30 Jahre Märchensingspiele Winnekendonk

Das Interview führte Doris de Boer.
KB: Frau Lorenz, mit der erfolgreichen Aufführung von „Peterchens Mondfahrt“ am 16. und 17. Februar diesen Jahres feiern Sie nunmehr 30 Jahre Märchenkantate in Winnekendonk. Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, Märchenspiele aufzuführen?
Lorenz: Auf die Idee kam ich während des Kirchenmusikstudiums. Eines meiner Fächer war Schulmusik. Einmal bekamen wir den Auftrag, zu einem Lied eine Kantate zu schreiben. Ich bekam das Lied „Es waren zwei Königskinder“. Wir sollten die einzelnen Strophen unterschiedlich vertonen, mal solistisch, als Duett, im Chor oder mit Orff-Begleitung. Meinem Mann Dieter, der wie ich Kirchenmusik studierte, und mir kam danach die Idee, eine solche Kantate mit szenischer Aufführung zu machen. 1987 fing ich als Kirchenmusikerin in Winnekendonk an, mein Mann übernahm den Chor in Geldern. Wir hatten erst drei Kantaten anderer gekauft und umgesetzt, aber wir stellten schnell fest: Das passt nicht zu unseren Kinderchören. Wir hatten in beiden Chören mehr Kinder als Rollen; die Melodien der gekauften Kantaten waren oft zwei- und dreistimmig, was zu schwer war. Deshalb machten wir uns einfach selbst an die Arbeit und schrieben unsere eigenen Kantaten, inzwischen 15 verschiedene, ich machte die Texte, mein Mann die Musik.
KB: Wie viele Kinder sind aktuell im Chor?
Lorenz: Unser Chor steht Kindern ab der 1. Klasse offen. Aktuell haben wir 45 Chorkinder. Unser Rekord lag einmal bei 86 Kindern! Jeder, der will, kann bei den Kantaten auch eine Rolle und ein Kostüm haben und darf auf die Bühne. Wir haben für jedes Kind, das will, eine eigene Rolle; es gibt keine Doppelbesetzungen.
KB: Was machen Sie, wenn ein Kind, das eine Hauptrolle hat, krank wird?
Lorenz: Die Kinder kennen alle fast den ganzen Text auswendig und kleinere Rollen können problemlos aus dem Chor selber ersetzt werden. Wir hatten dieses Jahr ein erkranktes Kind, ein anderes Kind sprang ein und übernahm einfach zwei Rollen. Einmal hatte sich ein Kind mit einer Hauptrolle auch das Bein gebrochen. Da in Geldern jedes Jahr die gleichen Kantaten einstudiert werden, hatte das Kind, das in Geldern die gleiche Rolle spielt, uns ausgeholfen.
KB: Neben den Kantaten gestalten Sie mit dem Kinderchor häufig die Messfeiern an St. Urbanus mit. Singen die Kinder genauso gern geistliche Lieder wie Märchenkantaten?
Lorenz: Nein, das nicht. Die Märchenkantaten sind eindeutig das Highlight des Jahres, bei den Gottesdiensten fehlen schon mal einige Kinder. Aber wir haben auch für die Gottesdienste kindgerechtes und modernes geistliches Liedgut und gestalten damit etwa zehn Mal im Jahr einen Familiengottesdienst.
KB: Frau Lemkamp-Kroon, Sie helfen Frau Lorenz bei den wöchentlichen Proben und führen bei den Aufführungen Regie und sind für die Choreografie verantwortlich. Haben Sie selber früher auch schon im Kinderchor von Frau Lorenz mitgemacht?
Lemkamp-Kroon: Ja, ich war schon früher als Kind dabei. 1996 hatte ich meine erste Kantate mit Frau Lorenz und war bis zum 6. Schuljahr dabei, später war ich dann im Jugendchor „Young voices“ und half bei den Kantaten jedes Jahr freiwillig mit, sei es durch das Kuchenbuffet oder durch die Betreuung der Kinder zwischen den beiden Aufführungen. Schon meine Mutter Regina Lemkamp, die selber über 20 Jahre lang Ballett tanzte, hat mit den Kindern die Choreografie einstudiert und Regie geführt; da ich selber Freude an der Arbeit mit Kindern habe und als Grundschullehrerin tätig bin, bin ich seit 2011 fest im Team. Aber seit 1996 bin ich eigentlich ohne Unterbrechung dabei.
KB: Einmal angefangen, möchte man nie mehr aufhören. Was hat Ihnen Frau Lorenz mit ihrem Kinderchor für Ihr Leben gegeben?
Lemkamp-Kroon: Neben der Schulung der Stimme und den vielen Vorteilen, die Musik fürs Leben hat, machte es mir immer total Spaß und brachte gute Laune. Für mich als Kind war es immer etwas Besonderes, bei den Kantaten auf der Bühne vor Publikum zu sein. Man wird so ermutigt und unterstützt in der Arbeit und kann gemeinsam etwas ganz Tolles erreichen. Wenn man dann am Ende auf der Bühne steht und Applaus bekommt, ist man um fünf Köpfe gewachsen und einfach nur stolz auf das, was man geschafft hat. Als Erwachsene helfe ich gerne mit, weil es so schön ist, Kinder mit glänzenden Augen von der Bühne kommen zu sehen oder zu erleben, wie Kinder im Lauf der Zeit über sich hinaus wachsen, sich etwas zutrauen und selbstbewusster werden.
KB: Wie kann man bei dem großen Freizeitangebot und den digitalen Versuchungen heute noch Kinder für die Mitgliedschaft im Chor begeistern?
Lorenz: Das geht nur über die Kantate, das Märchenstück. Das ist für alle das Schönste am Chor. Wir fangen nach den Sommerferien jeweils an, mit den Kindern die Lieder zu lernen. Vor den Herbstferien verteilen Frau Lemkamp-Kroon und ich die Rollen, bis zur letzten Kantate war auch Ursula Aufermann noch jahrelang dabei. Die Texte der Hauptrollen sollen dann in den Herbstferien gelernt werden, damit alles bis zu den Aufführungen zwei Wochen vor Karneval sitzt. Die Kinder lernen durch die Kantaten, dass wir etwas Gemeinsames beginnen, sie lernen, sich selber anzustrengen und der Erfolg der Kantaten und der Applaus des Publikums belohnen alle Kinder für ihren Einsatz.
KB: Neben der musikalischen Leistung beeindrucken bei den Kantaten auch jedes Jahr die Bühnengestaltung, die kunstvollen Kostüme und Frisuren der Kinder. Jedes einzelne Kind ist dabei ein Kunstwerk an sich. Wie schaffen Sie das eigentlich?
Lemkamp-Kroon: Wir haben zum Glück viele Eltern, die sich ganz wunderbar um die Kostüme, die Frisuren und Masken der Schauspieler, die Requisiten und das Bühnenbild kümmern, oft auch über die Kinderchorzeit ihrer eigenen Kinder hinaus. Das ist bei uns schon etwas Besonderes!
KB: Haben Sie vor den Aufführungen schon mal schlaflose Nächte? Ging einmal etwas richtig schief?
Lorenz: Die Generalprobe ist schon immer sehr wichtig, denn vieles, wie sämtliche Requisiten, Bühnenbild, Technik, Beleuchtung haben wir nur in der Generalprobe. Bei den Generalproben mussten wir schon oft ein wenig zittern, ob alles klappt, aber bei den Aufführungen hatten wir immer Glück.
Lemkamp-Kroon: Ja, es ging schon mal etwas schief, aber meistens merkt das Publikum Pannen nicht. Bei der ersten Aufführung dieses Jahr hatten wir den Weihnachtsmannrap vergessen. Als der Vorhang zuging, merkten die Kinder es sofort und lachten. Aber das Publikum hat es kaum gemerkt, der Rap wurde dann am Ende noch nachgeholt. Einmal fiel auch ein Kind aus, weil ihm schlecht wurde. Da in der Choreografie kein Kind fehlen durfte, sprang einfach meine Mutter auf die Bühne und ersetzte die ausgefallene Tänzerin. In der Regel hat aber immer alles geklappt, weil wir es lange üben, und wir können vorher auch gut schlafen.
KB: Ist es schwer, auch die verschiedenen Tänze mit den Kindern einzustudieren?
Lemkamp-Kroon: Ja, letztes Jahr hatten wir ein Menuett mit einigen Erstklässlern aufgeführt. Das war schon einige Arbeit, aber die meisten hatten unglaublich Spaß am Tanzen.
KB: Schreiben sich die Stücke im Lauf der Zeit immer weiter?
Lorenz: Ja, im Tun kommen oft neue Ideen; manchmal schreibe ich auch neue Szenen noch dazu. Es ist alles im Lauf der Jahre immer mehr gewachsen, das ist schön und macht viel Freude!
KB: Die Kinder haben viel Text auswendig zu lernen. Ist das für manche schwer?
Lorenz: Bei mir bekommen die Kinder nie Zettel, auch in der Kirche müssen sie alle Strophen auswendig lernen. Das ist nicht so einfach, aber es bringt den Kindern viel, es schult sie. Auch unsere vier Töchter Miriam, Sarah, Rebecca und Esther sangen alle im Chor, bei mir in Winnekendonk und bei meinem Mann in Geldern. Sie sagen, dass ihnen das Auswendiglernen etwas gebracht und es ein gutes Training für ihr Leben war. Man darf Kindern heute schon noch etwas zutrauen, Auswendiglernen können sie auch viel besser als die Erwachsenen.