„Ach, wie gut“ und „Oh wie schön“

Der Titel der Ausstellung ist so verheißungsvoll wie verwirrend: „oh wie schön, dass niemand weiß….“ hat Heinz Henschel unter sein Bild des ums Feuer tanzenden kleinen Männchens geschrieben. Dem Gnom hat Heinz Henschel einen gut erkennbaren großen Schnäuzer ins Gesicht gemalt, wie er selbst einen trug. Ein Selbstbildnis? Und dann diese Worte. Eine Mischung aus „Oh, wie schön ist Panama“ von Janosch und „Ach, wie gut, dass niemand weiß“ vom – pardon, Gebrüder, wenn ich‘s Grimm verachtend verrate – Rumpelstilzchen? Kann sein, muss nicht, darf aber gerne. Weiß man bei diesem Henschel nie so genau. Oder so: Wer Lust hat, sich auf eine Reise in die spannenden und unkonventionellen Bilderwelten des Künstlers Heinz Henschel zu begeben, der inzwischen auch große Kunstkenner ganz kleinlaut werden lässt, sollte sich die Schau seiner Bilder am kommenden und am darauffolgenden Wochenende keinesfalls entgehen lassen.

Bildrechte: M. David


Hatte die erste Ausstellung im Kevelaerer Museum (das KB berichtete) noch damit zu kämpfen, dass Werk und Leben des Schaffenden lange im Verborgenen lagen und die Kunstwissenschaftler und Kunstvermittler den Autodidakten Heinz Henschel daher schlichtweg nicht kannten – was man ihnen nicht zum Vorwurf machen kann, denn er wollte es ja wohl nicht anders – präsentiert die zweite Ausstellung in Kevelaer einen gleichsam geordneten Blick auf seinen Nachlass in Kategorien, die sich über Motive und Arbeitstechniken diesem unermüdlichen Tausendsassa nähern. Das zeugt einerseits, wie auch der im Verlag seines „Nachlassverwalters“ Mattes David erscheinende Katalog, von der begonnenen Aufarbeitung des künstlerischen Schaffens Henschels. Andererseits erleichtert dem Interessierten diese Auswahl eine Annäherung an das allein schon in der Fülle unüberschaubare Werk. Und dank einer klugen Hängung mag man zwischenzeitlich zwar noch kurzfristig der Anmutung eines mittelschweren LSD-Rausches erliegen, kann sich aber auch flott mal in ruhigeres Fahrwasser flüchten.
Niederrheinische Niederung – künstlerische Höhepunkte
Dazu trägt der äußerst ungewöhnliche Ausstellungsort maßgeblich bei: Das Rittergut Haus te Gesselen in Wetten muss man erst einmal finden – keine Angst, am Ausstellungstag werden Weg und Parkmöglichkeiten ausgeschildert. Dann geht‘s über verwinkelte Treppen und durch niedrige Türen mit Kopfstoß-Gefahr in die zweite Etage und weiter durch verwinkelte Räume ins Innerste des Hauses. Kleine Fenster, kaum größer als Schießscharten, erlauben doch den Blick aus dem Gemäuer über niederrheinische Niederungen. Und drinnen erlebt man – wenn man will – einen bewusstseinserweiternden künstlerischen Höhepunkt nach dem nächsten. Auf längere Sicht werde das wohl die letzte Gelegenheit sein, eine Henschel-Ausstellung in Kevelaer sehen zu können, sagt Mattes David.
Haus te Gesselen und die Ausstellung

Haus te Gesselen in Wetten, Kapellener Straße 4, ist ein zweigeschossiger gotischer Winkelbau, dessen Kern aus dem 15. Jahrhundert stammt. Es gilt als das älteste erhaltene Wohnhaus in NRW. Ab 1987 wurde es in Teilen aufwändig restauriert. Die heutige Besitzerin nutzt das Haus zu Wohnzwecken, bietet allerdings nur selten Einblicke in das historische Gemäuer. Die oberen Räume sollen künftig hin und wieder für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden.
Die Ausstellung „Oh wie schön, dass niemand weiß…“ wird am Freitag, 10. Mai, 19 Uhr, mit einer Einführung der Kunsthistorikern Nina Schulze eröffnet.
Zu sehen sind Zeichnungen, Papierarbeiten und Radierungen am 11., 12., 18. und 19. Mai, jeweils von 10 bis 17.30 Uhr. An jedem Ausstellungstag gibt es um 15 Uhr eine etwa einstündige, kostenlose Führung, die Mattes David durchführt. Die Schau zeigt das Schaffen des Künstlers in seiner ganzen Breite. Von den erstmals gezeigten Skizzenbüchern über die wichtigsten Motivgruppen bis hin zu den vielschichtigen „Erzählwelten“ blättert sie die Bildwelt Henschels auf.
Heinz Henschel und der Katalog

Heinz Henschel. Foto: M. David


Heinz Henschel war Autodidakt. Er lebte ein unauffälliges Leben als angestellter Dreher in Dülken am Niederrhein. Erst nach seinem Tod 2016 wurde offenbar, wie groß seine Schaffenskraft und sein künstlerisches Talent waren. In seinem Nachlass fanden sich mehr als 1000 Zeichnungen, Papierarbeiten und Radierungen. Als ein kleiner Teil davon erstmals 2018 in einer Ausstellung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, haben sich fast 6000 Menschen für sie begeistern können.
Der Katalog ist in der Ausstellung, über den Kunstverlag David, sowie beim Kevelaerer Blatt erhältlich (hier klicken). Er stellt ein Zwischenergebnis der kunsthistorischen Aufarbeitung des Künstlers Heinz Henschel dar. Mit einem Vorwort von Gerd Baum und Texten von Nina Schulze M.A.. 208 Seiten, 187 Abbildungen, 22 x 22 cm, Sprachen: Deutsch / Englisch, Festeinband, Fadenheftung Auflage 750 / 1. Auflage, 38,- €.