Bewahren und entwickeln
Auf dem Unternehmerabend der Kreis-Wirtschaftsförderung wurde deutlich, dass Kevelaer noch Potenzial für neue Immobilien und Wohnen hat. Expansives Wachstum soll aber nicht stattfinden.
Über 200 Gäste fanden sich im weiten Rund des Venga“-Restaurants wieder. „Dann knacken wir sicherlich den Fragenrekord“, gab sich Moderatorin Andrea Franken gleich zu Beginn optimistisch.
Im Zuge ihrer Tour durch das Kreisgebiet hatte sich die Kreiswirtschaftsförderung mit ihrem Geschäftsführer Hans-Josef Kuypers dem Thema „„Wohnungsbau: Bedarfe – Flächen – Programme“ angenommen.
Den ersten Aufschlag in der knapp zweistündige Diskussion machte Kuypers selbst, der zunächst nochmal den Bongers-Gartenbaubetrieben zur Verleihung des Hochschulpreises der Kreis-Wirtschaftsförderung für nachhaltige Zierpflanzenproduktion sowie den drei Marketing-Preisträgern gratulierte.
Das Thema „bezahlbarer Wohnraum“, so Kuypers, sei auch am Niederrhein in aller Munde. Der Kreis Kleve gehe nach den Zahlen der im Auftrag gegebenen Wohnungsmarkt-Studie davon aus, dass im Kreisgebiet bis zum Jahr 2030 üver 20.400 neue Wohnungen benötigt würden .
Für Kevelaer bedeute das demnach ein Bedarf von 1.848 neuen Wohnungen davon 792 Ein-und Familienhäuser, 309 Etagenwohnungen , 554 frei finanzierten und 246 öffentlich geförderte Wohnungen.
Überzogene Zahlen?
Dem widerprach Bürgermeister Dominik Pichler recht deutlich. „Stimmen die Zahlen dieser Studie? Also: Ist der Bedarf denn überhaupt da? Und wie sehr sollte Kevelaer überhaupt noch wachsen?“ Das seien doch zentrale Fragen.
Die „in dem Raum geworfenen Zahlen“ bezeichnete Pichler als „völlig überzogen“. Er berief sich dabei auf die aktuell der Stadt vorliegenden Interessenlisten für Baugrundstücke, die einen Bedarf für Kevelaer von 330, in Twisteden 80, in Wetten 100, in Winnekendonk 90 und für Kervenheim 50 vorsehen.
Einiger der Bewerber hätten sich sogar mehrfach in die Listen eingetragen. „Aber selbst bei stumpfer Addition liegen wir mit 650 weitaus geringer.“ Und was „bezahlbaren Wohnraum“ angehe, gebe es sicherlich Bedarf, aber nicht in der genannten Größenordnung von knapp 250 Wohneinheiten bis 2030.
Er nannte anschließend vier Gründe, warum ein massives Wachstum für Kevelaer nicht in Frage käme. Kevelaer sei zwar Zuzugskommune. Doch auch die demografische Entwicklung mache auch vor der Wahlfahrtsstadt nicht Halt. Man könne nicht pauschal sagen, dass wir überall in NRW „weniger, älter und bunter“ werden. „Doch auf mittlere bis lange Sicht sehe ich ein erhebliches Risiko, wenn eine Kommune auf maximale Expansion setzt.“
Pichler argumentierte mit für Neubauten nötigen Flächenversiegelung und den damit einhergehenden Raubbau an der Natur, mit stadtplanerischen Aspekten und mit dem Freiwerden von Bestandsimmobilien, wo eine Chance gerade für kleinere und barrierefreie Wohnungen in der Innenstadt bestehe.
In Sachen bezahlbaren Wohnraum habe die Stadt eine gut acht Wohneinheiten umfassende Fläche an die GWS veräußern wollen, habe dafür aber keine Mehrheit erhalten. Insgesamt habe man von 2017 bis heute 73 Wohngebäude mit Wohneinheiten zugelassen. In diesen neuen Gebäuden und durch Änderung oder Erweiterung von Bestandsgebäuden seien 216 Wohneinheiten und zusätzlich zehn Ferienwohnungen geschaffen worden.
Viele Projekte sind in Planung
Aktuell im Verfahren oder in Planung seien (ohne den zweiten und dritten Bauabschnitt der Hüls) 178 bis 193 Wohneinheiten, benannte Pichler einige Beispiele.
Bei der Hubertusstraße werde das Bebauungsplanverfahren wohl für 15 bis 20 Wohneinheiten Anfang 2020 abgeschlossen sein. Der Satzungsbeschluss dazu werde im Rat am 19. Dezember abschließend erfolgen. Beim Baugebiet Hüls, wo Land, Stadt und private Eigentümer aktiv seien, seien im ersten Bauabschnitt gut 50 Mehrfamilienhäuser, sowie bis zu 50 Einzel- und Doppelhäuser vorgesehen.
Der Bebauungsplan für den nördlichen Bauabschnitt sei rechtskräftig- Die weitere Entwicklung sei abhängig von Entwässerungsplanung und der „Umlegung Kuckucksley“. Pichler nannte das Jahr 2022 als „halbwegs realistisch“: Zwei weitere Bauabschnitte mit gut 5,2 Hektar und weiteren 80 Wohneinheiten seien in Abstimmung mit der Bezirksregierung möglich.
An der Wettener Marienstraße soll es 15 Wohneinheiten geben. Das Bebauungsplan-Verfahren werde voraussichtlich im Sommer 2020 abgeschlossen sein. Für den Bereich Sportplatz Kevelaerer Straße in Winnekendonk mit 17 Wohneinheiten sei noch ein Bebauungsplan nötig. Der städtebauliche Entwurf werde aktuell abgestimmt und im Stadtentwicklungsauschuss vorgestellt. Im Entwurf sind auch private Grundstücksflächen vorgesehen.
In Twisteden sei hinsichtlich der Erweiterung Elisabethstraße mit gut 25 Wohneinheiten die Flächennutzungsplanänderung im Verfahren; der Bebauungsplan in Vorbereitung. Und was Kervenheim anginge, sei für die von der Stadt geplante Erweiterung am Haagschen Feld mit seinen 15 Wohneinheiten sowohl die Flächennutzungsplanänderung als auch ein Bebauungsplan erforderlich
Gutes Fundament wichtig
Im Anschluss an Pichlers Vortrag holte Moderatorin Andrea Franken Stephan Kunz von der NRW-Bank, Carsten Ostendorfp von der Sparkasse und Felix van Benn von der Volksbank an der Niers nach vorne.
Alle drei Männer waren sich einig: das Zinsniveau fürs Bauen ist so günstig wie nie, die Baukosten aber steigen, langfristige Zinssätze und gute Planung seien sinnvoll. „Alles ist noch möglich und machbar“, war der bestimmende Tenor. Das sei „Investieren in Betongold“, betonte van Well, der Interessierte dazu aufrief, früh Eigenkapital zu bilden und sich vernünftig beraten zu lassen.
Ostendorp riet dazu, hinsichtlich einer Immobilie schnelle Entscheidungen zu treffen, da es auf „ein Objekt zehn Interessenten“ gebe. Oft komme der Kunde zu einem Makler und höre dann: “Das Objekt ist verkauft.“ Für eine Investition sei auch die Lage wichtig, öffentliche Förderung nicht immer das Richtige, ergänzte Kuntz.
Zur zweiten Diskussionsrunde holte sich Andrea Franken zum Thema „Wohhnstandort Kevelaer“ eine zu große Runde aufs Podium.
Zu viele Themen auf einmal
Bürgermeister Pichler, Ludger Holla vom städischen Planungsamt, Planer Jörg Bousard, Paul Düllings von der Wohnungsbaugenossenschaft Geldern, Baunternehmer Pauk van Meegern, Michael Gey vom Immobilienbüro Aben und Kreiswirtschaftsförderer Kuypers durften sich zu zahlreichen Themen äußern:
Pichler durfte sagen, worauf er in seiner Amtszeit stolz sei, nannte da das Gradierwerk auf der Hüls („Da hat der Architekt was Geiles hingekriegt“), die Erweiterung des Fundaments ärzlicher Versorgung in Kevelaer durch die Ärzteansiedlung nahe des Rilanos.
Holla stützte seinen „Chef“ in der Frage eines „angemessenen Wachstums“ der Wohnstadt Kevelaer, verwies zugleich auf die 2.000 Baurechtsvorschriften als Genehmigungshindernisse und auf die Tatsache, dass die Bezirksregierung eben einige Ortschaften als Baukulisse nicht auf dem Schirm habe.
Jörg Bousard sah viel Potenzial für neue, „moderne Architektur“ neben dem historischen Bestand. Man dürfe bei allem Drängen, Bedarfe zu decken, nicht die Qualität aus dem Auge verlieren.
Düllings sprach von „viel Bedarf an Verdichtung in der City“, den Sinn von Investitionen auch in den energetischen Zustand des Bestands und großen Entwicklungsbedarf in Kervenheim, um da wieder „den einen oder andere Dienstleister“ hinzubekommen.
Michael Gey machte deutlich, dass man in dieser Ortschaft „gut verkauft“, weil Kunden aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland kommen, die sonst solche Grundstücke wie dort nicht bekämen. Von Meegern problematisierte die Leerstände der Innenstädte, lobte das Gymnasium und eröffnete noch das Themenfeld der fehlenden Handwerker und Fachkräfte.
In der Diskussion mit dem Publikum ging es danach noch unter anderem um die Höhe der Mieten, die doch oft höher als die anzustrebenden 30 Prozent Einkommen seien und den Begriff „sozialen Wohnungsbau“, den man nach Hollas Meinung vor Ort definieren müsse. Der Bürgermeister verteidigte die „Baukultur“ und das „Gesicht“ der Innenstadt als wichtige Errungenschaften.
Zur Schlussrunde durfte sich jeder Diskutant noch was wünschen „Was Kevelaer ausmacht, bewahren und beim Bauen können wir Neuerungen und Visionen vertragen“, sagte Bousard. Und Kuypers´ Fazit lautete: „Grundstücke sind schon knapp und schnell reserviert. “ Die Region habe eine riesige Chance als „Speckgürtel der Großstädte“ und sei glücklicherweise in Sachen “Bevölkerung und Wohnen” eine Wachstumsregion.