Auf etwas verzichten, um etwas zu bekommen

Kevelaer. „Nierentisch und Petticoat – Leben und Alltag in den 50er- Jahren“ ist der Titel der Ausstellung, die am vergangenen Sonntag in den Räumen des Niederrheinischen Museums eröffnet wurde.
Auf 250 Quadratmeter Fläche präsentiert das Museum bis zum 1. Oktober Hunderte von Exponaten aus dem damaligen Lebensalltag, die Corinna Wodarz, Kunsthistorikerin und Ausstellungsmacherin mit privatem Museum in Höxter, über Jahrzehnte zusammengetragen hatte. „In ihrem eigenen Museum hat sie das alles noch nicht ausgestellt“, unterstrich Museumsleiter Dr. Burkhard Schwering.
Lebensphilosophie
Er gestand nach der Begrüßung und der kulturgeschichtlichen Einordnung, dass ihn diese Zeit selbst besonders anspricht. „Die 50er-Jahre sind eine sehr komplexe, faszinierende Zeit, die mir persönlich aus meiner Kinder-und Jugendzeit bekannt ist, die ich da verlebt habe. Da gab es eine starke Affinität, das hier mal kulturgeschichtlich dazustellen.“ Faszinierend sei, wie sich in relativ kurzer Zeit die gesamte Lebensphilosophie der Menschen von Kriegsende hin bis zum Wirtschaftswunder verändert habe.
Bei den Besuchern, die anschließend durch die Ausstellung schlenderten, löste der Anblick der diversen Möbel, Accessoires, Tütenlampen, gemusterten Tapeten und Vorhängen, Klamotten und anderen Alltagsgegenstände eine ganze Menge an Erinnerungen aus.
„Ich bin Jahrgang 50, meine Frau von 1951“, sagte der Sonsbecker Hans-Joachim Helfer und blickte mit Freude auf die alten Schallplattenspieler und Kinderroller. Er entdeckte das Buch „Was nutzt die Prügelstrafe“ und erinnerte sich: „Ich hab´s noch auf die Finger gekriegt mit dem Rohrstock.“ Und seiner Frau Waltraut fiel in der Vitrine das Sammelgedeck auf. „Da passte wirklich kein Gedeck zusammen.“
Irma Hürtgen war vom Marienstift herübergekommen. „Die Steiff-Katze, so eine hatte meine Schwester“, erinnerte sich die rüstige Frau Jahrgang 1938 an dieZeit, als sie mit 15 Jahren ihre erste Dauerwelle zur Konfirmation tragen durfte. „Wir waren junge Mädchen, mussten aber wie Kinder rumlaufen“, meinte sie auch mit Blick auf die Kleider. „Und 4711 hatte meine Mutter – war halt das beste Parfum, das es gab.“
In der „Fernsehecke“ verfolgten die frühere Ordensschwester Gundula Kunte und die 50er-Jahre-Fans Elisabeth und Jan Rekittke bewegt die damaligen Filmausschnitte und ungewöhnlichen Werbefilmchen für Persil („Das gibt den hellen Schein“) und Waxa von Erdal.
„So breit lächeln beim Putzen, das gab´s nicht bei uns, das war harte Arbeit“, erzählte die 77-Jährige auch, wie man damals wusch. „Erst wurden die Sachen im Topf gewaschen, dann geschlagen und aufgehängt, wobei die Wäsche oft wieder schwarz wurde, wenn der Wind schlecht stand.“
Eine Seniorin erinnerte sich daran, dass sie das an der Wand hängende „Baby Doll“ mit Gummizug als Elfjährige selbst mal getragen hatte. „Das haben auch viele selbst gemacht.“ Dagmar aus Kamp-Lintfort konstatierte: „Damals gab es eine andere Wertschätzung der Gegenstände – und man hat auch auf was verzichtet, um was zu bekommen.“
Das Korschenbroicher Ehepaar Fritz und Christine Ensel fand die ganze Idee der Ausstellung super. „Mir sind als erstes die Roller aufgefallen – und die BRAVO hat meine Schwester gelesen“, meinte der 62-Jährige. „Und Hula-Hoop haben wir gemacht, bis wir Magenschmerzen bekommen haben“, ergänzte seine Frau.