Innere Ruhe

Jeden Morgen nach dem Aufstehen, wenn ich meine liebe Mechel begrüßt habe, schaue ich aus dem Fenster. Ich prüfe dann, ob sich ein Rundgang durch die Stadt wettermäßig normal gestalten oder ob es ein kalter, vielleicht nasser Tag werden wird.
Heute Morgen stellte ich fest, dass das Nachbarhaus fast gar nicht zu sehen war – der Nebel ist gekommen, klar, um diese herbstliche Jahreszeit eigentlich nichts Ungewöhnliches.
Mir kommt jetzt der Gedanke, dass ja auch der November mit seinen stillen und besinnlichen Tagen immer näher rückt, und so beschließe ich, mich aus dem geschäftigen Treiben der Stadt auszuklinken und meinen Rundgang anders zu machen. Also habe ich mal für eine Stunde die Kiepe abgeschnallt: denn dort, wohin ich gehen will, wird es nichts zu verkaufen geben.
An der Gelderner Straße biege ich hinter dem Postamt ab und bin mit wenigen Schritten auf dem Friedhof. Viele bekannte Kevelaerer liegen hier in ihrer letzten Ruhestätte. Als erstes sehe ich das Grab des berühmten Künstlers und Kirchenmalers Friedrich Stummel, später das seines Schülers Karl ­Wenzel und dann bete ich kurz bei den Heimatdichtern Theodor Bergmann und Jupp Tenhaef. Ich schlendere weiter und betrachte nachdenklich die teils liebevoll geschmückten Ruhestätten der mir unbekannten Leute, angefangen von A wie Arians über J wie Jansen (in allen möglichen Schreibvarianten) bis Z wie Zumkley.
Die Stunde auf dem Kevelaerer Friedhof hat mir, wie zu erwarten war, keinen geschäftlichen Gewinn eingebracht und dennoch bin ich ein wenig reicher geworden: Es hat mir innerlich gut getan, ich habe Ruhe gesucht und gefunden.
Mechel meinte nachher zu mir: „Man lebt tatsächlich nicht nur vom Geld allein. Rundgänge dieser Art sind mindestens ebenso wichtig.“
Euer Hendrick