Was macht eigentlich Heinz Paal?

Heinz Paal, geboren 1942, begann 1974 seine Laufbahn bei der Stadt Kevelaer als Leiter des Rechnungsprüfungsamtes und schon 1976 wurde er zum Kämmerer und Beigeordneten ernannt. Mit dem Ausscheiden des Stadtdirektors Dr. Heinz Röser zum Jahreswechsel 1983/1984 war der Weg frei, um an die Spitze der Verwaltung aufzurücken. Mit der Änderung der kommunalen Gesetzgebung und der Zusammenlegung der Ämter des hauptberuflichen Stadtdirektors (durch den Stadtrat bestimmt) und des ehrenamtlichen Bürgermeister­amtes (durch die Bürger gewählt) wurde Heinz Paal 1999 zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister der Stadt Kevelaer gewählt.
Heinz Paal war ein zielstrebiger und durchsetzungsstarker Verwaltungschef, der sicher auch wegen dieser Eigenschaften nicht immer unumstritten war. Vielen Menschen wird er in lebhafter Erinnerung geblieben sein, doch nur wenige kennen vermutlich den Menschen hinter dem Amt, das er fast 20 Jahre inne hatte.
Der KB-Herausgeber Rudolf Beerden hat Heinz Paal in der Woche vor Weihnachten in dessen Zuhause an der Blumenstraße in Kevelaer besucht. Bei Kerzenschein mit Kaffee und Gebäck konnte er ihm Fragen stellen, die den Lesern des Kevelaerer Blattes den Menschen Heinz Paal durch dessen Antworten vielleicht ein wenig näher bringen wird. Wer ist der Mensch hinter der „öffentlichen“ Person?
Kevelaerer Blatt: Herr Paal, wie beginnt ein typischer Tag in Ihrem Leben?
Paal: „Wie bei jedem Menschen, mit Aufstehen, Frischmachen, Anziehen und dem Gang in die Küche. Hier nehme ich zu allererst ein halbes Glas Möhrensaft zu mir. Sie wissen schon, wegen der Augen“, sagte er mit seinem bekannten verschmitzten Lächeln. Das sei ein schon seit Jahrzehnten praktiziertes Ritual, führt er weiter aus. „Das alles natürlich zu anderen Zeiten als früher. Meine Frau und ich können den Tag jetzt recht entspannt beginnen. Wobei wir nicht in den Tag hinein bummeln. Sobald es hell wird, sind wir auf jeden Fall auf den Beinen.“
Was ist Ihr Lebensmotto?
Paal: „Das habe ich nicht und ich habe mir auch noch nicht wirklich Gedanken darüber gemacht.“
Ihr liebstes Genussmittel?
Paal: „Wein und Tabak“, antwortet er ohne zu zögern. „Beim Wein heute eher weiß als rot, wie z.B. Sauvignon Blanc, Pinot Grigio und Chardonnay. Den Tabakkonsum habe ich auf maximal fünf kleine Zigarillos reduziert.“
Aha, also eher ritualisiert als das früher stressgeplagte Rauchen? Oder war es das nie?
Paal: „Geplagt nie, höchstens unbewusst. Irgendwann im Büro machte ich eine Feststellung: Ich telefonierte zwangsläufig und habe das überhaupt nicht so richtig wahrgenommen. Ich telefonierte und telefonierte und am Ende des Gesprächs war mein Aschenbecher plötzlich fast ganz voll. Ich dachte dann, das darf doch nicht wahr sein, hast du die Dinger alle geraucht, bist du närrisch?
Dann habe ich mir einen Trick überlegt. Die Zigarillos wurden am äußersten Ende des Büros, also fünf bis sechs Meter entfernt, deponiert, sodass ich während der häufigen Telefonate hätte aufstehen müssen, denn die Telefone hatten damals alle noch ein Kabel. Ich hing dann im wahrsten Sinne des Wortes „an der Strippe“ fest und konnte nicht mehr so viel rauchen.“
In diesem Zusammenhang: Wie steht es um Ihre Gesundheit?
„Im vergangenen Jahr hatte ich eine böse Attacke. Ich war in Bad Oeynhausen, aber nicht der Erholung wegen, sondern wegen der Herzchirurgen. Ich habe es allerdings rechtzeitig wahrgenommen durch ein Kribbeln zuerst im linken und dann im rechten Arm. Ich sagte darauf zu meiner Frau: „Morgen muss ich zum Kerner (Anmerkung d. Reaktion: Dr. med. Rüdiger Kerner, Chefarzt im Marienhospital), der muss da reingucken, da stimmt etwas nicht. Es war glücklicherweise nur ein leichter Herzinfarkt. Einige Beipässe wurden gesetzt und jetzt fühle ich mich wieder wirklich gut. Eigentlich soll ich ja gar nicht mehr rauchen, aber das fällt mir richtig schwer. Ich rauche für mein Leben wirklich gerne“, sagt er mit einem Lachen.
Welche Momente haben Sie im Rat oder Verwaltung genossen?
Paal: „Meine Wiederwahl zum Stadtdirektor, mit allen Stimmen, ohne Gegenstimmen, ohne Enthaltung. Von allen Parteien“, sagt er voll Stolz. „Und das nach acht Jahren im Amt, das habe ich genossen. Das war eine Anerkennung meiner geleisteten Arbeit.“
Und was im Täglichen?
Paal: Er überlegt etwas länger. „Ach wissen Sie, das waren eine so große Fülle in den 20 Jahren. Die könnte ich gar nicht alle aufführen. Vielleicht der Papstbesuch. Aber das war sicherlich für viele andere auch ein besonderes Ereignis.
Was bereuen Sie aus der beruflichen Sicht?
Paal: „Das wir viele gute, in den Ansätzen geplante Vorhaben nicht verwirklichen konnten. Und noch einen Punkt, aber den werde ich Ihnen nicht verraten“, sagte er mit ernster, fast trauriger Miene.
Und in Ihrem privaten Umfeld?
Paal: „Auch das sage ich Ihnen nicht“, sagt er, jetzt mit einem süffisanten Lachen.
Man sagt Ihnen nach, dass Sie durchsetzungsstark sind. Woher kommt diese Eigenschaft?
Paal: „Auf jahrelange Beobachtung der Menschen, wie sich diese verhalten und wie man mit ihnen umgehen muss. Und es ist eine charakterliche Frage, eine angeborene Eigenschaft, die Sie haben oder eben nicht.“ Sagt er bestimmt. „Und man muss natürlich immer sehr gute Leute an seiner Seite haben, denn so allein auf weiter Flur wird es mit dem Durchsetzungsstarken auch schnell vorbei sein.“
Ich bin die gute Fee und Sie haben zwei Wünsche frei.
Paal: „Zwei?“, fragte er sofort zurück.
Ja zwei, nicht drei. Das fragt ja jeder.
Paal: „Erstens Gesundheit für meine Frau und mich. Und dass die Welt ein wenig friedlicher wird. Das ärgert mich wirklich, was zum Beispiel in Syrien geschieht, das ist furchtbar.“
Sie haben noch einen Wunsch frei.
Paal: „Wie, jetzt doch drei?“
Sie können die Zeit zurückdrehen, egal wie lange.
Paal: Er überlegt kurz und sagt ein wenig in Gedanken verloren: „Ich bin nicht sicher, ob ich nochmals in den öffentlichen Dienst gehen würde. Ich glaube, ich würde gerne Händler sein. Irgendwelche Artikel verkaufen. Früher wollte ich gerne Maurer werden, aber meine Mutter hat mich nicht gelassen. Ich habe immer etwas gebaut, und das tue ich auch heute noch gern. In meinem Haus in Spanien, da habe ich schon viele Steine übereinander gesetzt. Allerdings bin ich nicht ganz so gut im Anfertigen des Mörtels und da ist mir schon so manche Mauer wieder umgefallen.“
Was würden Sie sich für Kevelaer wünschen?
Paal: „Einen guten, mit der Situation und dem Umfeld in Kevelaer vertrauten Rat und Bürgermeister. Und dass sie die richtigen Entscheidungen für die Entwicklung Kevelaers treffen. Das wünsche ich mir für Kevelaer“, sagt er mit ein wenig Wehmut in der Stimme.
Haben Sie ein aktuelles Ziel oder Projekt?
Paal: „Ich möchte gerne Saxophon spielen, damit bin ich zugange.“ Dabei zeigt er auf das im Wohnzimmer auf einem Ständer stehende Instrument.
War das schon immer Ihr Wunsch, ein Instrument zu spielen?
Paal: „Nein. Eigentlich nicht. Nur wegen des Sounds. Ich habe mir ja auch mal eine Harley Davidson „Fat Boy“ (Anm. d. Redaktion: schweres Motorrad mit entsprechendem Knattergeräusch) gekauft, wegen des Sounds“, sagt er mit einem herzhaften Lachen. „Die habe ich aber nur fünf Jahre gefahren. Dann war ich es leid, weil ich die zuviel putzen musste.“
Wann haben Sie mit dem Saxophonspielen angefangen?
Paal: „Jetzt erst. Ich bin bei Seite 47 von 100 im Lehrbuch. Einige Male war ich beim Musiklehrer, jetzt versuche ich es autodidaktisch.“
Geht Ihre Frau dann laufen, wenn Sie loslegen?
Paal: „Nein, nein. Die hört mir zu. Teilweise singt sie sogar mit.“
Na, dann möchte ich auch eine Hörprobe von Ihnen.
Paal, ganz bestimmt: „Nein, das geht nicht. Das ist noch zu schlecht.“
Wen würden Sie gerne einmal treffen, um einen Abend zu verbringen, und warum?
Paal, überlegt etwas länger: „Also mit Trump nicht.“ (Anm. d. Redaktion: Donald Trump, nächster gewählter Präsident der USA) „Mit Angela Merkel würde ich gerne einmal reden, aber den ganzen Abend verbringen, das wäre vermutlich zu lange.“
Was haben sie an Ihrem Beruf gehasst und was hassen Sie heute?
Paal: „Also heute hasse ich es, wenn man mich hetzt. Das habe ich überhaupt nicht gerne.
Früher habe ich mich immer selbst gehetzt, das ging immer von mir selbst aus. Gehasst habe ich – da gibt es heute so ein neues Wort dafür: postfaktisch –, wenn man im Vorfeld einer Diskussion oder Entscheidung alles ganz sauber analysiert und vorbereitet hat und man dies einer Gruppe von Menschen, ausdrücklich in kleinen Schritten erklärt, damit auch wirklich jeder dem folgen kann, und anschließend sagen die dann: ,Nöö, das ist aber anders.‘ Da habe ich dann oft aufgegeben und war frustriert.“
Ihre Lieblingsmusik?
Paal: „Alles! Außer Modern Jazz. Und Zehntonmusik höre ich mir auch nicht an. Sonst bin ich eigentlich offen für jede Art der Musik. Eine Oper habe ich mir früher mal angehört, das muss ich heute aber auch nicht mehr. Ich höre mir gerne einzelne Passagen daraus an. Bei einer Oper muss ich mir dann drei Stunden um die Ohren hauen, um zehn Minuten Freude zu haben.“
Ihre größte Stärke?
Paal: „Ich kann gut vergeben, aber ich vergesse nichts. Ich verstehe, aufgrund meiner eigenen Fehlerhaftigkeit, dass ein Mensch Fehler machen kann.“
Ihre größte Schwäche?
Paal: „Das habe ich Ihnen schon erzählt: Rauchen!“
Wenn Sie aus Ihrem familiären Umfeld von Kindern gefragt werden, was Sie gearbeitet haben, was sagen Sie dann?
Paal: „Ich habe immer versucht für diese Stadt das Bestmögliche zu erreichen. Das waren recht einfache oder schwierige Dinge, die anstanden.“
Worauf sind Sie in Ihrer beruflichen Karriere besonders stolz?
Paal: „Ich war immer stolz auf ein harmonierendes Umfeld und Mitarbeiter, die gut mit mir kommunizieren konnten.“
Wenn Sie sich morgens im Spiegel betrachten, was ist Ihr erster Gedanke?
Paal: „Was bist du alt geworden.“
Was ist Ihre Lieblings­­be­schäftigung?
Paal: „Mit meiner Frau in der näheren Umgebung spazieren zu gehen. Mein Saxophon zu quälen oder es quält mich, weil so der ein oder andere Ton nicht so kommt, wie ich es mir wünsche. Ich bin zum vierten Mal Großvater geworden und meine Frau und ich freuen uns auf unseren Enkel, der auch häufiger und gerne hier bei uns ist.“
Angenommen, ich wollte Bürgermeister werden, welchen Rat würden Sie mir geben?
Paal: „Dass Sie vernünftige und loyale Mitarbeiter haben, denn Sie verstehen von Verwaltung nichts”, sagt er und lacht.
Was glauben Sie, welche Ihrer Eigenschaften missfällt den Menschen in Ihrem Umfeld am meisten?
Paal: „Ich bin etwas reserviert und wirke auf manche hochnäsig oder arrogant. Das mag bei manchem so ankommen, zumindest ist dies mein Eindruck. Deswegen habe ich oft eine gewisse Distanz zu Menschen. Das habe ich mir auch anerzogen. Das ist manchmal auch besser; bei unangenehmen Entscheidungen, kann man mit Distanz auch leichter entscheiden.“
Welches „Geheimnis“ aus Ihrer Amtszeit können Sie heute lüften?
Paal: „Meine größten Erfolge waren meine Niederlagen. Als ich meine Amtszeit begann, da gab es in Kevelaer kaum Gewerbefläche. Damals konnten wir einen riesigen Bauernhof erwerben, um diesen mit potenziellen Gewerbeflächen zu tauschen. Wäre das damals zustande gekommen, dann wäre die Stadt dran zugrunde gegangen.“
Haben Sie Entscheidungen mitgetragen, obwohl Sie diese aus Ihrer Überzeugung eigentlich abgelehnt haben?
Paal: „Nein. Da wäre ich dann lieber rausgegangen oder hätte einen dringenden Toilettengang vorgetäuscht.“
Welche Entscheidungen würden Sie heute rückgängig machen?
Paal, überlegt lange: „Personalentscheidungen, aber die sage ich Ihnen nicht. Das betrifft Menschen. Bei den großen Dingen eigentlich keine. Vielleicht in Nuancen anders machen, aber nicht grundsätzlich. Aber wie gesagt, eine Personalentscheidung, die ich getroffen habe, die war falsch.
Aber wenn Sie dies genauso schreiben, dann wird man sicherlich sagen: ,Arroganter Hund, typisch Paal, der meint, nie etwas falsch gemacht zu haben.‘“
Welcher Gedanke schießt Ihnen bei dem Begriff „Bohrloch“ zu allererst durch den Kopf?
Paal: „Dömkes. (Anm. d. Redaktion: Investor und Projektentwickler des gescheiterten „Balneasana“ auf der Hüls). Der arme Kerl, der hat sich erschossen.
375-Jahre Wallfahrt Kevelaer, was bedeutet das für Sie?
Paal: „Ich freue mich, dass die Wallfahrt schon so lange der Wirtschaftsmotor für unsere Stadt ist. Man hat mir oft vorgehalten, dass ich nichts für die Wallfahrt getan habe. Für mich war die Wallfahrt immer der größte Wirtschaftsfaktor. Und ich bin der festen Überzeugung, dass dies so weitergeht bzw. es noch intensiviert werden kann. Dies hat zwar nichts mit Glauben und Theologie zu tun, aber es ist so. Das kann allerdings nicht die Stadt leisten, dazu sind andere berufen.
Was werden Sie als erstes tun, wenn ich gleich das Haus verlasse?
Paal: „Dann ziehe ich an meinem Zigarillo, denn dann ist die Zeit da. Ich habe einen festen Zeitplan, ich muss mich ja selbst disziplinieren. Das ist ja mein Problem beim Rauchen.“
Das Gespräch führte Rudolf Beerden.