Bekannt wie ein bunter Hund

Mit Richard Opwis in seinem Laden an der Bahnstraße ein ruhiges Gespräch zu führen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. „Hallo Richard“, kommt ein alter Freund reingeschneit, fängt mit Opwis ein Schwätzchen an und erzählt gleich die Geschichte, wie sich beide 1999 kennenlernten. „Wir waren zum Bläck-Fööss-Konzert, um 0 Uhr bei Stassen, da war er und wir feierten um halb zwei bei ihm weiter.“
Der Richard, das sei einer, „der sich für Menschen in Not engagiert, ein herzlicher Mann und eine ganz wichtige Persönlichkeit für Kevelaer, bekannt wie ein bunter Hund“, meint er, bevor er sich verabschiedet – und man merkt, wie fast unangenehm Opwis diese aufrichtig gemeinten Komplimente sind.
Geselligkeit und Austausch – das sind zwei wesentliche Konstanten im Leben des fast 80-Jährigen, der mittlerweile seit dem 2. Mai 1957 hinter der Theke in dem Laden an der Bahnstraße steht. „Ich bin hier im Haus geboren, hab´ es quasi nie verlassen“, erzählt der Geschäftsmann aus seiner Familiengeschichte. „Mein Vater war Schneidermeister, hat hier zwischen 1911 und 1914 eine Schneiderlehre unter Christian Wilhelm Siebers gemacht.“
Nach dem Krieg war der Vater als Geselle unter anderem in Hamburg, bevor er 1924 in Kevelaer ein Geschäft aufmachte. „Er war erst auf der Amsterdamer Straße und ist dann zehn Jahre später hierher gezogen.“
Um die Buchhaltung kümmert sich seine Mutter Johanna, die Tochter eines Uedemer Schuhfabrikanten, die der Vater 1929 heiratet. Die Ehefrau holt Hüte und Hemden ins Sortiment und legt so den Grundstock fürs Geschäft. 1937 wird Sohn Richard geboren – damals herrschten noch andere Zeiten. „Das hieß hier dann noch Hermann-Göring-Straße“, erinnert er sich.
Im zweiten Weltkrieg führt seine Mutter in Abwesenheit des Vaters den Laden weiter, er selbst hilft im Laden mit. Von 1952  bis 1956 macht er in Kempen seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und hängt ein Jahr Handelsschule dran, bevor er in den Laden des Vaters mit einsteigt, der die Anzüge schneidert und Jackenrevers mit Rosshaar umnäht.
Als das Schneiderhandwerk immer weniger Menschen anspricht, deutet sich der Rückzug des Vaters an. Richard baut den Laden 1975 um und übernimmt ihn 1976. Ein Jahr später stirbt sein Vater – und der Sohn stellt das Sortiment auf legere Kleidung und Jeans um. „Die Jeans muss von Opwis sein“, heißt es damals noch. Die Hüte gibt es heute noch.
Nebenbei begründete er 1966 den Karnevals-Club Kevelaer als ersten Karnevalsverein in Kevelaer mit und war dort jahrzehntelang Kassierer. „Der Frohsinn und der Spaß“ führen ihn bis heute noch immer zu den Treffen und Sitzungen. „Die wollten mich mal zum Prinzen machen – aber ich würd‘ bei ´ner öffentlichen Rede keinen Ton rauskriegen.“
Seine zweite Leidenschaft ist Schalke 04, der Verein, dem er am 1. April 1981 beigetreten ist, wie sein Mitgliedsausweis belegt. „Einmal saß ich bei einer Jahreshauptversammlung zwischen Ernst Kuzorra und „Charly“ Neumann“, erinnert er sich lebhaft. „Auf Schalke“ fiebert er häufig live mit.
Abseits von all dem öffnet er Tag für Tag seinen Laden.  „Ich mache jeden Morgen um neun Uhr los und um halb sieben zu. Nur zweimal habe ich wegen Alkohol mal zu spät losgemacht“, gesteht er ein.

Richard Opwis in seinem Laden.


Der Kontakt zu Menschen ist das, was ihn antreibt – „nicht nur verkaufen, auch ein Schwätzchen halten“, ist das, was seine Kunden an dem Laden schätzen. „Ich bin wohl eher der Mann für das Persönliche.“ Sprach‘s und gibt einem jungen Inder, dem er telefonisch einen Arztbesuch in Goch organisiert hat, die Zeiten für den Zug dorthin durch.
„Ich helfe gerne, wenn es nicht um Geld geht“, zeigt er augenzwinkernd eine von Azubis ausgefertige „Vereinbarung“ mit der Sparkasse, auf der steht: „Richard Opwis verpflichtet sich, kein Geld auszuleihen. Die Sparkasse verkauft ja auch keine Hüte.“ Oder er unterbricht das Gespräch, um einem Paar mittleren Alters vor der Ladentür bei der Auswahl eines Hutes zu helfen.
Auf seinem Fahrrad führt er auf all seinen Fahrten regelmäßig eine Blume mit sich – „Maiglöckchen zur Zeit, später werden es Pfingstrosen“, auch wenn sich das Radfahren mittlerweile schon etwas wackelig anfühlt. Der bald 80-Jährige merkt schon, dasss es nicht mehr ganz so leicht geht mit allem. Bis heute sind Opwis und Grootens ihm gegenüber die einzigen Geschäfte auf der Straße, wo es all die Jahre keinen Inhaberwechsel gab. Sein Schwiegervater Theo Labonté, der 101 Jahre alt wurde und der bis zum 96. Lebensjahr hinter der Theke in der Hauptstraße stand, ist ihm ein Vorbild. „Das wäre noch ein Ziel“, meint er.