Bauen und Wohnen – ein Zukunftsthema

„Wie sieht Kevelaer in Zukunft aus? Welche Perspektiven gibt es? Wer hat Ideen, wer will mitgestalten? In einer unregelmäßigen Serie „Zukunft für Kevelaer“ will das Kevelaerer Blatt Menschen aus Verwaltung und Politik, aus Wirtschaft und Ehrenamt, aus Kirchen und Vereinen, aber auch engagierte Privatpersonen und ihre Perspektiven für ihre Heimatstadt vorstellen. Dabei soll jeweils ein Thema oder ein Oberbegriff im Fokus stehen. Zu Beginn der Serie stellt Bürgermeister Dr. Dominik Pichler seine Sicht als Verwaltungschef zum Thema „Wohnen und Bauen“ in Kevelaer vor.

„Wie entwickelt sich aus Ihrer Sicht Kevelaer in Sachen Wohnen und Bauen in den nächsten fünf Jahren?“

Das muss man in mehrerlei Hinsicht differenzieren und auffächern. Es gibt derzeit einen erheblichen Bedarf an Wohnraum in Kevelaer und den Ortschaften. Daneben wird über die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum diskutiert. Schließlich steht über allem die Frage, wie sich Kevelaer perspektivisch entwickeln soll. Zuletzt wurde immer wieder politisch thematisiert, ob die Stadtplanung in der Verwaltung die nötige Mannschaftsstärke und das erforderliche Fachwissen mitbringt. Mit dem letzten Punkt möchte ich – quasi vor der Klammer – beginnen.

Stadtplanung

In den letzten Jahren wurde eine zweite Stadtplanerin eingestellt. Die Aufgaben Klimaschutz und Klimafolgenanpassung sind zusätzlich in die Abteilung Stadtplanung verschoben worden. Derzeit sucht die Verwaltung hierzu ergänzend eine Vollzeitkraft, die sich dem Thema Verkehrsplanung widmen soll. Des Weiteren habe ich dem Rat vorgeschlagen, die Bereiche Stadtplanung und Bauordnung in einem eigenen Fachbereich zu bündeln, der von einer Person „vom Fach“ geleitet werden soll, also einem Stadtplaner bzw. einer Stadtplanerin (oder vergleichbarer Qualifikation). Die Abteilung Stadtplanung ist insoweit für die nächsten Jahre bestens aufgestellt.

Wohnraum in Kevelaer

Aktuell sind im Stadtgebiet Kevelaer verschiedene Flächen zur Wohnbebauung vorgesehen. An der Hubertusstraße ist der Bebauungsplan bereits rechtskräftig, auf dem Gelände der ehemaligen Gärtnerei Rühl können quasi sofort ca. 20 Wohneinheiten entstehen. Die Fläche auf der Hüls ist schon länger im Gespräch. Hier ist die weitere Entwicklung abhängig von der Entwässerungsplanung. Die Planungen zur Gewässerumlegung der Kuckucksley können hoffentlich in diesem Jahr gelöst werden, sodass dann im nächsten Jahr die Umlegung stattfinden kann, sodass anschließend für ca. 100 Wohneinheiten (Einzel-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser) der erste Bauabschnitt zur Verfügung steht. Darüber hinaus wollen Investoren auf der Anto­niusstraße, der Lindenstraße, der Jägerstraße und dem Lohweg in Kürze auf kleineren Flächen weiteren Wohnraum schaffen.

Wohnraum in den Ortschaften

In der Ortschaft Wetten sollen nun kurzfristig an der Marienstraße Baugrundstücke vergeben werden, hier werden ca. 15 Wohneinheiten entstehen. In Twisteden ist die Erweiterung an der Elisabethstraße mit weiteren ca. 25 Wohneinheiten geplant, das Planungsverfahren dürfte bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Für Kervenheim soll in der nächsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses die Erweiterung des Baugebiets Haagsches Feld in Angriff genommen werden. In Winnekendonk bestehen kleinere Optionen an der Blumenstraße und auch schon kurzfristig am Sportplatz Kevelaerer Straße. Eine Erweiterung des Baugebiets Paßkath ist von den Eigentümern abhängig.

Es gibt in Kevelaer und seinen Ortschaften bereits rund 100 Wohneinheiten bezahlbaren Wohnraum allein durch Wohnungen der GWS, an denen die Stadt Kevelaer Genossenschaftsanteile besitzt. Die GWS schafft auch aktuell bezahlbaren Wohnraum in Winnekendonk und treibt ein weiteres Vorhaben in Kevelaer voran. 

Bezahlbarer Wohnraum

Ein anderes Projekt der GWS am Beethovenring war dagegen in der letzten Wahlperiode im Rat nicht mehrheitsfähig. Bezahlbarer Wohnraum wird dessen ungeachtet weiterhin benötigt. Wie viel, wird derzeit untersucht. Die Antwort auf die Frage, was denn nun genau bezahlbarer Wohnraum ist, ändert natürlich auch den voraussichtlichen konkreten Bedarf an weiteren Wohneinheiten. Hierüber sollte nun recht bald im Rat und seinen Gremien abschließend diskutiert und entschieden werden, denn hieraus leitet sich alles Weitere ab. Geplant ist, diese Vorfrage noch in diesem Jahr zu klären.

Entwicklungsperspektiven

Wie aufgezeigt, soll dem aktuell enormen Bedarf mit der Ausweisung von Baugebieten in Kevelaer und den Ortschaften begegnet werden. Daneben gibt es fortlaufend kleinere private Bauvorhaben im Innenbereich. Hinzu kommt, dass regelmäßig auch bereits bestehende Immobilien verkauft werden und natürlich auch vorhandene Wohnungen neu vermietet werden. Letztlich ist es das Ziel, insbesondere den jungen Familien, aber auch den anderen Bauinteressierten entsprechende Möglichkeiten zu bieten, im Stadtgebiet zu bauen und bei einem entsprechenden Wunsch auch in der „eigenen“ Ortschaft zu bleiben. Dabei soll für jeden Geldbeutel das Passende auf dem Markt sein.

Die Bebauung von vormals landwirtschaftlich genutzter Fläche führt allerdings stets zu einer Versiegelung von Böden und zur Ausdehnung des Siedlungsbereichs zulasten der Natur. In den kommenden fünf Jahren muss die Kommunalpolitik meines Erachtens daher bei allem Verständnis für die Wünsche und Notwendigkeiten der Bürger auch die sich aufdrängende Frage beantworten, ob – und wenn ja, wie weit – Kevelaers Bevölkerung wachsen soll. Kevelaer hat derzeit ca. 29000 Einwohner, sodass es naheliegt zu entscheiden, ob Kevelaer wirklich auf mehr als 30000 Einwohner wachsen sollte oder nicht. Losgelöst davon, dass ein weiteres Wachstum der Bevölkerung Infrastrukturfragen nach sich zieht, die weiteres Geld kosten – beginnend mit weiteren Kindergärten, endend mit der Gewährleistung der (haus- und fach-)ärztlichen Versorgung hier im ländlichen Bereich und der Schaffung von barrierefreiem Wohnraum –, darf bei aller Freude darüber, dass Kevelaer offenbar ein attraktiver Ort für Familien und Zuzugskommune ist, nicht übersehen werden, dass Kevelaer aufgrund der bekannten demographischen Parameter bis zum Jahr 2030 bereits wieder schrumpfen wird. Neben den Fragen, wie wir eigentlich mit der wertvollen Ressource Boden umgehen und welche zusätzliche Infrastruktur mit den neuen Wohngebieten einhergeht, muss also auch der Blick in eine Zukunft geworfen werden, der deutlich jenseits der Fünf-Jahres-Perspektive liegt, die hier erfragt wird.

Meine Einschätzung geht dahin, dass ein Wachstum „um jeden Preis“ unbedingt vermieden werden muss. Natürlich sollen und dürfen die aktuellen Bedarfe der Bürger befriedigt werden. Dabei darf aber keinesfalls das Augenmaß verloren gehen. Angesichts der weiteren, über die hier umrissenen Möglichkeiten hinausgehenden Flächen, die schon jetzt zur Wohnbauerweiterung im Gespräch sind, sollte die aufgeworfene Frage, wie sehr Kevelaer noch wachsen soll und wie umfangreich noch wertvoller Boden versiegelt werden soll, möglichst bald von der Kommunalpolitik diskutiert werden. 

Eine Hauptaufgabe der nächsten Jahre für den neuen Chef-Stadtplaner wird sein, diese Grenzen klar zu benennen und der Politik diese Frage zur Entscheidung vorzulegen, die für die Zukunft Kevelaers von maßgeblicher Bedeutung ist. Denn so wenig gewollt ist, dass junge Familien aus Mangel an Wohnraum aus Kevelaer und den Ortschaften wegziehen, so wenig ist gewollt, dass Kevelaer in zehn, fünfzehn Jahren aufgrund des demographischen Wandels dazu übergeht, zunehmend und zunächst vielleicht sogar unbemerkt zu einer Stadt mit Wohnungsleerstand zu werden. Dass Quartiere und auch einzelne Ortschaften in zwei bis drei Jahrzehnten, also bereits in einer Generation teils erheblich an Population verloren haben dürften, muss man auch außerhalb von Worst-Case-Szenarien mitbedenken.