma“ backt Brot (und kocht liebend gern); „Opa“ spendiert hausgemachtes Schokoladeneis. Dann wird gespielt.
„Meine Familie war und ist der Mittelpunkt meines Lebens; und sie ist mein Ruhepol“, sagt Christel Janßen. Den hatte sie in ihrer aktiven Zeit als Geschäftsfrau und selbstbewusste Politikerin nötig.
Christel Janßen kommt 1952 auf dem Leukerhof an der Walbecker Straße zur Welt und freut sich noch heute darüber, „dass mein Bruder Theo und ich nicht verwöhnt wurden“. Sie leben vom eigenen Hof, schon als Kind packt sie mit an, brät abends die Kartoffeln und füttert die Hühner. Sie ist dankbar für Vater Theo († 1989), der den Schalk im Nacken hat, und für ihre zurückhaltende Mutter „Berni“ Bernhardine († 2015), die bis ins hohe Alter gern auf dem Hof mit anpackt.
„Ich war als Kind glücklich und zufrieden. Ich konnte mit allem zu meinen Eltern gehen. Bei uns wurde nichts unter den Teppich gekehrt. Wir haben über alles geredet und alles bereinigt“, sagt sie.
Sie besucht je vier Jahre die Marktschule und die neue Antoniusschule an der Biegstraße. Noch weiß sie nicht, dass sie eines Tages schräg gegenüber zu Hause sein wird. Sie wechselt auf die Kreisberufs- und Berufsfachschule, hauswirtschaftliche Richtung und schafft ihre Mittlere Reife.
Sie ist 16 und kennt längst Metzgermeister Theo Janßen von der Biegstraße. Er kommt auf den Hof, um beim Vater Vieh zu kaufen. Manchmal linst er über ihre Schulter, wenn sie Hausaufgaben macht.
1968 schließt sie die Berufsschule ab. Anschließend steht sie mit zwei Kameradinnen an der B 9 und will „per Anhalter“ nach Kevelaer. Sie sind ausgelassen, haben ihre guten Abschlüsse in der Tasche – und wer hält? Der Metzgermeister aus Kevelaer, Theo Janßen.
Etwas später trifft sie ihn beim Tanz in den Mai, sie ist noch immer 16, trägt ein Faltenröckchen und eine weiße Bluse. Theo Janßen, zwölf Jahre älter, tanzt mit ihr. Mit 17 ist sie sicher: „Das ist der Mann, den ich heiraten möchte.“ Ihr angehender Schwiegervater sagt zu ihrem angehenden Ehemann: „Ein bisschen jung ist sie schon!“ Theo entwaffnet ihn: „Alt wird sie von allein.“
Hans Brocks vermittelt ihr eine Stelle in einer Walbecker Metzgerei. Mit einem roten Mofa knattert sie drei Jahre zur Arbeit und lernt neben dem Beruf einer Fleischerfachverkäuferin eine Menge für Laden und Leben. 1971 wechselt sie zu Thielen nach Weeze und schneidet Schinken im Akkord.
1971 die Wende: Der Vater von Theo ist an Krebs erkrankt. Christel und Theo verloben sich. Sie gönnen dem sterbenden Mann das Gefühl, dass für die Zukunft alles zum Besten bestellt ist. Die junge Christel sagt ihm: „Wir müssen ja mal langsam für ein paar kleine Janssens sorgen“ und rührt ihn zu Tränen. Er stirbt kurz darauf.
Am 3. Oktober 1972 heiraten sie. Neun Monate und neun Tage später ist der kleine Theo da. Sie findet, „dass es nichts Wichtigeres in meinem Leben gibt als meine Kinder“ und dass es ihnen nichts nützt, sie mit ständiger, mütterlicher Verfügbarkeit unselbstständig zu halten. Sie gibt ihnen nicht „alle Zeit der Welt“, sondern Intensität in der begrenzten Zeit. Als einer ihrer Söhne weinend aus der Schule kommt, weil die Lehrerin ein Bild von ihm zerrissen hat, lässt sie alles stehen und liegen, wappnet sich mit ihrer Empörung und gibt der Frau Bescheid. – Ansonsten steht sie im Geschäft.
Christel Janßen ist bereits Mutter von zwei Kindern, als sie beschließt, ihre Gesellenprüfung nachzuholen. Sie möchte Lehrmädchen ausbilden, nimmt Privatunterricht, wird erneut schwanger und sitzt schließlich mit herrlich dickem Bauch in der Prüfung. 1978 erhält sie ihren Gesellenbrief mit sehr guten Noten. Sie ist Verkäuferin im Nahrungsmittelhandwerk Fleischer, bildet Nachwuchs aus und gibt ihm weit mehr mit auf den Weg als Wissen. Sie sagt freundlich und sachlich ihre Meinung. Und es liegt gewiss nicht nur am Personal, dass sie mit keiner Angestellten Schiffbruch erleidet.
Als die Kinder größer werden, sieht sie sich nach einer neuen Herausforderung um. Sie und ihr Mann engagieren sich in der Mazedonienhilfe. 1992 meldet Christel Janßen sich in der CDU an, wird 1997 Beisitzerin im Vorstand Kevelaer-Mitte und Beisitzerin im Stadtverbandsvorstand. 1999 kandidiert sie für den Stadtrat und gewinnt ihr Mandat direkt.
Sie bedient keine Erwartungen und keine Seilschaften und bleibt sperrig, wenn ihr gesunder Menschenverstand sie anders berät als Parteifreunde. Sie freut sich an harmonischer Zusammenarbeit, beherzigt aber zugleich, dass „Gesülze niemanden weiterbringt.“ Sie ist sicher: Wo keine Debatten ausgefochten werden, ist Demokratie am Ende.
Zwei der größten politischen Kontroversen in diesen Jahren übersteht sie gegen die „Mehrheitsmeinung“; sie wendet sich gegen die heimlich angezettelte Abwahl des Beigeordneten Ulrich Braasch, und sie protestiert gegen das geplante SB-Warenhaus. Die Wähler mögen sie dafür; sie ist, ohne es zu wollen und ohne es zu sollen, ein Aushängeschild für die Fraktion geworden.
Die Stadtoberen verkennen das. Jahrelang hat Familie Paal bei Fleischer Theo Janßen Würstchen gekauft. Fortan kauft sie woanders. Schuld am Umsatzeinbruch trägt, natürlich, Ehefrau Christel. Sie ist zu aufmüpfig. „Ich kann mich mitten zwischen zwei Stühle setzen, wenn dort mein Platz ist.“
2004 schreibt sie einen Brief an ihre Fraktion. Sie will nicht länger Entscheidungen durchwinken, die die Spitze diktiert. Sie zerpflückt klug das fadenscheinige Vorgehen der Fraktionsführung und beharrt darauf, bei Entscheidungen wie Abriss und Neubau des Rathauses die Bürger einzubeziehen.
Eine Parteikollegin erregt sich darüber, dass „bei der Janßen nichts Gescheites rumkommen kann. Wenn man die schon mit ihren kurzen Röcken sieht!“ Die Länge eines Rocksaums als Gradmesser für Geist und intuitive Kraft – da muss man erst mal drauf kommen. Christel Janßen zieht die Reißleine. Sie gibt der Politik den Laufpass.
Kurze Röcke gehören übrigens zu Christel Janßen, wenn sie die Gelegenheit hat, sich für ein Fest schick zu machen. Das tut sie gern und führt dann ihre schlanken, tennis- und tanzsporterprobten Beine unterm Mini aus. Noch immer trainiert sie mit Theo sonntags in einem Sevelaner Tanzclub.
2005 verkaufen die Janßens ihren vielfach ausgezeichneten Betrieb. Später nimmt Christel Janßen in einer Metzgerei in Twisteden eine Stelle als Fachkraft an und belebt mit ihrer Art das Geschäft.
Sie ist und bleibt mutig, unverblümt offen und herzlich, kräftig im Ausdruck und durchwachsen mit Humor, gesegnet mit geistiger und intuitiver Kraft und schön im Mini. Sie ist eine starke Frau.

Treibende Kraft des Kevelaerer Künstlerbundes

In diesen Tagen jährte sich zum 130. Mal der Geburtstag von Karl Wenzel , der später über Jahre als Künstler in Kevelaer wirkte und an der Ausmalung der Basilika beteiligt war.
Ein Großteil seiner Werke wurde bei einem Bombenangriff auf Kevelaer zerstört. Wenige Jahre danach, im September 1947, starb der aus Ibbenbüren stammende Maler, der als bedeutender Künstler aus dem Kreis der Schüler um Friedrich Stummel hervorgegangen ist.
Karl W. Wenzel wuchs in einer musisch sehr vielseitigen Familie auf und schaute oft seinem Vater Louis (1852 bis 1920) über die Schulter, der ein bekannter Landschafts- und Porträtmaler war. Nach Abschluss seiner Gymnasialzeit kam Wenzel als 19-Jähriger nach Kevelaer in das Atelier von Friedrich Stummel, der weithin als Kirchenmaler bekannt war.
Wenzel galt, wie Peter Lingens einmal schrieb, als der begabteste Schüler Stummels. Von 1906 bis 1914 wirkte Wenzel an der Ausmalung der Marienbasilika mit. Nach seiner Zeit im Stummel-Atelier arbeitete er 1921 mit Heinrich Holtmann am Kathedralchor der Basilika, das durch Bauarbeiten stark entstellt war. Gemeinsam banden die beiden Künstler den Chorraum wieder ins Gesamtkunstwerk ein.
Wenzels Tochter, Gerte Paessens-Wenzel, über ihren Vater: „[In Kevelaer] lehnte er schon bald die in überlieferten Formen erstarrte Kunstauffassung innerlich ab und suchte nach langen Jahren schwerer Kämpfe mit sich selbst nach eigenen Wegen.“ Seine Studienreisen führten ihn durch Deutschland, die Schweiz und durch die Niederlande.
Als Vorsitzender des Künstlerbundes organisierte Wenzel 1932 eine umfangreiche Kunstausstellung in Kevelaer, die die breite Palette des Schaffens einheimischer Maler zeigte. Offenbar weil Aufträge für ihn als Kirchenmaler in den 1930er- und 1940er-Jahren ausblieben, wandte er sich in dieser Zeit der profanen Malerei zu.
Seine naturalistische Arbeit erregte im NS-Deutschland positives Aufsehen. Aus seinem zeitangepassten „’völkischen’ Malstil“ (Lingens) dürfe nach Aussagen seiner Tochter Gerte Paessens-Wenzel nicht der Fehlschluss gezogen werden, Wenzel sei ein Anhänger der Nazi-Politik gewesen. Seine Malweise in jener Zeit – eine in der Kunstgeschichte sich immer wieder zeigende Entwicklung – und seine so erzielten Erfolge als Maler seien ihm in keiner Weise vorzuwerfen.
Als Wenzel nach dem Krieg nach Kevelaer zurückkehrte, das ihm ab 1906 längst zur zweiten Heimat geworden war, „fand er Heim und Atelier, auch das Atelier im Gartenhaus Bausch, bis auf die Grundmauern von Bomben zerstört. Was im Keller war, die besten seiner Bilder in Kisten eingenagelt, Rahmen, Malgerät, Material, Arbeiten jahrelangen Studiums, alle Kupferplatten, seine literarischen Werke, alles war gestohlen worden. Nur einen kleinen Teil seiner Radierungen hatte ein Kunstfreund retten können“.
Für Wenzel war der Verlust der künstlerischen Zeugnisse vieler Jahre eine tiefe Erschütterung. Freunde und Verehrer gaben ihm Mut für einen neuen Anfang. Unermüdlich schuf er neue Werke.
Doch Wenzel dachte nicht allein an sein eigenes Fortkommen. Nach dem Krieg versuchte er eine Neubelebung des Kevelaerer Künstlerbundes, dem er angehört hatte und dessen treibende Kraft er war. Der Bund veranstaltete noch eine große niederrheinische Ausstellung, bei der auch Werke von Wenzel zu sehen waren. Doch da der Künstler wenige Wochen nach der Ausstellung starb, „ging das junge Pflänzchen des organisierten Kevelaerer Kunstlebens bald wieder ein“, schrieb Peter Lingens in „Unsere Heimat“ 3/1996.
In Kevelaer wurde im Januar 1967 eine viel beachtete Ausstellung von Grafik und Bildern von Karl W. Wenzel gezeigt. Heute verfügt auch das Museum in Kevelaer über einige Werke des Künstlers: Seine Tochter aus Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte sie dem Verein für Heimatschutz und Museumsförderung aus dem Nachlass ihres Vaters gestiftet, darunter eine von Will Horsten geschaffene Bronzebüste, acht gerahmte Bilder in Aquarell und Mischtechnik aus der „Städte-Serie“ sowie vier Radierungen.
Zwei Radierungen von Karl W. Wenzel konnte 1994 der Verein aus einem anderen Nachlass für eine symbolische Mark kaufen. Die Federzeichnungen und Radierungen aus der „Städte-Serie“ waren deswegen so willkommen und wichtig für das Kevelaerer Museum, weil diese Wenzel-Reihe seinerzeit die Abteilung „Wallfahrts- und Ortsgeschichte von Kevelaer“ im neuen Teil des Museums abschloss. In der Einschätzung von Sachverständigen nimmt Karl W. Wenzel als Maler, Musiker, Schriftsteller und Kinderbuchautor eine der ersten Stellen im Reigen der Kevelaerer Künstler im 20. Jahrhundert ein.
Die Stadt benannte eine Straße auf Kevelaer-Nord nach Wenzel, wo er sich im „Künstlerviertel“ mit Dürer, Stummel, Korthaus, Grünewald, Holbein, Kolbe, Klee, Rubens, Spitzweg und Zille in illustrer Gesellschaft befindet.