1000 Stimmen für die Brüderlichkeit

Seit einigen Jahren dirigiert und komponiert der Niederländer Tom Löwenthal in der Wallfahrtsstadt – ein Mensch, der für seine Musik lebt und sie mit der Portion Leidenschaft vermitteln kann, die es braucht, um von ihr begeistert zu sein.

Im Laufe seines jahrzehntelangen Schaffens hat er viele große Projekte verwirklichen können – der vergangene Samstag dürfte aber als eines seiner schönsten Karriereerlebnisse in seine Vita mit eingegangen sein.

Denn in Eindhoven wurde zu Ehren des niederländischen Theolologen und Dichters Huub Osterhuis, der 85 Jahre alt wurde, das große Oratorium „Lied van de Aarde“ aufgeführt.
Interpretiert wurde das einstündige Oratorium von dem Orchester „La Passione“ aus Lier bei Antwerpen und dem „Kamerkor Helicon“ unter der Leitung von Geert Hendrix.

„Das Oratorium mit dem Lied von der Erde hab ich 1989 geschrieben mit viel Vergnügen und Spaß“, zeigte sich Löwenthal nach dem Konzert begeistert. „Die belgischen Leute haben das super gemacht. Es hätte sicher etwas kräftiger und theatralischer sein können, aber ich muss nicht unzufrieden sein“, sprach aus diesen Worten auch eine gehörige Portion Stolz.

Denn in Anwesenheit des Jubilars boten die Ensembles eine klang- und gesangsmächtige Umsetzung des Stücks mit dem Text von Osterhuis, das von dem Chaos auf der Erde und dem Unvermögen der Menschen kündet, die Erde und die Natur zu bewahren.

„Die Musik ist polystilistisch gedacht – ein bisschen im Stil von Eisler und Weill, mit etwas Bach und Latin“, erläuterte der Komponist danach. „Das hat gut funktioniert, die Stile ergänzen sich schön“, war sein Eindruck.

Aus dem Dialog Gottes (fantastisch: die Sopranistin Dani van Hoog als „Gott“) mit dem Realisten geht am Ende die Botschaft hervor, dass die Menschen sich ändern können und sie „Aarde.Deze. Enig denbare. Rond en blau in de ruimte“ bewahren können.

„Dieses Stück bleibt immer aktuell, diese Umweltfrage, das hat Huub Oosterhuis damals schon wie ein Prophet vorhergesehen“, sieht Löwenthal fast drei Jahrzehnte nach der erstmaligen Aufführung, dass dieses Problem drängender ist denn je. „Und auch diese Sache mit den orthodoxen Radikalen, mit Islam und dass so viele Leute denken, die Wahrheit zu haben.“

Danach trat der 64-Jährige selbst als Dirigent an das Pult und führte zusammen mit dem Amsterdamer „Koor Helicon“, den er am Wochenende teilweise noch bei sich zu Hause zur Probe versammelt hatte, sechzehn moderne Kirchenlieder mit Texten des 85-Jährigen auf.

Selbst komponiert

Viele der Lieder hatte Löwenthal selbst komponiert, dazu kamen Bearbeitungen von Arjen van Baest und Antoine Oomen. Arrangiert hatte der 64-Jährige dann alle 16 Stücke – und er dirigierte selbst dabei die Chorsänger, das Orchester und die 1060 Menschen im Publikum, die alle mitsangen.

„Für mich war das eine Premiere, die Kirchenlieder, die orchestriert sind, mit einem ganzen Saal zu singen“, wurde dem Komponisten danach bewusst, dass das etwas war, „was Du nicht alle Tage so erlebst.“

Für den Zuhörer im Saal war es eine durchweg magische Stunde – allein aufgrund der gewaltigen Macht der Musik und der zusammen singenden Stimmen, die das moderne Gebäude mit ihrem Klang förmlich erstrahlen ließen. Und Lieder wie „Die mij drug“ („Der mich trug“) besaßen eine so emotionale Wucht, dass bei einigen die Augen nicht mehr trocken blieben.

Dazu kam das mit ganzem Körpereinsatz geführte Dirigat von Löwenthal, der danach gestand: „Ich weiß, ich bin ein thetralischer Dirigent. Ich habe versucht, die Menschen zu begeistern, und wenn ich sie richtig anfeuere, finden die Leute das schön.“

So sah es auch Huub Oosterhuis selbst, der danach für sein Lebenswerk und die 1000 Bücher mit all seinen Texten warb. Danach forderte er die Regierung – stellvertretend für viele andere Flüchtlinge in den Niederlanden – auf, eine von Ausweisung bedrohte Familie in einer Kirche in Katwijk zu verschonen. „Bewahrt mir mein freundliches Holland“, lautete sinngemäß seine Botschaft des Tages: „Für die Brüderlichkeit.“

Tom Löwenthal will den Eindhoven-Impuls gerne weiter nach Kevelaer transportieren. „Sowas wie das Mitsingen, das brauchen wir auch am Kapellenplatz mit Orchester“, das wäre sein Traum für den Krippenmarkt. Und vielleicht könne man ja eines Tages auch das Oratorium in Kevelaer zusammen mit Akteuren vor Ort verwirklichen.