"Frau Aldi" feiert Geburtstag

Wenn Regina Berns und ihr Mann Matthias – “Matze” – lachen, dann erfüllt das den ganzen Raum. Humor und die Beschäftigung mit Menschen, das sind zwei wesentliche Elemente im Leben der Winnekendonkerin, die jetzt 80 Jahre alt wurde.
“Wir haben das von Kindheit an mitbekommen, wir waren immer ein Haus der offenen Tür”, erinnerte sie sich an ihre Kindheit mit ihren insgesamt vier Geschwistern im Haus der Eltern in der Reeser Oberstadt. Der Vater war gelernter Bäcker und wurde später Lagerist, die Mutter war Hausfrau.
“Wer ein Problem hatte oder was Schönes zu erzählen hatte, konnte da kommen – jung oder alt. Das hat uns sehr geprägt, selbstbewusst und weltoffen gemacht. Und ich hatte früh ganz viel mit vielen Menschen zu tun” – wichtig für ihre spätere Karriere als “Frau Aldi”. “Ich wäre nie ein Büromensch geworden”, sagt sie und muss bei dem Gedanken schmunzeln.
Nachdem das Haus durch den Krieg zerstört worden war, musste die Familie in die Reeser Feldmark ziehen – und die Kinder einen Kilometer zur Schule laufen. “Der Satz des Vaters lautete: Egal, was kommt, aus allem das Beste machen. So praktiziere ich das bis heute.”
Für das Abitur fehlte das Geld: Regina machte den Volksschulabschluss. 1952 begann sie eine Lehre als Verkäuferin in einem Reeser Textilgeschäft. Später arbeitete sie in der Strickwarenabteilung des Bocholter “Nähkasten”, wohin sie mit mehreren Kolleginnen von außerhalb mit dem Bus fuhr. “Von morgens sieben Uhr bis abends um halb acht” war sie unterwegs.
1958 lernt sie ihren Mann auf einer Prozession von Rees nach Kevelaer kennen. Die Gruppe steht auf der Hauptstraße an einer Eisdiele, als zwei “Halbstarke” mit dem Mofa aufkreuzen, die Prozession auf ihrem Weg über die Schravelsche Heide Richtung Kervenheim nach Uedem und Rees überholen. “Sie sagten damals, sie hätten von uns Fotos gemacht und wollten die uns nächste Woche bringen”, erzählte sie, wie sie mit dem Maschinenschreiner zusammenkam, der bei der Firma Rademacher auf der Biegstraße tätig war. “Er war halt zäh und hatte Humor.”
Sechs Jahre lang wohnte das Paar in Wetten, in der Zeit wurden vier Kinder geboren. 1969 zog die Familie nach Winnekendonk um. Auch dieses Domizil wird zu einem “lauten, lebensfrohen” Haus, die Kontakte in die alte Heimat bleiben – wie zu Karneval: “Der Spielmannszug Rees ist vorgefahren mit 30 Mann im Bus und zog mit, mit Kind, Windeln und Kegel.”
Regina Berns kümmerte sich um die Familie, so was wie Mutterschutz existierte da noch nicht. 1979 erlitt ihr Mann einen Zusammenbruch – beide mussten überlegen, was zu tun ist. Und so stieg sie noch mal mit 44 Jahren bei Aldi als Verkäuferin ein. “Normalerweise lag das Einstellungsalter bei maximal 35 Jahren – eine jüngere Dame warf aber nach zweieinhalb Monaten das Handtuch, und sie riefen mich dann an”, erinnert sie sich.
Am 1. März 1981 begann dort ihre Tätigkeit, die sie bis zur Rente 1997 ausfüllte. Vier Wochen lang nervte sie ihre Familie täglich am Mittagstisch mit der Aufzählung der tausend Preise, die sie im Kopf haben muss. “Da wurde ich von den Kollegen mit motiviert”, erinnert sie sich. Zu einigen hat sie bis heute noch Kontakt.
27 Stunden oder zweieinhalb Tage pro Woche arbeitete sie dort. “Ich war so ‘ne Art ,Mutter der Kompanie’, denn ich war ja mindestens eine Generation älter. Die meisten waren ja so 20 oder Ende 20”, erzählt Berns. So konnte sie aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz im Umgang mit Menschen schöpfen.
Zumeist saß sie an der Kasse. “Ich musste immer mit den Leuten quatschen – und wenn’s nur ein paar belanglose Worte waren. Die Leute wussten das – und die Kolleginnen konnten eine paffen gehen.” Später konnte sie schneller die Preise eintippen als die Scanner die Preise einlesen.
Und Berns blieb auch mal länger dort sitzen, wenn eine Kasse ausfiel. Wenn dadurch die Leute bis auf die Straße standen und warteten – sie begegnete der Situation mit Gelassenheit und Freundlichkeit.
Als “Frau für alle Fälle” wurde sie stets gerufen, wenn jemand ausfiel. “Kannse aushelfen?” – der Satz führte sie neben Kevelaer auch in die Filialen nach Straelen, Geldern, Kleve, Goch und Emmerich. “Da war ich mal für ein paar Tage oder eine Woche. Die kannten mich dann auch.” Selbst holländische Pilger kamen vorbei, zeigten zum Plausch Bilder. Ein paar Bekannte im Turnverein, wo sie aktiv war, brachten dann den Spitznamen “Frau Aldi” auf. ”
Das nahm seine Runde. Bis heute passiert es ihr, dass sie Leute darauf ansprechen. “Wir waren vor kurzem in Steinfurt im Altenheim, da kam eine alte Schwester, die früher in Kevelaer im Kloster war, vorbei und sagte: ,Tach, Frau Aldi'”, erzählt ihr Mann. Selbst sieht sie die Ansprache für sich als Kompliment. “Zu dem stehen, was man sagt und tut”, sei vollkommen okay. “Und mir hat’s immer Spaß gemacht.”
Sogar Aldi-Gründer Theo Albrecht lernte sie kennen. “Der fuhr bei allen Kollegen mal rund und begrüßte alle – ein ganz einfacher Mensch, der sich nix aus seiner Position machte. Und als die LuGa eingeweiht wurde, kam sein Sohn.” 1997 hörte sie bei Aldi mit 60 Jahren auf – im Kevelaerer Blatt erschien damals der Hinweis eines Lesers, der sich bei der “freundlichsten Verkäuferin” Kevelaers bedanken wollte.
Seitdem kümmert sie sich um ihre elf Enkel und ihre Urenkelin Alicia – “oft den ganzen Tag lang mit Hütchenspiel, Minigolf, Mensch-ärgere-dich-nicht”. Sie schreibt Gedichte, geht mit ihren Mann überall hin, “wo was los ist” – ob zu Sommerfesten in der Nachbarschaft oder zum Maikranz setzen, – trägt das Missionsblatt für 23 Personen aus. “Ich hatte nie Langeweile.”
Zum Geburtstag ging es am Nachtigallenweg schon nicht besonders ruhig zu, bei der Feier mit Bekannten und der Familie zu Hause. Am Samstag, 14. Januar, wird es sicher nicht ruhig: Dann gibt es mit gut 60 Personen eine Party in der Öffentlichen Begegnungsstätte, wo der Sohn als Hausmeister arbeitet. Und dort kann sich die Jubilarin auch auf Überraschungsgäste freuen.
Für die nächsten Jahre hat sie klare Vorstellungen. “Solange es geht, möchte ich mein Leben so weiterführen – und das mit einem Lächeln.” Ein Lebensmotto nimmt sie auch mit auf den Weg: “Wenn’s mal ein Tief gibt, soll man immer das Weiße auf dem Blatt suchen – und nicht den schwarzen Punkt.”