Auf der Kirmes zusammengeschlagen

In jedem Jahr versammeln sich viele Kevelaerer Jugendliche während der Kirmes am Fahrgeschäft „Break Dancer“, das unmittelbar vor der Volksbank steht. Auch am Eröffnungstag der diesjährigen Kirmes traf sich hier eine Freundesgruppe von ca. 20 jungen Leute aus Kevelaer, Weeze und Goch, um Spaß zu haben und der angesagten Musik zu lauschen. Nach erstem Fahrspaß plante die lustige Gruppe, was man als nächstes aufsuchen wollte.
Ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen
Zur Gruppe gehörte auch Thomas K. (Name geändert), ein 18-jähriger Weezer, der bereits sein erstes Budget an Kirmesgeld verbraucht hatte. Er wollte noch schnell zur Sparkasse, um frisches Geld zu holen. Er informierte seine Freunde und rannte los, um keine Zeit zu verlieren. Hinter ihm brüllte jemand: „Ey, Du. Bleib ma stehn. Ey, warum hast du meine Mutter beleidigt?“ Thomas K. schildert später, er habe zuerst gar nicht gewusst, dass er gemeint gewesen sei. Plötzlich habe einer von ca. 15 südländisch aussehenden Männern im Alter von ca. 16 bis 21 Jahren vor ihm gestanden und ihm ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen.
Der 18-Jährige erzählt weiter: Er sei so verblüfft gewesen, dass er gar nicht reagieren konnte, als ihn die auf Krawall gebürstete Meute bereits umzingelt hatte. Insgesamt waren es drei junge Männer, die ihn mit Fäusten traktierten. Als er blutend zu Boden stürzte und um Hilfe rief, traten diese noch heftig auf ihn ein. Es hatte sich bereits eine größere Traube an Gaffern versammelt, die zuschauten, ohne ihm zu helfen. Erst als ein Freund aus seiner Gruppe den Tumult wahrnahm und beherzt eingriff, um ihn aus dem Kreis der Schläger herauszuziehen, kamen weitere Personen zu Hilfe.
Der verletzte junge Mann rannte in Richtung Volksbank, um sich in Sicherheit zu bringen. Seine Freunde hatten zwischenzeitlich die Polizei und den Rettungswagen verständigt, die zeitgleich am Tatort eintrafen. Die beiden Polizisten befragten den Verletzten und baten ihn um eine Täterbeschreibung. Die Beamten reagierten sofort und begannen gleich nach den Tätern zu suchen. Noch während der Erstversorgung durch die Rettungssanitäter kamen die Polizeibeamten mit einer verdächtigen Person zum Verletzten zurück. Allerdings war dies keiner der gesuchten Schläger.
Während Thomas K. ins Krankenhaus zur Untersuchung gebracht wurde, machten sich seine Freunde auf eigene Faust auf die Suche nach den Tätern. Die Polizei war bereits abgerückt. Tatsächlich spürten sie die Schlägermeute auf und hielten sich in gebührendem Abstand, während sie die Polizei telefonisch über den Aufenthaltsort informierten. Als die Polizisten eintrafen, waren die Täter bereits weitergezogen, sodass die Beamten unverrichteter Dinge abzogen.
Die Freunde wollten jedoch nicht aufgeben und suchten weiter. Jedes Mal kam die Polizei zu spät. Eine junge Frau aus der Gruppe schildert dem KB, dass die angerufene Polizei mittlerweile genervt gewesen sei und dies durch Bemerkungen kommentiert habe wie: „Was soll der Kinderkram, wir können doch nicht überall sein. Wir sind unterbesetzt.“
Im weiteren Verlauf randalierten die Schläger und warfen mit Fahrrädern nach den jungen Leuten. Es gab auch Drohungen und kleinere Handgreiflichkeiten. Aus der Zuschauermenge hörte man: „Oh je, der hat ein Messer.“
Letztlich hielten sich später vier Polizisten auf der Kirmes auf, da die jungen Leute engagiert dran blieben. „Die anwesenden Beamten unterhielten sich mit uns, aber wirklich energische Maßnahmen gegen die Schlägertruppe gab es nicht“, schildert die junge Frau dem KB weiter, „obwohl die Typen in Sichtweite waren“. Sie könne das nicht verstehen. „Wenn wir in der Dämmerung ohne Licht am Fahrrad unterwegs sind, greifen die sofort zu und wir erhalten eine Strafe.“
Außer einem Gespräch mit ein oder zwei Personen aus der Schlägertruppe sei nichts geschehen. Stattdessen hätten die Freunde von der Polizei den Hinweis bekommen: „Es muss doch jedem klar sein, dass einem so etwas auf einer Kirmes widerfahren kann. Schließlich wäre es doch die beste Vorbeugung gegen derartige Übergriffe, wenn man gleich zu Hause bliebe.“
Keine Erwähnung im Polizeibericht
Das KB recherchierte noch bei einigen anderen Personen, die die Ereignisse so bestätigten. Merkwürdig ist, dass über diesen Vorfall im Polizeibericht nichts erwähnt wurde. Warum schweigt die Polizei den Fall tot?
Der junge Weezer schilderte dem KB, dass die Liste seiner Verletzungen lang ist. Sie umfasst Platz- und Risswunden, Prellungen und Hämatome am gesamten Körper, Schleudertrauma und Gehirnerschütterung. Er selbst hat bei Facebook nach den Tätern gesucht und ist dort auch fündig geworden. Der Polizei hat er das gemeldet und wartet nun auf die Kripo, die den Vorfall weiter untersuchen wird.
Neben den Verletzungen ist für Thomas K. am schlimmsten, dass er mittlerweile Angst hat, sich auf derartigen Veranstaltungen aufzuhalten, und er erschrickt, sobald er hinter sich laute Stimmen hört. Früher fühlte er sich sicher und unbeschwert.
Kommentar

Konsequenter eingreifen

Der Fall Niklas in Bonn ist doch noch nicht lange her und sollte jedem, auch den Polizisten noch im Gedächtnis sein. Muss erst jemand zu Tode geprügelt werden, bevor es vorbeugende Maßnahmen gibt?
Scheinbar ist der Apell des NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD) nach dem Bonner Fall in Kevelaer noch nicht angekommen, dass man jugendliche Intensivtäter früher identifizieren müsse. Die Gelegenheit wäre in Kevelaer da gewesen.
Warum nicht von allen aus der Gruppe die Personalien aufnehmen und einen sofortigen Platzverweis aussprechen? Auch dann, wenn die unmittelbaren Täter scheinbar nicht mehr auf der Kirmes waren. Diese Brutalitäten Einzelner bilden sich doch meistens erst in Gruppen aus, wenn man sich stark fühlt. Oder haben wir hier demnächst auch „No-Go-Areas“, wo sich die Polizei nicht mehr hineintraut?     Rudolf Beerden